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Nachhaltige Tinte für den 3D-Drucker

Text von Sina Hoffmann
17.11.2023
Nachhaltigkeit

Mit 16 Jahren gründete Milan von dem Bussche die Firma QiTech. Seine Geschäftsidee: Plastikmüll recyceln und zu Material für 3D-Drucker verarbeiten. Inzwischen ist sein Unternehmen vom Elternhaus in eine Fabrikhalle gezogen – und hat volle Auftragsbücher.

Die Firmengeschichte des Schüler-Start-ups QiTech begann – wie bei vielen erfolgreichen Unternehmen – in einer Garage. Milan von dem Bussche und seine Freunde wollten recycelte Handyhüllen aus dem 3D-Drucker für ihre Smartphones herstellen. Um Plastik klein zu häckseln und so nach Youtube-Anleitungen die Tinte für den 3D-Drucker – sogenanntes Filament – herzustellen, nutzen sie alles, was ihnen in die Finger kam: Teile vom Schrottplatz, aber auch der Küchenmixer der Mutter und der Motor aus dem höhenverstellbaren Bett der Eltern mussten herhalten. „Meine Eltern haben mich immer unterstützt, aber da gab es doch Ärger“, lacht von dem Bussche. Mit der Zeit entwickelten die Schüler aus Oppenheim das Geschäftsmodell weiter: Statt Handyhüllen stellen sie heute Maschinen her, die Plastik recyceln und nachhaltiges Filament produzieren – und das mit großem Erfolg.

Milliardenmarkt 3D-Druck

Der 3D-Druck hat in den vergangenen Jahren rasant an Bedeutung gewonnen. Ob Zahnimplantate, Brillengestelle oder Sohlen für Laufschuhe – die Technik ist mittlerweile in vielen Branchen einsatzbereit. Der globale Markt für additive Fertigung erreichte 2022 einen Rekordwert von 9,53 Milliarden Euro. Tendenz weiter steigend.

Ein wichtiger Bestandteil des Fertigungsprozesses ist Filament. Dieses besteht aus einem dünnen Kunststoffdraht, der im 3D-Drucker erhitzt wird, um das Objekt Schicht für Schicht aufzutragen. Der Draht besteht normalerweise aus Plastik, das eigens dafür produziert wird. Das Maschinensystem von QiTech ermöglicht es aber, Plastikabfall einzuschmelzen und den recycelten Kunststoff wie Neumaterial zu nutzen. Frank Brückner, Technologiefeldleiter am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Stahltechnik, sieht in der Herstellung von nachhaltigem Filament ein zukunftsrelevantes Geschäftsfeld: „Derzeit beschäftigen sich viele Entwickler damit, Filamente aus Holz oder anderen recyclefähigen Werkstoffen herzustellen, da die Materialien ökologische Vorteile gegenüber konventionellen Methoden bieten.“

Vom Schüler zum Unternehmer

Die Teilnahme an den Schülerwettbewerben „Jugend gründet“ und „StartUp Teens“ ermutigte von dem Bussche und seine Freunde dazu, ihre Idee immer weiter zu verfolgen. „Die Wettbewerbe waren rückblickend sehr wichtig für uns, da wir unsere Pläne und Gedanken erstmals ordnen mussten: Wir haben zum ersten Mal einen Businessplan geschrieben, Feedback von der Jury und den anderen Teilnehmern bekommen - und haben am Ende sogar Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro gewonnen, unser Startkapital“, sagt von dem Bussche. Zunächst schraubten die Schüler in der Garage weiter. Da die Handyhüllen zu dick und das Material zu spröde waren, konzentrierten sie sich auf die Herstellung der Maschinen und des Filaments. Die Fortschritte teilten sie in den sozialen Medien. Darauf wurden zahlreiche Unternehmen, Labore und Forschungseinrichtungen aufmerksam, die die Produkte kaufen wollten. Nun war klar, dass die Maschinen schnell serienreif werden mussten.

Ob Zahnimplantate, Brillengestelle oder Sohlen für Laufschuhe – 3D-Druck ist mittlerweile in vielen Branchen einsatzbereit.

Gründungshürde Volljährigkeit

Um die Maschinen überhaupt verkaufen zu können, wollten die Schüler eine Firma gründen. Mit 15 Jahren war von dem Bussche jedoch noch nicht geschäftsfähig. Nachdem er von einer Behörde zur nächsten verwiesen wurde und sogar der Versuch erfolglos blieb, seine Geschäftsfähigkeit einzuklagen, fand er eine Notlösung: „Meine Schwester, die zu der Zeit in den Niederlanden studierte, war offiziell Geschäftsführerin, bis ich dann selbst 18 wurde.“ Von dem Bussche kritisiert die hohen bürokratischen Hürden in Deutschland: „Es muss sich schnell etwas ändern, wir haben damals so viel Zeit und Geld investiert, das hätte auch in die Entwicklung unserer Maschinen fließen können.“

Da der Platz in der Garage begrenzt war, mieteten die Schüler eine 2.600 Quadratmeter große Supermarkthalle, die nicht nur Werkstatt, sondern auch zum Heim für die Start-up-WG wurde. Bei Ebay kauften sie Möbel und einen Gabelstapler. Zwischen Feldbetten, Swimmingpool und Schlagzeug wurde geschraubt und programmiert. Nach dem Abitur legten die Schüler ein Firmenjahr ein, um die Produktion und Entwicklung weiter hochzuziehen. Sie nahmen so viele Aufträge wie möglich an und verkauften ihre Produkte weltweit. „Wir haben auch nach Amerika und Australien geliefert. Eine tolle Zeit. Aber das war der Punkt, an dem das Firmenwachstum, unsere Kompetenzen und unsere persönlichen Zukunftsvorstellungen auseinandergingen“, erinnert sich von dem Bussche. Denn die erste Steuererklärung, das Ausfüllen der Zollpapiere und die Mitarbeiterführung erforderten mehr Zeit als gedacht. „Wir wollten alles selbst lernen und machen, aber die Herausforderungen waren zu groß - auch wenn man sich das natürlich nicht eingestehen will“, sagt von dem Bussche. 

QiTech wird erwachsen

Der Jungunternehmer wagte einen Schritt rückwärts: Auch wenn viele internationale Unternehmen nach wie vor an den Produkten interessiert sind, fokussierte sich QiTech vorerst wieder auf Kunden aus der DACH-Region. Gleichzeitig optimierte von dem Bussche die internen Abläufe und Strukturen. Seitdem geht es mit dem Start-up langsamer, aber stetig bergauf: Im Herbst 2022 zog das Unternehmen nach Darmstadt in eine Fabrikhalle. „Wir haben uns von der Schülerfirma zu einem richtigen Unternehmen entwickelt und gelernt, dass man nicht direkt von null auf hundert gehen kann“, sagt der heute 20-Jährige.

Da der Platz in der anfänglichen Garage begrenzt war, mieteten die Schüler eine 2.600 Quadratmeter große Supermarkthalle, die nicht nur Werkstatt, sondern auch zum Heim für die Start-up-WG wurde.

Um sich persönlich weiterzuentwickeln und damit auch QiTech nachhaltig voranzubringen, sei der Austausch mit anderen jungen Gründern für von dem Bussche besonders wichtig. Auch durch das Studium bekommen er und seine fünf Mitstreiter wertvolle Impulse für das Unternehmen. Sie alle studieren an der Technischen Universität Darmstadt Maschinenbau oder Informatik. Immer im Hinterkopf, dass die Maschinen verbessert und die Produktion weiter skaliert werden soll. Freizeit und Schlaf kommen dabei oft zu kurz, aber von dem Bussche hat eine klare Vision: „Wir wollen vorangehen und zeigen, dass Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit vereinbar sind.“ Im nächsten Schritt soll eine weitere Produktionshalle in Darmstadt angemietet werden.

Dass QiTech auf dem richtigen Weg ist, bestätigen zahlreiche Auszeichnungen, wie der Preis „Newcomer des Jahres 2022“, der KfW-Award „Gründen 2022“ und der „Future Pioneers Award 2023“ von Business Insider und WELT in der Kategorie Future Digital Innovation. Michael Nilles, Future-Pioneers-Jurymitglied und verantwortlich für IT, Digitalisierung und Venturing bei Henkel, sagt dazu: „Milan von dem Bussche hat mit seinem Unternehmen QiTech eine beeindruckende Möglichkeit gefunden, um Nachhaltigkeit und technologischen Fortschritt smart miteinander zu verbinden. Seine Idee ist nicht nur besonders kreativ, sondern spricht auch für seinen herausragenden Unternehmergeist und seine Zukunftsorientiertheit.“

6,3 Millionen
Tonnen Plastikmüll fielen in Deutschland im Jahr 2021 an.
Quelle: NABU

9 Prozent
des weltweiten Plastikabfalls werden recycelt.
Quelle: OECD

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