Milch gegen Malaria
Jovia Kisaakye aus Uganda verfolgt mit ihrer Geschäftsidee gleich zwei Missionen: Sie rettet Menschen vor Malaria und verdorbene Milch vor der Vernichtung. Die 20-Jährige leistet so einen großen Betrag, um das Leben vor allem in den wärmeren Regionen der Welt zu verbessern.
Malaria sei der Albtraum ihrer Kindheit gewesen, erzählt Jovia Kisaakye. Die junge Geschäftsfrau stammt aus Wakiso in Zentraluganda, wo ihre Mutter in den 2000er-Jahren Felder bewirtschaftete und Tiere züchtete. Die Familie war auf die Viehzucht angewiesen – obwohl sie die Kisaakyes fast das Leben gekostet hätte. Wie dort üblich, hob die Familie nämlich Gräben aus, um darin Regenwasser für die Tiere zu sammeln. Diese Trinkstellen entpuppten sich allerdings bald als Brutstätten für Moskitos. Seitdem hatte regelmäßig ein Familienmitglied mit Malaria zu kämpfen. „Ich war nahezu jeden Monat wegen einer Malaria-Infektion im Krankenhaus“, sagt Jovia Kisaakye. Ihr Bruder starb mit fünf Jahren sogar an der Krankheit.
Malaria ist die häufigste Todesursache in Uganda. Zehntausende Menschen landen dort jedes Jahr wegen der Tropenkrankheit im Krankenhaus. Weltweit infizieren sich jährlich etwa 200 Millionen Menschen, rund 400.000 sterben daran. Übertragen wird Malaria durch die Anopheles-Mücke. Wenn diese eine infizierte Person sticht, kann das Insekt den Malaria-Parasiten aufnehmen und weitertragen. Die Symptome ähneln denen einer gewöhnlichen Grippe: Erkrankte klagen über Muskelschmerzen, Fieber und Kopfschmerzen, manchmal leiden sie auch unter Erbrechen und Krampfanfällen. Fast immer infizieren sich Menschen in Afrika und meist sterben junge Kinder wie Kisaakyes Bruder.
Es gibt zwar eine zugelassene Impfung, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit rund einem Jahr empfiehlt – doch diese senkt das Risiko zu erkranken nur um etwa 40 Prozent. „Früh behandelt, ist Malaria zu hundert Prozent heilbar“, sagt Michael Ramharter, Leiter der Abteilung Klinische Forschung am Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin und Leiter der Sektion Tropenmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Wenn man allerdings zu lange mit der Behandlung wartet, kann es zu Organschäden kommen, die unter Umständen zum Tode führen.“
Umso wichtiger ist die Arbeit von Jovia Kisaakye. Sie hat aus ihrem Schicksal eine Tugend gemacht und vor drei Jahren gemeinsam mit ihren Geschäftspartnern, dem Malariaforscher Patrick Sseremba und dem Agrarwissenschaftler sowie Lebensmittelchemiker Blasio Kawere, das Start-up Sparkle Agro Brand gegründet. Kisaakye traf ihre Kollegen auf einer Unternehmerausstellung in der Schule. Der Name des neu gegründeten Unternehmens spiegelt die Geschäftsidee wider: „Sparkle“ bedeutet auf Deutsch Glanz, der Begriff „Agro“ steht für Landwirtschaft. Und genau das ist Kisaakyes Intention: Sie hat eine Mückenschutz-Creme entwickelt, die nicht nur Moskitos fernhalten soll, sondern die Haut gleichzeitig pflegt, weil sie viel Feuchtigkeit enthält.
Hierfür nutzt sie eine heimische Ressource, die es im Überfluss gibt: verdorbene Milch. Ugandas Landwirte produzieren nach Angaben der nationalen Entwicklungsbehörde für Milchprodukte jährlich etwa 2,8 Milliarden Liter. Allerdings wird nur ein Drittel davon tatsächlich verbraucht. Der Rest wird sauer, da in vielen ländlichen Gebieten Strom zum Kühlen fehlt. Das führt zu Umsatzeinbußen, denn schlechte Milch bringt kein Geld, zumindest bislang nicht. Seit drei Jahren kauft Kisaakye den Landwirten ihr Produkt nun schon ab – insgesamt schätzungsweise 500.000 Liter. „So konnten wir mehr als 50 Familien in der Milchwirtschaft halten“, sagt sie. Diese hätten anderenfalls ihren Betrieb aufgeben müssen.
Um aus saurer Milch eine Mückenschutz-Creme herzustellen, filtern die Mitarbeitenden von Sparkle Agro Brand sie zunächst. Dabei trennen sie die Flüssigkeit vom festen Teil und verwenden den flüssigen Part für die Herstellung der Lotion. Aus einem Liter Milch werden etwa 200 Milliliter Creme hergestellt. Die flüssige Sauermilch vermischen die Mitarbeitenden dann noch mit Pflanzenextrakten wie Citronella und Neem, da diese Mittel bei der Mückenabwehr helfen. Das Endprodukt ist also rein biologisch.
Kisaakye entwickelte ihre Creme im Laufe der Zeit kontinuierlich weiter, um eine optimale Wirksamkeit zu erzielen. Nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit kam der Durchbruch: „Wir haben es geschafft, ein Produkt herzustellen, das Mücken bis zu acht Stunden von der Haut fernhält und in dieser Zeit zu 90 Prozent wirksam ist“, berichtet Kiskaaye. Diesen Erfolg hat sie sich gleich von unabhängiger Seite bestätigen lassen: Ein staatliches Analyselabor in Uganda wies die Wirksamkeit der Creme nach. Und auch Tropenmediziner Ramharter weiß Kiskaayes Produkt einzuordnen: Der Goldstandard im Mückenschutz wirkt ähnlich lange.
Und die Creme kommt gerade rechtzeitig. Nachdem die Malaria-Infektionszahlen fast fünfzehn Jahre lang rückläufig waren, steigen sie seit 2017 wieder. Um die Krankheit zu kontrollieren, braucht es Ramharter zufolge vor allem drei Dinge: frühe Diagnosen, effektive Therapien und Maßnahmen, die die Übertragung verhindern. „Parasiten sind gegen Malaria-Medikamente zunehmend resistent“, sagt Infektiologe Ramharter. Mückenschutz-Mittel wie Sparkle Agro sind somit ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Malaria.
Drei Jahre nach der Gründung beschäftigt Sparkle Agro Brand heute insgesamt zwölf Mitarbeitende, vier in Vollzeit und acht in Teilzeit. Darunter sind Produktionsassistenten, Marketingspezialisten, Vertriebler und Landwirte. „Außerdem werden wir von Wirtschaftsexperten der nationalen Handelskammer Ugandas, von medizinischen Experten auf dem Gebiet der Malaria und von einem Agrarökonomen, der gleichzeitig unser Projektleiter ist, betreut“, berichtet Kisaakye. Die Mitarbeitenden von Sparkle Agro Brand produzieren die Cremes in einem Labor in Kitende, am südlichen Stadtrand von Kampala. Das Unternehmen hat bereits mehr als 30.000 Flaschen verkauft, an Kunden aus Uganda, aber auch aus Kenia, Benin, Indien und Deutschland.
Interessierte können das Produkt online über die Webseite bestellen. In Uganda stehen die Fläschchen mit den pinkfarbenen Deckeln und einem geschwungenen Sparkle-Schriftzug sogar in Supermärkten und Drogerien. Außerdem kaufen Hilfsorganisationen, die im Land tätig sind, den Mückenschutz ein. Die Cremes kamen dadurch schon in Flüchtlingsunterkünften und in Schulen zum Einsatz. „Das hat die Zahl der Malariafälle dort deutlich reduziert“, berichtet Kisaakye. Die junge Unternehmerin, die inzwischen Statistik an der Makerere Universität in Kampala studiert, will auf jeden Fall weiter an ihrer Geschäftsidee arbeiten: „Wir wollen das Produkt in alle Regionen der Welt bringen, die von Malaria betroffen sind“, sagt sie.
14 Millionen
Ugander erkranken nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr an Malaria.
1,9 Milliarden Liter
Milch werden nach Angaben der nationalen Entwicklungsbehörde für Milchprodukte in Uganda jährlich vernichtet.
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