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Nachhaltige Elektromotoren aus Florida

Text von Maria Kessen
02.12.2022
Gesellschaft

Elektromotoren sind zwar emissionsfrei, für ihre Produktion werden jedoch Seltene Erden benötigt, deren Abbau wenig nachhaltig ist. Robert Sansone, ein Schüler aus Florida, hat einen Motor entwickelt, der ohne diese Metalle auskommt.

Schöne Landschaften, kitschige Sonnuntergänge und nur fröhliche, zufriedene Gesichter bei den Insassen – die allgegenwärtige Autowerbung macht uns klar: Elektromobilität gilt als die Lösung vieler Umweltprobleme. Auf den Plakaten und in den Werbespots geht es längst nicht mehr nur um Komfort, Größe und Geschwindigkeit, sondern auch darum, ein Fahrzeugmodell möglichst umweltfreundlich darzustellen.

Die Botschaft ist bei den Verbrauchern angekommen: Elektroautos boomen. Nach Angaben des „Economic EV Outlook Report“ der Internationalen Energy Agency erreichte der Verkauf von Elektrofahrzeugen (einschließlich Plug-in-Hybride) im Jahr 2021 einen neuen Rekord. Weltweit wurden bereits 6,6 Millionen E-Autos verkauft. Das sind zehn Prozent der Neuzulassungen. Bis zum Jahr 2030, so eine Studie der britischen Unternehmensberatung Deloitte, wird sogar jeder dritte Neuwagen, der vom Band rollt, elektrisch betrieben sein.

Doch Elektro bedeutet nicht automatisch auch sauber oder umweltfreundlich. Ein großes Problem liegt nämlich im Motor selbst. Die meisten E-Autos fahren mit Permanentmagnetmotoren, einer elektrischen Antriebstechnik, die für ihren hohen Wirkungsgrad – also für ihre schnelle Beschleunigung – bekannt ist. Doch die hohe Leistung hat auch eine Schattenseite: Für den Permanentmagneten werden Metalle benötigt, die ganz am Ende des Periodensystems stehen, sogenannte Seltene Erden wie Dysprosium, Neodym oder Samarium. Diese werden zu mehr als 90 Prozent in chinesischen Minen gefördert. Und dabei gehen die Unternehmen alles andere als nachhaltig vor: Viele chinesische Bergbauproduzenten halten sich nicht an vorgegebene Umweltstandards oder an Vorschriften zur Arbeitssicherheit.

Die Gewinnung von Neodym gilt als besonders umweltbelastend. Laut Angaben des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz werden beim Abbau radioaktive Elemente wie Uran oder Thorium freigesetzt – Stoffe, die nach Recherchen des Rundfunkverbunds ARD zumindest teilweise das Grundwasser vor Ort kontaminieren. Aber das ist noch nicht alles: Nach einem im Journal „Resources Policy“ veröffentlichten Bericht aus dem Jahr 2016 stammen 40 bis 50 Prozent der Neodym-Produktion aus illegalen Minen, die überhaupt keiner Kontrolle unterstehen.

Robert Sansone, ein 17-jähriger High-School-Schüler und Hobby-Ingenieur aus Ford Pierce in Florida, hatte es sich zum Ziel gesetzt, diese Probleme aus der Welt zu schaffen. Seine Lösung: Ein Elektromotor, der ohne Magnete und somit auch ohne Seltene Erden auskommt. Sollte sein Konzept Erfolg haben, könnten Permanentmagnetmotoren bald Geschichte sein. Dass ihm dies gelingt, bezweifelt niemand, der ihn kennt. Sansone ist ein echter Tüftler und vielseitig interessiert: von animatronisch gesteuerten Händen über Hochgeschwindigkeits-Laufstiefel bis hin zu einem Go-Kart – nach Angaben des Smithsonian-Magazins hat sich der Teenager in seiner Freizeit schon mindestens 60 verschiedenen Projekten gewidmet.

Bei seiner Suche nach Alternativen stieß der Schüler auf den Synchronreluktanzmotor, eine Antriebsmaschine, die bisher für Pumpen und Lüfter verwendet wird. Im Unterschied zum Permanentmagnetmotor ist sie jedoch nicht stark genug, um in Fahrzeugen eingesetzt zu werden. Heath Hofmann, Professor für Electrical Engineering und Computer Science an der Universität Michigan, beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema: „Der Vorteil an Permanentmagnetmotoren ist, dass sie eine hohe Kraft und Drehmomentdichte haben, ohne im Fahrzeug viel Platz einzunehmen.“ Bei der Entwicklung des Synchronreluktanzmotors läge die technische Herausforderung darin, so Hofmann, eine hohe magnetische Ausprägung und damit ein ähnlich hohes Drehmoment zu erreichen.

Genau an dieser Herausforderung arbeitete Sansone. Im Laufe eines Jahres baute er 15 Versionen eines neuen Synchronreluktanzmotors. „Ich hatte keinen Mentor, der mir half, also musste ich jedes Mal, wenn ein Motor ausfiel, eine Menge Nachforschungen anstellen und versuchen, das Problem zu beheben“, sagt Sansone gegenüber dem US-amerikanischen Smithsonian Magazine. Schließlich gelang ihm der Bau eines Prototypen, der alle Anforderungen erfüllte. Weil Sansone seine Lösung patentieren möchte, will er keine weiteren Details preisgegeben. Nur so viel: Bei seinen Arbeiten kommen unter anderem ein 3-D-Drucker, Kunststoff und Kupferdrähte zum Einsatz.

Für seine Erfindung gewann Sansone den ersten Preis bei der Regeneron International Science and Engineering Fair (ISEF) 2022, dem weltweit größten internationalen High-School-Wettbewerb für Naturwissenschaften. Der junge Erfinder möchte das Preisgeld, immerhin 75.000 US-Dollar, in seinen Bachelor investieren. Seine Faszination für nachhaltige Motoren ist ungebrochen: In einem YouTube-Beitrag der Nachrichten-Webseite „The 74“ erzählt Sansone, dass er mittlerweile bereits an der 16. Version seines Motors arbeitet: „Für mich wäre es ein Traum zu erleben, wenn Innovationen wie mein elektronisches Design zu nachhaltigen Fahrzeugen führen würden.“

3 Kilogramm
wiegt ein Neodym-Magnet in einem E-Auto maximal.
Quelle: Reuters

17,1 Prozent
betrug der Marktanteil von Elektroautos in Deutschland im Oktober 2022.
Quelle: ADAC

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