Der Kaffeesatz kommt in den 3D-Drucker
Im 3D-Druck-Verfahren lässt sich inzwischen fast alles herstellen. Das Problem: Häufig besteht das Druckmaterial aus erdölbasiertem Kunststoff. Dabei gibt es bereits nachhaltige Alternativen aus Biokunststoffen, Lebensmittelabfällen und Pilzen. Ein Blick in die Praxis zeigt, wie daraus umweltfreundliche Lösungen und beeindruckende Designs entstehen.
Der 3D-Druck macht es möglich, komplexe Objekte für nahezu jeden Einsatzbereich herzustellen – ob Teile für Autos oder Flugzeuge, medizinische Prothesen oder sogar ganze Häuser. Schicht für Schicht wird das Filament, die Tinte des 3D-Drucks, aufgetragen. Meist handelt es sich dabei um Kunststoff auf Erdölbasis.
Biokunststoffe, die umweltfreundliche Alternative, machen bisher nur einen Bruchteil der weltweiten Kunststoffproduktion aus – etwa 0,5 Prozent. Einer der bekanntesten: PLA (Polymilchsäure), das aus nachwachsenden Rohstoffen wie Maisstärke oder Zuckerrohr gewonnen wird. PLA ist leicht zu verarbeiten sowie kostengünstig und deshalb auch für den 3D-Druck geeignet. Besonders spannend: Es lässt sich mit natürlichen Fasern und Füllstoffen aus Holz, Hanf und sogar Lebensmittelabfällen mischen. Das verleiht den gedruckten Objekten nicht nur eine besondere Optik, sondern verbessert auch ihre Umweltbilanz.
Kaffeesatz statt Plastik im Filament
Ein Beispiel für den Einsatz dieses nachhaltigen Filaments kann man in Barcelona bestaunen: Im Café D•Origen Coffee Roasters bestehen Theken, Lampen und Barstühle aus recyceltem PLA und Kaffeesatz. Das Ergebnis? Warme, bernsteinfarbene Möbel, die sich perfekt in das historische, von Antoni Gaudí entworfene Gebäude einfügen. „Wir wollten eine besondere Atmosphäre schaffen“, sagt Café-Besitzer Michael Uhlig. Gleichzeitig legt er, ganz im Sinne des bekannten Architekten, großen Wert auf Nachhaltigkeit: Eine Solaranlage versorgt seine Rösterei und seine beiden Cafés in Barcelona und Alicante mit Strom, das To-Go-Geschirr ist recycelbar, die Trinkhalme essbar und der Kaffee wird unter nachhaltigen und fairen Bedingungen auf einer eigenen Plantage in Panama angebaut.
Entwickelt wurde das Filament von Lowpoly, einem Unternehmen aus Madrid, das sich auf ressourcenschonende 3D-Druckverfahren und zirkuläres Design spezialisiert hat. Laut Gründer Gianluca Pugliese eignet sich Kaffee hervorragend dafür: Er ist das Getränk, das weltweit am zweithäufigsten konsumiert wird. Durch den hohen Verbrauch entstehen jährlich rund 20 Millionen Tonnen Kaffeesatz – die größtenteils ungenutzt im Müll landen. Neben Kaffeesatz verwendet Lowpoly auch Lebensmittelreste von Oliven, Trauben oder Bananen, um nachhaltiges Filament herzustellen. 98 Prozent der verwendeten Materialien sind organisch – dadurch ist die 3D-Druck-Tinte biologisch abbaubar und erdölfrei.
Instagramability durch Kaffeesatz im 3D-Druck
Die Produktion der Objekte erfolgt mit innovativen 3D-Drucktechniken: Großformatige Drucker und modifizierte Extruder sind speziell für Materialien mit hohem organischen Anteil ausgelegt. Industrielle Roboterarme sorgen für eine präzise Verarbeitung. Und der Alltagstest? Bestanden. „Die Möbel sind sehr hochwertig und halten dem täglichen Gebrauch stand“, berichtet Uhlig. Auch optisch sind sie ein voller Erfolg und sorgen für einen regelrechten Hype in den sozialen Medien: „Unsere Instagramability ist durch die Möbel radikal gestiegen.“
Geht’s noch nachhaltiger?
Obwohl PLA zu den umweltfreundlichen Kunststoffen zählt und viele Vorteile bietet, hat es eine Schwäche: Der biologische Abbau funktioniert nur in speziellen Kompostieranlagen. Ganz anders dagegen beim Biokunststoff PHA (Polyhydroxyalkanoate). Dieser wird von Bakterien produziert und baut sich in der Regel in freier Natur innerhalb eines Jahres vollständig ab. Noch ist PHA allerdings teurer und schwieriger zu verarbeiten als PLA. „PHA eignet sich besonders für Anwendungen, bei denen eine vollständige biologische Abbaubarkeit gewünscht ist, beispielsweise im Gartenbau für Pflanzendrähte“, sagt Stephan Kabasci, Forschungsmanagement Circular Economy am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT. Einige Unternehmen wie das kanadische Start-up Genecis experimentieren bereits mit der Herstellung von PHA aus Lebensmittelresten, um es für eine Reihe industrieller Anwendungen im 3D-Druck nutzbar zu machen.
Pilze als Druckertinte der Zukunft?
Neben Biokunststoffen gewinnen auch andere innovative Materialien im 3D-Druck an Bedeutung. Eines davon ist Myzel – das Wurzelgeflecht von Pilzen, das in zahlreichen Forschungsprojekten untersucht wird. Zum Beispiel haben Forscher des Fraunhofer UMSICHT im Forschungsprojekt Fungifacturing eine pilzbasierte Paste entwickelt, die sich mittels 3D-Druck in die gewünschte Form bringen lässt. So können die isolierenden Eigenschaften von Myzel genutzt werden, um etwa nachhaltige Schallabsorber herzustellen. Myzel punktet darüber hinaus auch in Sachen Druckfestigkeit, Wärmedämmung und Brandschutz – das macht es für den Einsatz am Bau attraktiv. Weiteres Anwendungspotenzial zeigt sich in der Medizintechnik: An der ETH Zürich haben Forscher eine Roboterhaut aus einem speziellen Hydrogel mit Myzel entwickelt. Dieses wird zu einem Gitter gedruckt, das nach 20 Tagen eine robuste, selbstheilende Struktur bildet.
Aus der Nische in die Industrie
Nachhaltige Materialien bieten enormes Potenzial für ressourcenschonendes Design, dennoch spielen Biokunststoffe und Myzel in der Industrie bisher nur eine Nebenrolle. „Die große Herausforderung bleibt, Materialien zu entwickeln, die nicht nur umweltfreundlich, sondern auch langlebig und stabil genug für industrielle Anforderungen sind“, erklärt Paul Wegwerth, Gruppenleiter AM Polymer an der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologien IAPT.
Vom Plastik zur 3D-Druck-Tinte
Wie Plastik zu neuem Filament recycelt werden kann, zeigt das Unternehmen QiTech in diesem Beitrag: "Nahhaltige Tinte für den 3D-Drucker".
Derzeit werden Biokunststoffe im 3D-Druck vor allem für Einzelanfertigungen und im privaten Bereich genutzt. In der Industrie kommen sie meist nur beim Bau von Prototypen zum Einsatz, da ihre Temperaturbeständigkeit und ihre Haltbarkeit begrenzt sind. Zwar lassen sich ihre Eigenschaften durch Additive verbessern, doch die Industrie setzt lieber auf bewährte Hochleistungsmaterialien. Hinzu kommt: Neue Materialien müssen aufwändig getestet und zertifiziert werden – ein teurer und langwieriger Prozess. „Daher finden innovative Biokunststoffe nur langsam Eingang in industrielle Anwendungen“, erklärt Kabasci.
Fortschritte gibt es dennoch, wie die oben genannten und zahlreiche andere Projekte zeigen. Darüber hinaus setzen Unternehmen nicht nur immer häufiger nachhaltige Materialien ein, sondern betrachten auch das Ende des Lebenszyklus und entwickeln Verfahren, um Werkstoffe zu recyceln und in den Kreislauf zurückzuführen.
2.000 Tonnen
Biokunststoffe wurden 2023 weltweit produziert.
Quelle: European Bioplastics
6.000.000 Tonnen
Kunststoffabfälle fielen in Deutschland im Jahr 2023 an.
Quelle: NABU
Unser Nachhaltigkeitsnewsletter Be.Wirken

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