Design trifft Nachhaltigkeit
Von nachhaltiger Straßenbeleuchtung bis hin zu Strom aus Wärme – Tobias Trübenbacher bringt Ideen mit Wirkung auf den Weg. Dabei tritt bei den kreativen Entwürfen des jungen Designers stehts eine umweltbewusste und soziale Zukunft ins Rampenlicht.
Wer in Deutschland die Milchstraße sehen möchte, hat es selbst in klaren Nächten schwer: Vielerorts hellen künstliche Lichtquellen den Nachthimmel auf und trüben die Sicht. Allein zwischen 2011 und 2022 wurde der Nachthimmel in Europa jährlich um 6,5 Prozent heller, beobachtete das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung. Die Lichtverschmutzung hat weitreichende Folgen: Sie bringt die Wachstums- und Blühphasen von Pflanzen durcheinander, nachtaktive Insekten verlieren die Orientierung und Zugvögel weichen von ihren Routen ab. Selbst der Mensch bleibt nicht unberührt: Künstliches Licht kann den Schlafrhythmus aus dem Gleichgewicht bringen und langfristig die Gesundheit beeinträchtigen.
Eine Bachelorarbeit voller Nachhaltigkeits-Potenzial
Tobias Trübenbacher, ein junger Designer mit eigenem Studio in München, widmete sich vor vier Jahren in seiner Bachelorarbeit der wachsenden Lichtverschmutzung. „Am Anfang steht für mich immer die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema“, erklärt Trübenbacher, der damals Produktdesign mit Schwerpunkt Social Design an der Universität der Künste in Berlin studierte. „Ich recherchiere, tausche mich mit Forschenden aus und überlege dann, wie ich einem Problem mit einem durchdachten Produkt begegnen kann.“ Seine Antwort auf die zunehmende nächtliche Helligkeit: die innovative Straßenleuchte Papilio.
Die Laterne strahlt ein warmweißes Licht aus, das für Tiere weniger störend ist als solches mit hohem Blauanteil. Ein enger Abstrahlwinkel lenkt das Licht gezielt auf den Boden anstatt in den Nachthimmel. Hinzu kommt eine bedarfsabhängige Lichtsteuerung: Dank eines Infrarotsensors schaltet sich die Lampe nur dann an, wenn tatsächlich Fußgänger oder Radfahrer vorbeikommen. „Falls aus Sicherheitsbedenken eine durchgehende Beleuchtung gewünscht ist, lässt sich die Leuchte auch nur dimmen und bei Bedarf auf volle Helligkeit hochfahren“, erklärt der 28-Jährige.
Intelligent, nachhaltig und autark: Straßenleuchte Papilio
Papilio kann aber noch weit mehr: Die gesamte benötigte Energie erzeugt die Leuchte selbst – mit einem integrierten Windgenerator. Dieser nutzt nicht nur natürlichen Wind, sondern auch die Luftströmungen vorbeifahrender Fahrzeuge, um Strom zu gewinnen. Ein Akku speichert die erzeugte Energie, sodass die Lampe auch in windstillen Phasen zuverlässig leuchtet. Da Papilio vollkommen autark arbeitet, sind keine Stromleitungen notwendig. Schließt man die Straßenleuchte dennoch ans Stromnetz an, speist sie bei starkem Wind überschüssige Energie ein.
Trübenbacher erhielt bereits viel Beachtung für Papilio. Unter anderem lobte die Jury des German Design Award, die ihn 2023 zum Newcomer of the Year kürte, seine Konstruktion: „Damit leistet er einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung lebenswerter Städte und zeigt eindrucksvoll, wie Design gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen aktiv mitgestalten kann“, lautete das Urteil.
Bis Papilio in Serie gehen kann, dauert es allerdings noch etwas. Parallel zu zwei Masterstudiengängen in Architektur und im Städtebau an der Technischen Universität in München arbeitet Trübenbacher derzeit gemeinsam mit dem italienischen Leuchtenhersteller Ewo an der finalen Umsetzung des Produkts. Ein erster Standort steht schon fest: das Internationale Viertel im dänischen Esbjerg. Im Rahmen eines Stadtentwicklungsprojekts entsteht hier ein vielfältiges Quartier mit einer durchmischten Bewohnerschaft, unterschiedlichen Wohnformen und einer nachhaltigen Architektur. Warum Papilio ideal in das Internationale Viertel und zu Esbjergs ehrgeizigem Vorhaben passt, bis 2030 klimaneutral zu werden, erklärt Christina Korsbek Olsen, Architektin, Stadtentwicklerin und Leiterin des Sekretariats in der Stadtverwaltung Esbjerg: „Papilio macht das Thema nachhaltige Energiegewinnung im Alltag der Menschen sichtbar. Die Straßenleuchte hat einen hohen kommunikativen Nutzen und sensibilisiert für einen bewussteren Umgang mit Ressourcen.“
Mehr als nur schöne Produkte
Trübenbachers Faszination für Licht und Energie zeigt sich auch in einem weiteren Prototyp, den er entworfen hat: dem Stromerzeuger Ignis, der zugleich eine Lampe ist. „Ob in Regionen ohne öffentliche Stromversorgung, nach Naturkatastrophen, in Kriegsgebieten oder an entlegenen Orten wie einer Berghütte: Wer keinen Zugang zu Strom hat, nutzt zum Kochen und Heizen Feuer“, erklärt der Designer. Genau hier setzt Ignis an: Steht die innovative Lampe beispielsweise auf einem heißen Ofen, nutzt sie die Wärme, um Strom zu erzeugen und zu speichern. Dabei kommen Peltier-Elemente zum Einsatz – spezielle Module, die Temperaturunterschiede in elektrische Energie umwandeln. Ist der Akku voll, spendet Ignis Licht oder lädt über einen USP-Port kleine elektronische Geräte auf.
Ignis offenbart, wie Trübenbacher Design begreift. Viel zu lange, so findet er, habe der Schwerpunkt darauf gelegen, ästhetisch anspruchsvolle und oft teure Produkte zu kreieren. „Designer tragen eine große Verantwortung, diese Sichtweise zu hinterfragen und Design stärker als Werkzeug für nachhaltige und sinnvolle Lösungen zu nutzen“, betont Trübenbacher. Es gehe ihm darum, zukunftsfähige Produkte zu gestalten, die soziale Gerechtigkeit fördern und die Umwelt schützen.
Energie, Möbel oder Essen – Hauptsache nachhaltig
Ein weiterer zentraler Teil von Trübenbachers Arbeit ist es, Diskussionsräume für neue Ideen und Zukunftsvisionen zu schaffen. So stellte er sich mit einem mobilen Stand in die Münchner Fußgängerzone, an dem er Passanten gebratene Mehlwürmer anbot – inklusive Einblick in deren Aufzucht. „Ich wollte, dass die Menschen über Nahrungsmittelproduktion und Essgewohnheiten nachdenken“, sagt er. Aktuell entwickelt der Designer mit dem Photovoltaik-Spezialisten Asca eine Installation in Hessen: Anlässlich der Ernennung Frankfurts zur World Design Capital 2026 wollen sie einen Radweg mit Solarpanelen ausstatten.
Ob essbare Insekten, nachhaltige Energieprojekte oder smarte Beleuchtung – sicher ist: Wer bereits im Studium so viel bewegt, wird in Zukunft noch von sich hören lassen.
Eine Übersicht aller Porträts aus der Reihe Weltenwandler finden Sie auf dieser Seite.
750 Millionen Menschen
weltweit hatten im Jahr 2023 keinen Zugang zu Elektrizität.
Quelle: Internationale Energieagentur
106,6 Milliarden Tonnen
natürliche Ressourcen nutzen wir jährlich. 1970 waren es noch 30 Milliarden Tonnen.
Quelle: Global Resources Outlook 2024
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