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Stockholm Wood City – eine Stadt aus Holz

Text von Nadja Christ
12.03.2024
Nachhaltigkeit

Die Baubranche will durch nachhaltige Innovationen dem Klimawandel entgegenwirken – und setzt dabei auf Holz. Im Herzen Schwedens entsteht gerade die größte Holzstadt der Welt. Ein Projekt, das schon vor dem ersten Spatenstich viel Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Die Schweden haben sich einem ehrgeizigen Ziel verschrieben. Sie wollen das weltweit größte urbane Holzbauprojekt realisieren: eine Stadt aus Holz. Ein Projekt, das laut Informationen des Wirtschaftsmagazins The Economist eine Investition in Höhe von rund zwölf Milliarden Schwedische Kronen (umgerechnet knapp 1,1 Milliarden Euro) erfordert.


Weitere interessante Bauprojekte aus Holz in unserer Bildergalerie am Ende des Artikels.

Stockholm Wood City wird in Sickla gebaut, einem kleinen Vorort der schwedischen Hauptstadt. Auf rund 250.000 Quadratmetern sollen 25 Wohnblöcke sowie 30 weitere Gebäude für Einzelhandel, Gastronomie oder Schulen entstehen. „Ein historischer Meilenstein für die schwedische Innovationsfähigkeit“, sagte Annica Ånäs, CEO von Atrium Ljungberg, dem Stadtentwicklungsunternehmen, das für das Bauvorhaben verantwortlich ist.

Beim Bau eines neuen Mehrfamilienhauses können pro Quadratmeter Bruttogrundfläche bis zu 40 Prozent Treibhausgase eingespart werden, wenn Holz statt Beton verwendet wird.
Prof. Annette Hafner, Leiterin Lehrstuhl für ressourceneffizientes Bauen an der Ruhr-Universität Bochum

Klimaschonend und ressourceneffizient

Nicht nur in Schweden erlebt der Baustoff Holz derzeit eine Renaissance: Auf der ganzen Welt entstehen neue Hochhäuser, Wohn- und Geschäftsimmobilien in Holzbauweise. Dafür gibt es gute Gründe, erklärt Professorin Annette Hafner, Leiterin des Lehrstuhls für ressourceneffizientes Bauen an der Ruhr-Universität Bochum: „Der Rohstoff Holz ist für den Bausektor im Sinne des Klimaschutzes aus mehreren Gründen relevant.“ Zum einen, weil es sich dabei um einen nachwachsenden Rohstoff handelt. Zum anderen, weil Holz während seiner gesamten Nutzungsdauer den einmal gespeicherten Kohlenstoff bindet.

Hinzu kommt: „Bei der Verarbeitung von Rohholz zu Bauteilen und Gebäuden fallen oftmals weniger Treibhausgas-Emissionen an als beim Einsatz konventioneller Baustoffe, zum Beispiel Stahl oder Beton.“ Hafners Rechnung fällt eindeutig aus: „Beim Bau eines neuen Mehrfamilienhauses können pro Quadratmeter Bruttogrundfläche bis zu 40 Prozent Treibhausgase eingespart werden, wenn Holz statt Beton verwendet wird.“

In Stockholm Wood City wollen die Stadtplaner und Architekten nun den Beweis antreten, dass Holzbau auch im großen Stil funktioniert – und dass er einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten kann.

Wood City verbindet Wohnen und Arbeiten

In Sickla soll der erste Holzwohnblock der neuen Stadt aus Holz schon Ende 2025 bezugsfertig sein. Der Komplex namens Brf Kulturarvet besteht aus drei Gebäuden, in denen rund 80 Mietwohnungen auf einer Gesamtfläche von 8.800 Quadratmetern verteilt sind. Bis zum Jahr 2034 sollen vier weitere Blöcke folgen. „Wir schaffen einen Wohnblock mit einem offenen, begrünten Außenbereich und einem klaren Nachhaltigkeitsprofil“, sagte Linda Wiman, Head of Business Development Residential bei Atrium Ljungberg, zum Baustart Anfang des Jahres.

Auch darüber hinaus haben die Stadtplaner Großes mit Stockholm Wood City vor: „Sickla ist ein strategisch wichtiger Knotenpunkt für Bewohner und Unternehmen in der Region“, erklärt Katarina Wåhlin Alm, Direktorin für Stadtentwicklung der Stadt Nacka, zu deren Region Sickla gehört. Kein Wunder, schließlich befindet sich das Stadtzentrum der schwedischen Hauptstadt nur knapp sechs Kilometer entfernt. Wie bei vielen Vororten von Metropolen ist auch für Sickla diese Nähe Fluch und Segen zugleich: Die langen Pendelzeiten auf überlasteten Straßen und in überfüllten Bussen oder Bahnen schrecken viele potenzielle Bewohner und Betriebe ab. Es gibt schlichtweg zu wenig Platz – zum Wohnen und zum Arbeiten. Für Atrium-Ljungberg-CEO Annica Ånäs ist klar: „Die Bürger wollen innovative, nachhaltige Lösungen – eine Nachfrage, die wir mit dem neuen Projekt erfüllen.“

Mit 7.000 neuen Arbeitsplätzen und insgesamt 2.000 Wohnungen soll Stockholm Wood City nicht nur genug Platz für Arbeitnehmer und Bewohner bieten. Die Stadtentwickler wollen auch das Konzept einer Fünf-Minuten-Stadt umsetzen: Das eigene Zuhause, der Arbeitsplatz, Schwedens drittgrößtes Einkaufszentrum mit mehr als 180 Geschäften und Restaurants, Hotels, Schulen, Kindergärten, Arztpraxen und Kultureinrichtungen – all diese Orte sollen innerhalb von fünf Minuten erreichbar sein. Die lästige und zeitaufwändige Pendelei in den Vorort hat dadurch ein Ende – Zeit, die nun zum Beispiel für Familie und Hobbys zur Verfügung steht.

Stockholm Wood City leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Region Nacka Wachstum und Nachhaltigkeit miteinander vereinbaren kann.
Wåhlin Alm, Direktorin für Stadtentwicklung der Stadt Nacka

Grünes Stadtkonzept

Zur besseren Lebensqualität trägt auch die grüne Gestaltung des neuen Stadtviertels bei: Terrassen, begrünte öffentliche Plätze sowie Urban-Gardening-Beete sind feste Bestandteile des neuen Stadtbildes. 2030 soll eine neue U-Bahn in Betrieb gehen, die Stockholm Wood City und die Hauptstadt miteinander verbindet. Außerdem setzen die Stadtentwickler auf eine klimafreundliche Energieversorgung über Photovoltaikanlagen. „Stockholm Wood City leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Region Nacka Wachstum und Nachhaltigkeit miteinander vereinbaren kann“, fasst Stadtentwicklungsexpertin Wåhlin Alm zusammen.

Sollte sich der Holzbautrend auch über solche Pilotprojekte hinaus als neuer Standard durchsetzen, entstünden dadurch allerdings neue Herausforderungen. So stellt sich zum Beispiel die Frage: Kann ein wachsender Holzbedarf in der Bauindustrie aus nachhaltigen Quellen gedeckt werden? Eine steigende Nachfrage nach bestimmten, für den Holzbau geeigneten Holzsorten könnte im schlechtesten Fall zu verstärkter Abholzung und zum Anbau von Monokulturen in der Forstwirtschaft führen. Professorin Hafner kann Skeptiker beruhigen, zumindest, was Deutschland betrifft: „Die Vorräte der in die Ernte kommenden Bäume reicht nach Hochrechnungen der Bundeswaldinventur sicher bis zum Jahr 2045.“ Klar ist jedoch: Wirklich nachhaltig ist der Holzbau nur, wenn er in nachhaltige Produktionskonzepte eingebunden wird.

Weitere interessante Bauprojekte aus Holz: 

Das Ascent MKE ist mit 87 Metern und 25 Stockwerken das höchste Holzbauwerk der Welt. Das Hochhaus, das Wohnungen im Luxuspreissegment anbietet, steht in Milwaukee, Wisconsin.

Bis 2022 galt das 85,4 Meter hohe Holzhochhaus Mjøstårnet in Brumunddal, Norwegen, als höchstes Holzgebäude der Welt. In den 18 Stockwerken befinden sich Wohnungen, Büros, ein Hotel und Restaurant sowie ein öffentliches Bad.

Das geplante Hochhaus Woho in Berlin könnte mit knapp 100 Metern den Holzbau-Höhenrekord bald brechen. Neben Wohnungen finden Einzelhandel und Gastronomie, ein Wellness-Bereich und eine Bar Platz. Auf Te:nor haben wir bereits über das Projekt berichtet.

Aktueller Holzbau-Rekordhalter hierzulande ist das Hamburger Holzhaus Roots mit 65 Metern Höhe. Darin befinden sich Eigentumswohnungen im Luxuspreissegment.

Das Woodie in Hamburg, ein Studierendenwohnheim aus Holz, wurde schon im Jahr 2019 mit dem Deutschen Holzbaupreis ausgezeichnet.

150 Kinder spielen und lernen seit 2021 in der hölzernen Kindertagesstätte Hopealaakso im finnischen Kruunuvuorenranta.

Die Holzbauexperten von White Arkitektar, die Stockholm Wood City planen, haben auch das Sara Cultural Centre in Skellefteå, Schweden, gebaut.

Seit 2019 ist Fælledby im Bau, ein Wohnviertel aus Holz in Kopenhagen, Dänemark. Auf einem ehemaligen Deponiegelände soll ein naturnahes Stadtviertel entstehen.

Der Plyscraper W350 soll einmal alle Holzbauten der Welt übertreffen. Bis zum Jahr 2041 soll der Gebäudekomplex in Tokio fertiggestellt sein und 350 Meter hoch werden. Neben Büros und Geschäften sind auf 70 Etagen und 450.000 Quadratmetern Fläche auch Wohnungen und Hotels geplant.

Bereits im kommenden Jahr soll der neue Firmensitz des Unternehmens Atlassian in Sydney fertiggestellt werden und rund 180 Meter messen. Ein Exoskelett aus Stahl und Beton windet sich um den Holzbau-Kern des Gebäudes.

40 Prozent
weniger CO2 verursacht der Holzbau im Vergleich zum Bau mit mineralischen Baustoffen.
Quelle: Studie der TU Berlin

37 Prozent
der weltweiten CO2-Emissionen werden von Gebäuden und deren Bau verursacht.
Quelle: Global Status Report for Buildings and Construction 2022 des UN Environment Programme

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