Aus der Luft gegriffen: fünf vielversprechende CO₂-Speicher-Projekte
Um den Klimawandel zu bremsen, arbeiten Forscher an Technologien, die CO₂ nicht nur vermeiden, sondern auch aktiv aus der Luft entfernen. Te:nor stellt fünf vielversprechende Projekte zur CO₂-Speicherung vor: von Mikroorganismen und Algenschleim über Bioplastik bis hin zu Batterien und Polymerstrukturen.
Industrie, Verkehr, Landwirtschaft – selbst bei größten Bemühungen werden viele Bereiche weiterhin große Mengen CO₂ ausstoßen. Um die Klimaziele zu erfüllen, reicht es also nicht aus, Emissionen zu senken. CO2 muss auch aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden – und zwar in großem Stil. Bis 2050 müssen laut dem Bericht The State of Carbon Dioxide Removal weltweit etwa sieben bis neun Gigatonnen Kohlendioxid jährlich gebunden werden.
Derzeit sorgen vor allem Wälder dafür, dass CO₂ gespeichert wird: Die neuen und wiederaufgeforsteten Flächen binden rund 99 Prozent der insgesamt 2,2 Milliarden Tonnen Emissionen, die pro Jahr aus der Luft absorbiert werden. Neue technologische Verfahren spielen dagegen mit gerade einmal 0,1 Prozent eine sehr geringe Rolle. Der Grund: Hohe Investitions- und Betriebskosten sowie technische Einschränkungen machen sie vor allem zu Beginn kaum in großem Maßstab einsatztauglich. Wissenschaftler suchen daher sowohl in der Natur als auch im Labor nach effektiven und kostengünstigen Alternativen, um CO₂ langfristig aus der Atmosphäre zu holen. Te:nor stellt fünf Projekte vor:
1. Angepasste Bakterien binden mehr CO2
Seit Milliarden Jahren wandeln Cyanobakterien CO₂ und Wasser in Sauerstoff und Energie um – und passen sich immer wieder an extreme Bedingungen wie steigende Temperaturen und hohe CO₂-Konzentrationen an. Ein Team der Universität Palermo und des Projekts Two Frontiers hat sich auf die Suche nach diesen photosynthetischen Mikroorganismen gemacht. Und tatsächlich: Vor der sizilianischen Vulkaninsel Vulcano entdeckten sie das bisher unbekannte Chonkus-Cyanobakterium. „Dieser natürlich vorkommende Stamm von Cyanobakterien hat mehrere Eigenschaften, die für Menschen nützlich sein könnten“, erklärte Mikrobiologe und Entdecker des Cyanobakteriums Max Schubert gegenüber dem Wyss Institute der Harvard University. Es bindet zum Beispiel besonders effizient CO₂ und wandelt es in Biomasse um. Laborversuche zeigen, dass sich Chonkus dank seiner zähflüssigen Konsistenz leicht ernten lässt und in hoher Dichte gezüchtet werden kann. Dennoch stehen die Wissenschaftler vor Herausforderungen: Chonkus benötigt warme vulkanische Bedingungen, die erst künstlich mit hohem Energiebedarf erzeugt werden müssen. Und es bindet CO₂ nicht direkt in der Luft, sondern nur im Wasser. Trotzdem gilt die Entdeckung als vielversprechender Schritt, Mikroorganismen als aktive CO₂-Senker zu nutzen.
2. Braunalgenschleim als CO2-Speicher
Braunalgen gehören zu den effektivsten CO₂-Speichern der Erde. Sie nehmen Kohlendioxid schneller auf als Bäume. Ein Großteil wird allerdings nicht dauerhaft in ihrer Biomasse gespeichert, sondern als Schleim ausgeschieden. Forscher des Max-Planck-Instituts und des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (MARUM) ist es nun gelungen, diese Struktur erstmals zu analysieren. Ihre Entdeckung: Die Braunalge Fucoidan ist besonders interessant, weil sie sehr stabil ist. „Sie hilft, Kohlendioxid langfristig – für Hunderte bis Tausende von Jahren – aus der Atmosphäre zu entfernen“, erklärt Jan-Hendrik Hehemann, Mikrobiologe am MARUM.
3. Mikroorganismen – Fabrik für Bioplastik
Mikroorganismen können dabei helfen, CO₂ in Produkte wie Bioplastik umzuwandeln. So kann es wieder in den natürlichen Kreislauf eingebunden werden. Daran arbeitet zum Beispiel ein Team um Biotechnologin Regina Kratzer an der Technischen Universität Graz. Allerdings: „CO₂ ist ein sehr stabiles Molekül, das viel Energie benötigt, um es umzuwandeln“, erklärt Kratzer. Die Energie beziehen die gezüchteten Bakterien aus Knallgas, einer Mischung aus Wasserstoff und Sauerstoff – was die Laborarbeit wegen Explosionsgefahr besonders anspruchsvoll macht. Dennoch will das Team den Prozess aus dem Labor in industriellen Maßstab überführen. Statt teure Bioreaktoren zu nutzen, bauten die Forscher eigene Geräte und produzieren bereits bis zu 40 Gramm Bioplastik pro Liter Nährlösung – perspektivisch sollen es mehr als 100 Gramm werden. Neben Bioplastik könnten die Mikroorganismen auch Proteine für Futtermittel oder Biokraftstoffe erzeugen. Der Vorteil: Das CO₂ wird dauerhaft in diesen Produkten gebunden und somit wieder in den Kohlestoffkreislauf eingebunden.
4. Strom und CO₂ in Batterien speichern
Eine weitere Form der CO2-Bindung bieten Lithium-CO₂-Batterien – eine spezielle Art wiederaufladbarer Batterien, die CO₂ aus der Luft nutzen, um Strom zu erzeugen. Das Prinzip: Lithium reagiert mit Kohlendioxid zu festem Lithiumkarbonat – dabei wird elektrische Energie freigesetzt. Beim Wiederaufladen zerfällt die Verbindung, CO₂ wird hochkonzentriert freigesetzt und lässt sich so leichter weiterverarbeiten – anders als das in der Luft verteilte Gas. Bisher scheiterten Lithium-CO₂-Batterien vor allem an ihrer geringen Stabilität und daran, dass sie teure Edelmetalle benötigten. Forscher der britischen University of Surrey haben nun einen Durchbruch erzielt: Sie nutzen die chemische Verbindung Cäsium-Phosphomolybdat (CPM) für den neuartigen Katalysator, der dadurch günstiger, langlebiger und effizienter ist. „Lithium-CO₂-Batterien zeigen, dass sich Energiespeicherung und CO₂-Nutzung kombinieren lassen – und damit nicht nur klimaneutrale, sondern potenziell sogar klimapositive Technologien entstehen können“, erklärt Forschungsleiter Siddharth Gadkari. Sie könnten nicht nur E-Autos und Industrieanlagen klimafreundlicher machen, sondern theoretisch sogar auf dem Mars laufen, wo viel CO2 verfügbar ist.
5. Gelbes Pulver als CO₂-Magnet
Die Forscher der University of California in Berkeley setzen auf ein gelbes Pulver namens COF-999E, um CO2 zu binden. Dabei handelt es sich um ein poröses, kristallines Polymer, Fachleute sprechen von einem kovalenten organischen Gerüst (Covalent Organic Framework). In seinen regelmäßig angeordneten Poren sitzen Aminogruppen, die das Klimagas an sich binden. Der Clou: Das Material funktioniert auch unter realen Bedingungen. Wasser oder andere Verunreinigungen beeinträchtigen die CO₂-Abscheidung nicht. Dies ist beispielsweise bei bereits eingesetzten Direct-Air-Capture-Technologien oft der Fall. Das Material lässt sich in bestehende CO₂-Abscheidungssysteme integrieren. 200 Gramm COF-999E können etwa 20 Kilogramm CO₂ aus der Umgebungsluft entfernen – so viel wie ein Baum pro Jahr. Forschungsleiter Omar Yaghi betont: „In Sachen Leistung gibt es bislang nichts Vergleichbares.“ Noch steckt die Entwicklung des Pulvers in der Laborphase, hat aber Potenzial, die Auswahl an Materialien für Direct-Air-Capture-Verfahren künftig zu erweitern.
43,1 Milliarden
Tonnen CO2-Emissonen werden bis zum Jahr 2050 weltweit ausgestoßen.
Quelle: Global Carbon Project
52,5 Millionen
Tonnen CO2 haben deutsche Wälder im Jahr 2021 absorbiert.
Quelle: Statistisches Bundesamt

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