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Globale Klimaanlage+

Text von Lilian Schmitt
18.07.2023
Nachhaltigkeit

Einfach CO2-Emissionen mit einem Sauger aus der Luft herausfiltern - Unternehmer und Forscher wollen so den Klimawandel aufhalten.

Kohlendioxid treibt den Klimawandel voran. Dennoch wurden 2022 weltweit rund 40 Gigatonnen davon produziert. Wäre es denn nicht einfach möglich, das CO2 aus der Luft zu saugen? Diese Frage haben sich weltweit einige Forscher und Unternehmer gestellt – mit Erfolg.

Die Lösung steht in Island

„Orca“ zum Beispiel sieht aus wie eine überdimensionale Klimaanlage. Sie steht im Nirvana von Island, knapp 30 Autominuten östlich von Reykjavik. Dort befindet sich eine Lagerhalle, die von acht überdimensionierten Saugern umringt ist. Weit und breit nur Wiese, dahinter beginnt das Hochland. Diese Anlage, im Fachjargon Direct Air Capture (DAC) genannt, könnte das globale Klima retten.

Entwickelt wurde sie vom Schweizer Unternehmen Climeworks. Die beiden Gründer Christoph Gebald und Jan Wurzbacher lernten sich im Maschinenbau-Studium an der ETH Zürich kennen. Dort beschäftigten sie sich mit der Frage, wie sich Kohlendioxid chemisch und physikalisch aus der Luft entfernen lässt – das DAC-Verfahren war geboren. Dabei wird CO2 aus der Umgebungsluft gefiltert und in Form von Gestein unter der Erdoberfläche eingelagert. 2020, elf Jahre nach der Unternehmensgründung, errichtete Climeworks seine bisher größte Anlage: Orca. Deren Hightech-Ventilatoren und -Filter scheiden jährlich 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft. Den gefilterten Kohlenstoff vermischt die Anlage mit Wasser. Climeworks isländischer Partner, die Firma Carbfix, pumpt das Gemisch anschließend in die Erde, woraus mit der Zeit Gestein wird. Dieses Verfahren nennt sich Carbon Capture and Storage (CCS) – und ist in Deutschland aktuell verboten. Noch 2023 will die Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg bringen, das ein unterirdisches Kohlenstoff-Depot auch hierzulande erlaubt.

Einsatzmöglichkeiten gesucht

Doch CO2-Sauger wie Orca können nur einen kleinen Teil dazu beitragen, Kohlendioxid einzufangen. Zudem sollte die Technologie Unternehmen auf keinen Fall dazu verleiten, dass sie in ihren Anstrengungen nachlassen, CO2 Emissionen zu vermeiden. Deswegen forschen einige Wissenschaftler an Alternativen, so auch ein Team am Karlsruher Institut für Technologie (KIT): Dort wird nicht nur das Gas aus der Umgebungsluft gefiltert. Die Mitarbeitenden gehen noch einen Schritt weiter und bereiten den gefilterten Kohlenstoff in ihrer Forschungsanlage „NECOC“ auf. „Die Idee von NECOC ist, das aus der Luft abgetrennte, schädliche CO2 in ein Wertprodukt umzuwandeln, das dann industriell in nachhaltiger Weise nutzbar ist“, sagt Benjamin Dietrich, Geschäftsführer des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik beim KIT. Dazu muss man wissen: „Derzeit wird industriell genutzter Kohlenstoff meist aus fossilen Quellen gewonnen. NECOC bildet dazu eine Alternative“, erklärt Dietrich.

Für die Aufbereitung gibt das KIT-Team in einem speziellen Verfahren dem gefilterten Kohlendioxid Wasserstoff hinzu, sodass in einer chemischen Reaktion Methan entsteht. Daraus kann NECOC Kohlenstoff in Pulverform, sogenanntes Carbon Black, gewinnen. Diesen wiederum können verschiedene Industrien verwenden, zum Beispiel könnten Baumaterialien hergestellt werden. Und Autoreifen-Hersteller könnten das gefilterte Carbon Black als Recycling-Produkt einsetzen, anstatt neuen Kohlenstoff zu verwenden.

Das DAC-Verfahren, wie es bei den Climeworks-Saugern eingesetzt wird, ist als CO2-Quelle für Dietrich nur dann sinnvoll, wenn der Strom aus regenerativen Quellen kommt. Kein Wunder, schließlich ist der Filterprozess sehr energieintensiv: Um eine Tonne Kohlendioxid aus der Luft zu filtern, sind Tausend Kilowattstunden Strom nötig. Deren Herstellung würden beim aktuellen Energiemix in Deutschland etwa 430 Kilogramm des Treibhausgases verursachen. Dietrich schlägt daher vor, die CO2-Sauger direkt in der Nähe von PV-Feldern zu bauen, sodass im Idealfall 100 Prozent grüner Strom zur Verfügung steht.

Diesem Ziel folgt auch Climeworks und hat deshalb Island als Standort für seine erste große Anlage gewählt: Carbfix, das Partnerunternehmen, das für die Kohlenstoffspeicherung zuständig ist, nutzt ausschließlich grüne Energiequellen. So kann Orca komplett mit Strom aus einem geothermischen Kraftwerk aus der Nähe betrieben werden – ganz ohne Emissionen.

Derweil haben die Schweizer jedoch mit anderen Problemen zu kämpfen: Das arktische Klima sorgt regelmäßig dafür, dass Teile der Orca-Maschinerie über die Wintermonate einfrieren. Climeworks musste deshalb die Anlage schon nachjustieren. Das hält das Unternehmen nicht davon ab, einen noch größeren Sauger in Island zu bauen: „Mammoth“ soll ab 2024 laut Angaben des Schweizer Unternehmens jährlich 36.000 Tonnen CO2 aufnehmen können.

Eine Auswahl an CO2-Sauger-Varianten, die weltweit in der Planung beziehungsweise im Einsatz sind, zeigt die Te:nor-Bildergalerie:

CO2-saugendes Auto – TU/ecomotive

Das Team TU/ecomotive der Technischen Universität Eindhoven hat ein Elektroauto entwickelt, das auch Kohlendioxid aufnimmt. Der Prototyp, Zem genannt, speichert das CO2 aus der Umgebungsluft, sodass Industrien daraus Kohlenstofffasern produzieren können.

© Bart van Overbeeke
Foto: Bart van Overbeeke

Kohlenstoffarmer Beton - CarbonBuilt

Das kalifornische Start-up CarbonBuilt ersetzt den Großteil des Zements im Beton durch eine eigene Mischung aus kohlenstoffarmem Material. Durch ein spezielles Verfahren härten CO₂-Emissionen aus Abfall den Beton aus und produzieren so weniger Treibhausgase.

© Courtesy of CarbonBuilt
Foto: Courtesy of CarbonBuilt

Schwarzes Pulver - NECOC

Die NECOC Anlage des KIT verarbeitet das gefilterte CO2 zu Pulver – sogenanntes Carbon Black. Aktuell arbeiten Dietrich und sein Team daran, weitere Kohlenstoffe, wie etwa Grafit, zu produzieren.

© www.kit.edu
Foto: www.kit.edu

746 Millionen Tonnen
CO2 hat Deutschland 2022 ausgestoßen.
Quelle: Umweltbundesamt

1,5 Grad
könnte die Welt schon 2026 wärmer sein.
Quelle: Weltwetterorganisation (WMO)

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