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Tretkraft trifft auf Tragkraft

Text von Nadja Christ
22.09.2025
Nachhaltigkeit
Ein Cargobike und weitere Fahrräder stehen am Straßenrad in einer Großstadt | © Marek Lumi, Unsplash

Foto: Marek Lumi, Unsplash

Lastenräder erobern die Städte: In Köln zeigt das Unternehmen Lamica, wie nachhaltige Logistik auf der letzten Meile funktioniert und warum Cargobikes längst mehr sind als ein urbaner Trend.

Bis 2030 könnte der zunehmende Einsatz von Lieferfahrzeugen die durchschnittliche Pendelzeit in Städten um bis zu fünf Minuten verlängern und 13 Prozent der urbanen CO2-Emissionen verursachen. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Weltwirtschaftsforums hervor. Besonders auf der letzten Meile, dem Weg zwischen Warenlager und Haustür, sind Lastenräder eine emissionsfreie, leise und platzsparende Alternative. Mehr als eine Million Exemplare sind laut Branchenportal Cargobike.jetzt mittlerweile auf deutschen Straßen unterwegs. Zumeist sind sie privat im Einsatz und transportieren den Nachwuchs oder den Wocheneinkauf. Doch auch immer mehr Logistikunternehmen entdecken die kleinen Vehikel und leisten so einen wichtigen Beitrag für zukunftsfähige und lebenswerte Städte.

Blumengruß per Lastenrad 

Vormittags in Köln. Mehrere Lastenräder stehen vor der Zentrale des Start-ups Lamica bereit, die Körbe gefüllt mit Blumensträußen, Medikamenten und frischem Obst. Die Fahrerinnen und Fahrer machen sich auf den Weg und bringen die Waren quer durch die Stadt an die jeweilige Lieferadresse. Lamica, abgeleitet von Last Mile Cargo, ersetzt so Lieferwagen, die sich sonst zusätzlich durch die engen Straßen drängeln und für noch mehr Lärm sowie Abgase sorgen würden. „In der Innenstadt sind wir mit dem Lastenrad oft schneller als jedes Auto“, sagt Stefan Schneider, Gründer und Geschäftsführer des Kölner Unternehmens. 

Die letzte Meile gehört dem Rad – und Lastenräder sind das ideale Werkzeug dafür.
Stefan Schneider, Gründer und Geschäftsführer Lamica

Die Idee für Lamica entstand mitten in der Coronapandemie. Schneider und seine drei Mitgründer wollten dem lokalen Einzelhandel dabei helfen, trotz Lockdown weiterhin ihre Kundschaft zu erreichen. „Wir kamen alle aus der Fahrradbranche. Für uns war daher schnell klar: Die letzte Meile gehört dem Rad – und Lastenräder sind das ideale Werkzeug dafür.“ Nach dem ersten, pandemiegetriebenen Boom hat sich Lamica heute als Partner für nachhaltige Logistik im Kölner Stadtgebiet etabliert. Wer etwa Blumen beim Blumengarten Köln, Medikamente bei der Apotheke am Neumarkt oder Büroartikel bei der Memo AG bestellt, bekommt die Ware per Lastenrad geliefert – klimafreundlich, lokal und oft sogar noch am selben Tag.

Lastenrad, das unterschätzte Gefährt

Doch nicht immer stößt das alternative Transportkonzept sofort auf Verständnis. Gerade zu Beginn mussten viele potenzielle Auftraggeber erst einmal davon überzeugt werden, was Lastenräder tatsächlich leisten können, erinnert sich Schneider: „Viele denken beim Lastenrad an das kleine Familienrad mit Kindersitz. Aber in unsere Modelle passt auch mal eine ganze Europalette.“ Bis zu 300 Kilogramm können sie transportieren. Die fünf Lamica-Fahrerinnen und -Fahrer sind mit drei verschiedenen Lastenrad-Modellen im Raum Köln unterwegs: robuste, flexible Dreiräder, vierrädrige Räder für maximale Stabilität bei schweren Frachten sowie leichte Zweiräder, die sich zum Beispiel ideal für eilige Apothekenlieferungen eignen.

Vive le Cargobike

Eine weitere Variante bringt das französische Start-up Gambade Cycles auf die Straße. Das 2023 gegründete Unternehmen aus Avignon hat ein Fahrrad entwickelt, das Verbraucherinnen und Verbraucher innerhalb von 45 Sekunden in ein Lastenrad umbauen können, so das Versprechen. Damit kann sich das Vehikel verschiedenen Transportbedürfnissen anpassen – etwa der Lieferung größerer Pakete, Lebensmitteltransporten oder sogar kleineren Handwerksaufträgen. „Mit dem umbaubaren Fahrrad Gambade wollen wir das Lastenfahrrad vielseitiger, kompakter und zugänglicher machen, damit es für möglichst viele Menschen zu einer echten Alternative zum Auto wird“, erklärt Gründer Timothee Gamonet dem französischen Magazin „Velo Cargo“. Seine Vision: Mit dem flexiblen Fahrrad will er die Mobilitätswende auch außerhalb der Großstadt vorantreiben.

Mit dem Lastenrad auf der Überholspur

Kein Stau, kein Stress bei der Parkplatzsuche, keine Emissionen – dafür effizientere Routen und geringerer Flächenbedarf: Gerade in dichten Innenstädten sind Lastenräder oft das schnellere und unkompliziertere Verkehrsmittel. Vor allem, weil viele Stadtfahrten kürzer sind als zehn Kilometer, berichtet Gina Lacroix vom Branchenportal Cargobike.jetzt, das den Einsatz von Lastenrädern deutschlandweit analysiert. Lacroix ist überzeugt: „Mehr als die Hälfte der Touren könnten wir problemlos aufs Lastenrad verlagern – egal, ob es um die Lieferung eines Pakets oder den privaten Wocheneinkauf geht.“ 

Das Lastenrad ist kein Allheilmittel, aber ein starker Baustein für lebenswertere, klimafreundlichere Städte – und für ein Stück neue Freiheit im Alltag.
Gina Lacroix, Geschäftsführung Cargobike.jetzt

Vom kompakten Zwei- oder Dreirad bis zum vierrädrigen Schwerlasttransporter mit Elektroantrieb: Lastenräder sind inzwischen so vielfältig wie die Anforderungen an sie. Auch Te:nor hat über diese Entwicklung bereits berichtet – etwa über Onomotion, die spannende Kreuzung aus Fahrrad und Transporter. Und wer kein eigenes Lastenrad kaufen möchte, findet in mehr als 270 deutschen Städten Sharing-Angebote oder kann auf Testprojekte zurückgreifen, wie sie Cargobike.jetzt in München und Heilbronn anbietet.

Herausforderungen und neue (Rad-)Wege

Die wachsende Zahl der Lastenräder bringt vor allem für die Infrastruktur neue Herausforderungen mit sich. „In Köln haben wir inzwischen vielerorts breite Radwege, sodass wir sicher und zügig unterwegs sind“, berichtet Schneider. Dies trifft aber längst nicht auf alle Städte zu. „In vielen Orten fehlen zudem sichere Abstellmöglichkeiten“, ergänzt der Lamica-Gründer. Auch die Frage, ob Lastenräder auf dem Radweg oder der Straße fahren müssen, sorgt regelmäßig für Diskussionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden. Dabei ist die rechtliche Lage klar: Das Lastenrad gehört auf den Radweg, sofern er vorhanden, breit und sicher genug ist. 

Lacroix ist jedenfalls davon überzeugt, dass Lastenräder künftig die Stadtbilder prägen werden. Dafür sorgen nicht zuletzt auch Förderprogramme wie die Bundesförderung von E-Lastenrädern für Gewerbetreibende. „Das Lastenrad ist kein Allheilmittel, aber ein starker Baustein für lebenswertere, klimafreundlichere Städte – und für ein Stück neue Freiheit im Alltag“, sagt die Branchenexpertin.

6,7 Millionen Pakete
liefert allein die DHL Group durchschnittlich pro Tag in Deutschland aus. 
Quelle: Deutsche Post AG

220.500 Lastenräder
wurden 2024 in Deutschland verkauft.
Quelle: Cargobike.jetzt

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