Mit Seife gegen Hautkrebs
Der gebürtige Äthiopier Heman Bekele hat eine Seife entwickelt, die Hautkrebs bekämpfen kann. Sie soll die Behandlung kostengünstig und für möglichst viele Menschen zugänglich machen. Für seine Erfindung hat der 15-Jährige bereits mehrere Auszeichnungen erhalten.
Schon als kleiner Junge beobachtet Heman Bekele in seiner Heimat Addis Abeba, wie viele Menschen auf den Feldern und Äckern arbeiteten – in der prallen Sonne, meist ohne schützende Kleidung oder Sonnencreme. Als er vier Jahre alt ist, zieht seine Familie zwar in die USA, aber vergessen hat Bekele die Erinnerung an die Feldarbeiter in Äthiopien nie. „Erst später wurde mir bewusst, welcher Gefahr sich die Menschen in Afrika durch die Sonne und ihre ultravioletten Strahlen aussetzen”, erzählt Bekele in einem Interview mit dem TIME Magazine.
Er begann, zum Thema Hautkrebs zu recherchieren und merkte schnell, wie teuer eine Behandlung ohne funktionierendes Gesundheitssystem und ohne Krankenversicherung ist. „Die Krankheit ist in den meisten Fällen heilbar, aber die durchschnittlichen Behandlungskosten liegen bei fast 40.000 US-Dollar“, erinnert sich Bekele an die Entdeckung. 40.000 US-Dollar sind nicht nur in Äthiopien sehr viel Geld.
Heller Hautkrebs: Rasant steigende Erkrankungszahlen
Mit schätzungsweise mehr als 1,2 Millionen Neuerkrankungen pro Jahr ist der helle Hautkrebs die weltweit am häufigsten diagnostizierte Krebsart. Damit ist die umgangssprachlich „weißer Hautkrebs“ genannte Krebsart eine der wenigen, bei denen die Zahl der Fälle jedes Jahr zu- statt abnimmt. Ausgelöst wird heller Hautkrebs durch UV-Strahlung. Neben der Intensität des Sonnenlichts spielt auch der Hauttyp und damit die Empfindlichkeit gegenüber der schädlichen Strahlung eine Rolle, sodass vor allem hellhäutige Menschen betroffen sind.
Studien zeigen jedoch, dass der Krebs auf stärker pigmentierter Haut seltener erkannt und behandelt wird und daher häufiger zum Tod führt. Das liegt nicht nur daran, dass Hautveränderungen nicht so leicht zu erkennen sind, sondern auch daran, dass ein Großteil der Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern keinen ausreichenden Zugang zu ärztlicher Versorgung haben.
Die Behandlung erfolgt in der Regel durch das Herausschneiden der betroffenen Hautpartie. Auch Bestrahlung oder das Auftragen von Cremes mit Wirkstoffen wie Imiquimod, Diclofenac oder 5-Fluorouracil sind gängige Therapien bei Krebsvorstufen. Während in Ländern wie Deutschland diese Therapie von Krankenkassen übernommen wird, können sich Menschen in Ländern ohne derartige Absicherung die Behandlung kaum leisten.
Forschung im Kinderzimmer
In seinem Kinderzimmer forschte Bekele daher an einer Lösung, die mehr Menschen zugänglich ist. Seine Idee: den Wirkstoff Imiquimod, der in Cremes zur Behandlung von Krebs eingesetzt wird, über Seife zugänglich machen, da jeder Seife zum Waschen benutzt. So wird das Medikament auf die Haut übertragen und aktiviert das Immunsystem, das dann die Krebszellen bekämpft.
Was so einfach klingt, erwies sich als weitaus komplizierter als gedacht. Es war nicht möglich, das Medikament einfach in ein herkömmliches Stück Seife zu mischen. Denn wie die Seife würde auch der Wirkstoff mit dem Wasser einfach von der Haut abgespült werden. Mehrere Monate experimentierte Bekele deshalb mit Inhaltsstoffen, mischte Emulgatoren, Basen und andere Chemikalien zusammen.
So fand er die Lösung, die dafür sorgt, dass der Wirkstoff nach dem Waschen auf der Haut bleibt: Nanopartikel auf Lipidbasis – winzige Teilchen, die unter anderem aus Fetten bestehen und sich mit der Seife verbinden. Lipid-Nanopartikel werden bereits in anderen Arzneimitteln wie den mRNA-Corona-Impfstoffen eingesetzt, um Medikamente gezielt im Körper zu transportieren und ihre Wirksamkeit zu erhöhen. „Es war sehr schwierig, ein Stück Seife zu entwickeln, das nicht sofort schmilzt“, erzählt er im Interview mit dem TIME Magazine. Dank seiner Beharrlichkeit schaffte er es schließlich doch, ein stabiles Stück Seife herzustellen.
Obwohl sie handelsüblichen Seifen ähnelt, gibt es einige Unterschiede: Sie ist dunkelweiß, rau wie ein Peeling und hat einen stark medizinischen Geruch. Aufgrund der Lipid-Nanopartikel fühlt sie sich beim Auftragen leicht klebrig an. Mit Herstellungskosten von nur 0,50 Dollar ist sie aber wesentlich günstiger als vergleichbare krebsheilende Produkte. Auch die Verpackung ist durchdacht: Sie ist biologisch abbaubar, da die betroffenen Bevölkerungsgruppen meist keine Möglichkeit zum Recycling haben.
Medizinische Ungleichheit verringern
2023 reichte der Zehntklässler seine Seife beim Young Scientist Wettbewerb des Multi-Technologiekonzerns 3M ein, der jedes Jahr innovative Ideen auszeichnet und fördert. Bekele setzte sich gegen seine Konkurrenten durch und wurde als „America's Top Young Scientist“ ausgezeichnet. Mit dem Preisgeld von 25.000 Dollar will er seine Forschung und Ausbildung finanzieren. Kurz darauf kürte ihn das TIME Magazine zum „Kid of the Year 2024“.
Die Auszeichnungen helfen Bekele dabei, wichtige Kontakte in der Forschung zu knüpfen. Gemeinsam mit dem Molekularbiologen Vito Rebecca etwa testete er im Sommer 2024 sein Produkt an Mäusen und meldete sein erstes US-Patent an. Der nächste Schritt ist die Zertifizierung durch die U.S. Food and Drug Administration, bevor die Seife an Menschen getestet werden kann. Bis 2028 will Bekele eine gemeinnützige Organisation gründen, um Menschen, die sonst keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, eine Behandlung zu ermöglichen. „Der Gedanke, dass mein Stück Seife eines Tages einen direkten Einfluss auf das Leben eines anderen Menschen haben wird, ist einfach unglaublich.”
Internationale Anerkennung
Die Auszeichnungen haben Bekele internationale Aufmerksamkeit eingebracht. Auch in Deutschland kennen einige Fachärzte seine Erfindung bereits. Einer von ihnen ist Carsten Weishaupt, Oberarzt am Hauttumorzentrum des Universitätsklinikums Münster. „Es ist beeindruckend, was dieser intelligente, junge Mensch schon erreicht hat“, sagt er. Ob die Seife funktioniert und welchen Nutzen sie hat, sei ohne veröffentlichte Forschungsergebnisse aus der Ferne allerdings schwer zu beurteilen.
Herausforderungen sieht Weishaupt unter anderem in der Anwendung und Dosierung des Wirkstoffs: „Die übliche Dosierung in bereits zugelassenen Cremes führt häufig zu starken Entzündungen. Kommt das Medikament durch die neue Seifenform in Kontakt mit Schleimhäuten, kann das sehr unangenehm sein.“ Eine Möglichkeit wäre natürlich, die Dosierung in der Seife herunterzusetzen, um diese Nebenwirkungen zu mindern. Dann wäre aber auch die Wirkung geringer: „In diesem Fall ist unklar, ob die Seife die Entwicklung von Hautkrebs aus den Vorstufen verhindern kann.“
Die effektivste Lösung, um die steigende Zahl der Neuerkrankungen bei hellem Hautkrebs einzudämmen, sieht Weishaupt daher immer noch in Prävention und Aufklärung: „Menschen, die sich viel im Freien aufhalten, sollten grundsätzlich schützende Kleidung tragen und Sonnencreme verwenden – das ist die wirksamste Methode, um Hautkrebs vorzubeugen.“
Eine Übersicht aller Porträts aus der Reihe Weltenwandler finden Sie hier auf dieser Webseite.
11 Prozent
höher könnte die Hautkrebsinzidenz bis 2050 aufgrund der durch den Klimawandel steigenden Intensität der Sonnenstrahlung wachsen.
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e. V.
7,3 Millionen Menschen
in Europa haben Hautkrebs.
Quelle: Europäische Akademie für Dermatologie und Venerologie
Unser Nachhaltigkeitsnewsletter Be.Wirken
Ein Dach über dem Kopf und ausreichend Essen – das allein genügt nicht, um Kinder aus Krisengebieten adäquat zu unterstützen. Vielmehr müssen die mentale Gesundheit der Kinder gestärkt und ihre Bildungschancen erhöht werden, damit sie das Erlebte verarbeiten und Vertrauen in eine bessere Zukunft gewinnen können. Wie das gelingt, erklären Nienke Teunissen und Till Schuster von War Child.
„Software is eating the world“ – Software verschlinge die Welt, so ein geflügeltes Wort der TechBranche. Alles werde nach und nach digital. Und tatsächlich sieht es überall danach aus, auch beim Thema Bezahlen. Doch ein Gegentrend lässt sich ausgerechnet bei der Fotografie erkennen.
Kleine Flugzeuge sind um ein Vielfaches klimaschädlicher als andere Verkehrsmittel. Während Umweltorganisationen daher ein Verbot fordern, setzen Politik und Luftfahrtverbände auf nachhaltige Technologien. Te:nor fasst den aktuellen Stand der Debatte zusammen.
Klimafreundlich, lebenswert, bezahlbar – im Südosten Hamburgs entsteht auf mehr als 100 Hektar ein neues Stadtviertel. Es ist das zweitgrößte Neubauprojekt der Hansestadt.