Schotten dicht dank Wasserkraft
Überflutungen treten immer öfter dort auf, wo zuvor alles trocken blieb. Das niederländische Unternehmen Hyflo baut für solche Fälle selbstschließende Fluttore. Der Clou: Die Tore heben sich mit der steigenden Flut – automatisch und ohne Stromverbrauch.
Die Zahl der Stark- und Dauerregenereignisse nimmt zu und damit häufen sich auch Überflutungen. Eine Folge des Klimawandels, an die wir uns anpassen müssen. Zum Beispiel, indem wir Schutzmaßnahmen ergreifen. Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) aus dem Jahr 2023 zufolge hat Starkregen in Deutschland zwischen 2002 und 2021 für Schäden in Höhe von 12,6 Milliarden Euro allein an Wohngebäuden gesorgt. Also gewöhnen wir uns besser daran, hinter Fluttoren zu leben, Barrieren aufzubauen und Sandsäcke zu füllen? Selbstschließende Flutbarrieren aus den Niederlanden helfen dabei, Leben, Infrastruktur und Eigentum zu schützen – und sind dabei auch noch erfreulich unauffällig.
Teures Problem: Starkregen
Das Gefährliche am Starkregen ist, dass er überall auftreten kann. Auch wer nicht am Ufer eines Flusses wohnt, kann künftig von Überflutungen betroffen sein. Lokal können die Wassermassen so massiv ansteigen, dass kleine Bäche plötzlich zu reißenden Flüssen werden. Die für die niedrigeren Regenmengen vergangener Jahrzehnte ausgelegte Kanalisation kapituliert in solchen Fällen meist.
Die Versicherer jedenfalls pochen auf Vorsorgemaßnahmen und verweisen auf das Risiko steigender Beiträge: „Wir müssen in Deutschland Prävention und Klimafolgenanpassung konsequent umsetzen. Ansonsten können sich nach unseren Schätzungen allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre die Prämien für Wohngebäudeversicherungen verdoppeln", sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV, in einem Statement zur Vorstellung des GDV-Starkregenberichts im Jahr 2023.
Mit Wasserkraft gegen Wassermassen
Die Niederländer sind traditionell Meister darin, Wasser vom Land und Land vom Wasser zu trennen. Weltweit geht der Blick daher oft in die Niederlande, wenn es darum geht, innovativen und wirksamen Hochwasserschutz zu implementieren. So wie das in Kampen an der Ijsselmündung beheimatete Unternehmen Hyflo: Dort produzieren sie Flutbarrieren, die bei trockenem Wetter diskret im Boden verborgen sind und sich erst bei steigender Flut selbst schließen. „Zuletzt habe ich unser System einer Delegation aus Brasilien erklärt – die waren nach 30 Sekunden überzeugt", erzählt Hesse van Groningen, bei Hyflo für den Vertrieb verantwortlich.
Bei den Self Closing Flood Barriers (SCFB) handelt sich um ein ganzes System. Die Barrieren aus mit Verbundstoffen verstärktem Textil- und Glasfasergewebe ruhen im Alltag in Beton- oder in Stahlwannen, die mit Beton verstärkt werden können, und sind im Boden versenkt. „Von außen sieht man nur die Schutzkappe der Barriere am Boden – und manchmal nicht einmal die", sagt van Groningen. Die Wanne ist mit dem Abwassersystem verbunden. Regnet es nun so stark, dass die Kanalisation das Wasser nicht mehr aufnehmen kann, fließt es zunächst in das Betonbecken der selbstschließenden Flutbarriere. Dort hebt der steigende Wasserpegel das Fluttor an und schließt es, noch bevor das Wasser an der Oberfläche sichtbar ist. „Weil die Barriere selbst so leicht ist, geht das innerhalb von Sekunden", sagt van Groningen. Fließt das Wasser wieder ab, senkt sich auch das Tor.
Bis zu 50 Jahre soll dieses System weitgehend wartungsfrei funktionieren, heißt es seitens des Herstellers, erdbebensicher und ausdauernd. Die Tore brauchen weder Strom noch einen Menschen, der sie in Betrieb setzt. Nur, wo es keine Kanalisation gibt oder das Nass aufwärts fließen müsste, um abzulaufen, braucht es eine Pumpe, um das Wasser wieder aus dem System zu pumpen und die Barriere zu senken.
Michiel van den Noort hat dieses System entwickelt und 2014 das Unternehmen Hyflo gegründet – basierend auf einer Idee, die sein Vater bereits in den 1990er-Jahren patentieren ließ. Warum es so lange gedauert hat, bis aus einer Idee ein Unternehmen wurde? „Die Flutereignisse nahmen in den 2000er-Jahren immer mehr zu. Wird man einmal überflutet, baut man keine Barriere wie unsere ein“, erklärt van Groningen. „Aber wenn man einmal im Jahr Wasser im Haus hat, dann investiert man das Geld.“ Gefragt nach den Kosten, verweist van Groningen darauf, dass das bei jedem Projekt unterschiedlich ist – die günstigste Variante ist es wohl nicht. Dafür machen sich die SCFB im Schadensfall schnell bezahlt, sagt er: „Schließlich benötigen sie keine andere Kraft als die des Wassers.“ Schäden, die nicht entstehen, müssen am Ende nicht teuer repariert werden.
Entscheidender Faktor: Zeit
Hyflo ist nicht das einzige Schutzsystem, das steigende Pegel nutzt, um eine Barriere zu errichten. Ebenfalls aus den Niederlanden stammt zum Beispiel die Tubebarrier: Dabei handelt es sich um eine Art Schlauch, der durch das steigende Wasser gefüllt wird. Um solche Schläuche auszulegen, braucht es jedoch eine Vorwarnzeit, und Starkregen ist unberechenbar. Außerdem muss jemand vor Ort sein, um Barrieren auslegen zu können. Das ist der Grund, weshalb immer mehr Privatleute ihre Häuser mit einem eigens für diese Zwecke ausgelegten, etwas abgespeckten Hyflo-System schützen: „Unsere Barrieren sind da, auch wenn die Hausbesitzer es nicht sind", erklärt van Groningen.
Und sind sie einmal installiert, stören sie nicht. „Dass SCFB sich nur im Fall der Fälle zeigt, war einer der Gründe dafür, dass wir das System in Stonehaven verbaut haben“, sagt Tim Collingwood: „Hohe Barrieren würden die schöne Aussicht stören.“ Er ist Managing Director beim Hochwasserschutz-Spezialisten Flood Control International und war in das Hochwasserschutzprojekt im malerischen Küstenstädtchen nahe Aberdeen in Schottland involviert. Dort fließt der Fluss Carron in einem sehr engen Bett mitten durch Wohnbebauungen und kleine Geschäfte in die Nordsee – ein Umstand, der in den vergangenen 25 Jahren immer wieder und immer öfter für Überflutungen gesorgt hat.
Dass die neue Barriere nicht nur unsichtbar, sondern selbstschließend ist, hat auch einen Effizienzvorteil: „Jedes Mal per Hand eine Flutbarriere aufzubauen, ist in Stonehaven einfach nicht praktikabel“, erzählt Collingwood: Gemeindearbeiter hätten immer wieder sehr schnell Zutritt zu privatem Gelände benötigt. Eine Barriere hingegen, die sich selbst aufbaut, braucht keine Schlüssel für Zauntore.
2,4 Milliarden Euro
betragen die versicherten Sachschäden dreier Hochwasserereignisse im ersten Halbjahr 2024 in Deutschland circa.
Quelle: GDV
40,5 Milliarden Euro
Gesamtschaden hat die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Sommer 2021 verursacht.
Quelle: Studie „Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland“, Prognos 2022

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