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Verwenden, nicht verschwenden

Text von Johanna Gans
13.07.2022
Nachhaltigkeit

Weltweit hungern bis zu 811 Millionen Menschen – gleichzeitig landet ein Drittel der produzierten Nahrung im Müll. Den größten Teil davon verschwenden Verbraucher. Jeder Einzelne kann also dazu beitragen, diesen Müll zu vermeiden. Drei Zero-Waste-Experten geben Tipps, wie sich die Lebensmittelverschwendung in der eigenen Küche reduzieren lässt.

„Als Kind mochte ich keinen Rosenkohl. Lange Zeit hatte ich ihn gar nicht mehr auf dem Schirm, bis ich als Erwachsene Rosenkohl vor dem Müll gerettet habe – ich konnte ihn nicht einfach wegwerfen“, erzählt Johanna Paschek von Too Good To Go, einem Unternehmen, das eine App zur Rettung von Nahrungsmitteln betreibt. Die Berlinerin überlegte, womit sie das Gemüse verfeinern könnte, und probierte verschiedene Rezepte aus. Mit Erfolg: Heute isst sie gern Rosenkohl, zum Beispiel aus dem Backofen mit Parmesan überbacken – samt der äußeren Blätter, die keineswegs in den Müll gehören, wie Paschek meint.

Dort, im Müll nämlich, landen nach Angaben der Welthungerhilfe weltweit jedes Jahr 1,3 Milliarden Tonnen Essen. In Deutschland werden jährlich rund elf Millionen Tonnen entsorgt, 59 Prozent davon stammen aus privaten Haushalten, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Juli 2022 meldete. In einer früheren Untersuchung stellte das BMEL zudem fest, dass 40 Prozent der Abfälle vermeidbar wären – die Besitzer hätten die Zutaten nur rechtzeitig verzehren müssen. Außerdem gilt: Je weniger Personen in einem Haushalt leben und je jünger sie sind, desto mehr Lebensmittel werden pro Kopf entsorgt.

Als Hauptursache dieser immensen Verschwendung nennt das BMEL vor allem zu große Verpackungen. Bei immerhin rund einem Drittel der Abfälle handelt es sich um Essen in einer geöffneten Verpackung oder um Reste aus einem Kochtopf. In 18 Prozent der Abfälle sahen Apfel, Brot und andere Lebensmittel lediglich unappetitlich oder alt aus und bei fünf Prozent war das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten. Nach Berechnungen des BMEL könnte jeder Haushalt jährlich fast 140 Euro sparen, wenn er seine Abfallmenge reduziert. In einem Bericht der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen heißt es darüber hinaus, dass jährlich 4,4 Milliarden Tonnen CO2 durch verschwendete Lebensmittel entstünden. Das seien acht Prozent der gesamten, menschengemachten Treibhaus-Emissionen.

Die Vermeidung von Müll fängt für Sophia Hoffmann schon bei der Vorbereitung der Mahlzeiten an. Die Köchin und Influencerin, die mit dem Portal Zero Waste Vegan Masterclass nach eigenen Angaben die größte vegane Online-Kochschule Europas ins Leben gerufen hat, empfiehlt, zunächst Kühlschrank und Vorratsschrank genau zu inspizieren. Was ist noch da? Was ließe sich daraus machen oder was fehlt für ein bestimmtes Gericht? „Schätzen Sie Ihre Lebensmittel wert –Verschwendung passiert nämlich meist durch mangelnde Wertschätzung“, sagt Hoffmann.

Die Wertschätzung zu erhöhen ist auch das Ziel der Plattform Too Good To Go. Sie ermöglicht Gastronomen, Hoteliers und Händlern, übrig gebliebenes Essen anzubieten. Verbraucher können über eine App lokale Angebote einsehen und Überraschungstüten kaufen – zu einem Drittel des ursprünglichen Preises. Too Good To Go erspart zwar nicht den regulären Wocheneinkauf, „ist aber eine gute Ergänzung und gibt Raum für Kreativität“, sagt Betreiberin Paschek. Bekommt man in der Bäckerei einen Wochenvorrat an Brot und Gebäck, so könne man Brotscheiben einzeln einfrieren und passend verzehren. Überhaupt sei die Frage der Lagerung entscheidend, um Nahrungsmittel nicht zu verschwenden. „Was zuerst in den Kühlschrank kommt, sollte zuerst verbraucht werden“, sagt Paschek.  

Daneben setzt Too Good To Go auf Aufklärung. Mit der Initiative „oft länger gut“ klären das Social-Impact-Unternehmen und Partner aus dem Handel über das Mindesthaltbarkeitsdatum auf, denn dabei handelt es sich keinesfalls um ein Ablaufdatum. Das Gütesiegel sagt lediglich aus, wie lange Farbe, Geruch, Konsistenz und Geschmack erhalten bleiben, aber nicht, wann ein Lebensmittel bei angemessener Lagerung verdorben ist. „Schauen, riechen und probieren“, lautet deshalb Pascheks Devise. „So könnten wir selbst herausfinden, ob es noch genießbar ist, statt stur das aufgedruckte Datum als Anlass zum Wegwerfen zu nehmen“, sagt sie.

Mit Aufklärung geht auch Wenke Heuts vom gemeinnützigen Verein Restlos Glücklich gegen Verschwendung vor. Projekte wie „Bis auf den letzten Krümel“ oder „Meinem Schulessen auf der Spur!“ sollen Kinder ab dem Vorschulalter über nachhaltige Ernährung und den Wert unserer Nahrung aufklären. Auch ein Kinderbuch hat der Verein herausgebracht: „Benja & Wusse. Essensretter auf großer Mission“. Darüber hinaus gibt der Verein Tipps, wie sich die Abfallmenge in der eigenen Küche reduzieren lässt:

Tipp 1: Auf den Saisonkalender achten

Oft kennen wir exotische Früchte besser als die heimischen Obst- und Gemüsesorten. Ein Saisonkalender, erhältlich zum Beispiel auf den Webseiten des Vereins oder des Bundeszentrums für Ernährung, klärt auf, wann welche Pflanze hierzulande wächst. Die Vorteile liegen auf der Hand: „Durch die kürzeren Transportwege und den Wegfall von Lagerung und Beheizung wird sehr viel weniger CO2 erzeugt und Wasser verbraucht“, sagt Heuts.

Tipp 2: Leckere Rezepte suchen - vom Blatt bis zur Wurzel

Ob das schmeckt? Nicht ohne Grund entfernt man die äußeren Blätter oder die Schalen, könnte man meinen. Doch Möhrengrün eignet sich gut als Grundlage für ein leckeres Pesto. Mit etwas Öl backen die Möhrenschalen im Ofen zu einem schnellen Knuspersnack und auch Bananenschalen-Pancakes sind lecker: Dafür die Schalen in Streifen schneiden und mit Zucker oder anderen Süßungsmitteln andünsten, bevor sie zum restlichen Teig gegeben werden. Zahlreiche weitere Rezepte listet das BMEL-Portal „Zu gut für die Tonne“ auf. Wer künftig Schalen verzehren will, sollte einen Tipp von Heuts beachten: „Waschen Sie die Lebensmittel gründlich und kaufen Sie im Idealfall Bioqualität ein, sodass Sie sicher sein können, dass keine Pestizide enthalten sind.“

Tipp 3: Lebensmittel richtig lagern

Einige Obst- und Gemüsesorten haben im Kühlschrank nichts zu suchen – zum Beispiel Tomaten, die bei kühlen Temperaturen ihr Aroma verlieren. Im Kühlschrank selbst sollten die verschiedenen Temperaturzonen beachtet werden: Das untere Fach ist das kälteste, an der Tür ist es noch wärmer als im obersten Fach. Deshalb gehören leicht verderbliche Lebensmittel nach unten und hinten, darüber Milchprodukte und angebrochene Verpackungen. Die Tür ist der optimale Platz für Butter, Senf oder Eier.

34 Prozent
der vermeidbaren Lebensmittelabfälle entfallen auf Obst und Gemüse.  
Quelle: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/gfk-studie.html

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