Heavy Metal in Grün

Die Industrie benötigt Schwermetalle für die Produktion von E-Autos und Solaranlagen. Doch diese abzubauen, hat verheerende Folgen für Umwelt und Menschen. Eine schonende Art der Metallförderung könnte die Lösung sein: Beim Phytomining holen Pflanzen Nickel oder Germanium aus dem Boden.
Der Verkauf von Elektroautos boomt in vielen Ländern. In Norwegen beispielsweise waren 2024 die Mehrheit aller neu zugelassenen Pkw reine E-Autos. In China sind inzwischen mehr als 50 Prozent der Neuzulassungen elektrisch, in Dänemark ist es fast die Hälfte. Das sind erst einmal gute Nachrichten. E- Mobilität ist notwendig, um den Verkehr klimafreundlicher und nachhaltiger zu gestalten. Doch E-Autos haben ein Problem. In ihren Batterien steckt ein umweltschädlicher Rohstoff: Nickel. Die gängigen Akkus enthalten bis zu 40 Prozent des Schwermetalls. Dort, wo es abgebaut wird, zum Beispiel in Indonesien, roden die Bergbaukonzerne häufig Regenwald.
Schadstoffe und Schwermetalle geraten ins Grundwasser
Auch andere grüne Technologien, zum Beispiel Energiespeichersysteme für Solaranlagen oder Windkraft, sind auf Nickel, Zink, Germanium, Kobalt oder Gallium angewiesen. Sie alle gelten als „kritische Rohstoffe“. Kritisch nicht wegen ihrer umweltschädlichen Gewinnung, sondern weil sie derart gefragt sind, dass der Bedarf kaum noch zu decken ist. Das Gebirgs-Hellerkraut könnte dies ändern.
Gebirgs-Hellerkraut? Es handelt sich dabei um eine Pflanze mit zu Rosetten angeordneten Blättern. Das weiß blühende Blümchen kann Zink speichern – in bis zu 300-mal höherer Konzentration als andere Pflanzen dies vertragen. Es gehört damit zu den sogenannten Hyperakkumulatoren im Pflanzenreich: Wie Magnete ziehen deren Wurzeln Metallionen aus dem Boden. Weltweit sind derzeit mehr als 700 solcher pflanzlicher Heavy-Metal-Fans bekannt. So akkumuliert die Hallersche Schaumkresse Zink und Cadmium, das Glatt-Brillenschötchen sammelt Thallium und eine als Haumaniastrum robertii bekannte Minze nimmt Kobalt auf.
Kritischer Rohstoff
Viele der großen Abbaugebiete von Nickel liegen in der Nähe von für die Biodiversität wichtigen Wäldern.

Nutzung verseuchter Böden
Das sogenannte Phytomining macht sich diese ungewöhnliche Eigenschaft zunutze. Der niederländische Wissenschaftler Antony van der Ent, der an der Universität von Queensland forscht, beschreibt es als „Landwirtschaft für Metalle“. Erst werden die Pflanzen kultiviert, dann geschnitten, getrocknet und verbrannt. Mit Säure lässt sich aus der Asche die „Ernte“ heraus lösen: Schwermetall aus nachhaltiger Produktion. „Wir entwickeln derzeit Phytomining-Anwendungen für Nickel, Kobalt und Selen in Europa, den USA, Südamerika und Südostasien“, so van der Ent. Das größte Potenzial läge derzeit im Phytomining von Nickel. „Die Umweltbelastung ist sehr gering, vergleichbar mit der Landwirtschaft, und es schafft Arbeit für lokale Landwirte.“
Besonders eignen sich für den Anbau sogenannte Serpentinböden, die es an vielen Orten auf der Welt gibt. Sie enthalten von Natur aus viele Schwermetalle. Das macht sie für Pflanzen eher unattraktiv – ausgenommen die heimischen Hyperakkumulatoren. Aus einem mit Mauer-Steinkraut bepflanzten Hektar zum Beispiel lassen sich Berichten zufolge etwa 120 Kilogramm Nickel gewinnen. Verglichen mit herkömmlicher Verhüttung ist das nicht viel. Dafür ist der gewonnene Rohstoff sehr viel nachhaltiger entstanden. Der Geoökologe Oliver Wiche von der Hochschule Zittau Görlitz schätzt, dass sich allein mit den Germanium-Vorkommen in den Böden Europas der Weltbedarf decken ließe. Zum Vergleich: Derzeit kommen 60 Prozent des benötigten Halbmetalls aus China, 2022 entsprach dies noch knapp 44 Tonnen. Beschränkt das Land den Export, setzt das die weltweiten Hersteller von Computerchips unter Druck. Phytomining könnte also auch für wirtschaftspolitische Unabhängigkeit sorgen.
Das entscheidende Patent lag lange brach
Das Verrückte: Die Idee von Phytomining als nachhaltige Alternative gibt es schon seit den 1970er-Jahren. Damals fiel in einer wissenschaftlichen Arbeit erstmals der Begriff Hyperakkumulator. Beschrieben wurde eine Baumart, die so große Mengen Nickel aus dem Boden zieht, dass dieses den Pflanzensaft blaugrün verfärbt. Warum sich Pflanzen derart mit Schadstoffen vollsaugen, ist nicht gänzlich geklärt – vermutlich, um Fressfeinde abzuschrecken. Zwei Wissenschaftler, der britische Botaniker Alan Baker und der amerikanische Agrarwissenschaftler Rufus Chaney, fühlten sich von dieser Entdeckung hingegen angezogen. Sie entwickelten das Verfahren, das heute als Phytomining bekannt ist. Vermutlich wäre es schon deutlich weiter verbreitet, hätte nicht eine texanische Investmentfirma die Forschung der beiden mit Geld unterstützt. Viridian sicherte sich 1995 so das entscheidende Patent. Nach ersten Feldversuchen soll das Unternehmen Berichten zufolge die Zusammenarbeit mit den Entwicklern jedoch beendet haben. Warum, ist bis heute nicht geklärt. Das Unternehmen äußerte sich dazu nie.
Erntehelfer
Bäume wie dieser in Malaysia ziehen so viel Nickel aus dem Boden, dass ihr Harz sich grün verfärbt.

Seitdem das Patent 2015 ablief, können Wissenschaftler wie Antony van der Ent die Technologie weiterentwickeln. Metall mit Pflanzen zu fördern, hat gegenüber dem herkömmlichen Bergbau mehrere Vorteile: Es ist günstig und hinterlässt keine zerstörten Landschaften. Gerade ärmere Länder wie Indonesien, einer der wichtigsten Nickellieferanten, könnten davon profitieren. Denn Phytomining funktioniert häufig dort am besten, wo wirtschaftlich ohnehin wenig anderes zu holen ist. Meist sind das abgelegene Gebiete, zu verseucht für die meisten Pflanzen, aber mit zu geringem Metallgehalt, um aufwendige Schürfverfahren zu rechtfertigen. Während die pflanzliche Nickelernte beispielsweise schon ab einer Konzentration von 0,1 Prozent möglich ist, funktionieren traditionelle Abbauverfahren erst mit Erzen mit der zehnfachen Konzentration. Zudem hat das Verfahren einen interessanten Nebeneffekt: Die Pflanzen lassen sich auch einsetzen, um Böden von Schadstoffen zu reinigen und sie dadurch wieder für normale Landwirtschaft nutzbar zu machen.
Pflanzliche Bodensanierung
„Grundsätzlich ist es möglich, metallverseuchte Böden mit diesen Pflanzen zu sanieren“, sagte die Pflanzenphysiologin Ute Krämer von der Ruhr-Universität Bochum in einem Interview. „Es wäre eine sinnvolle Technologie, weil es viele belastete Flächen gibt und dadurch mancherorts ein Gesundheitsrisiko für Menschen besteht.“ Durch diese sogenannte Phytoremediation könnten aus Industrieoder Bergbaugebieten wieder Äcker werden. Zu stark kontaminiert dürfte das Gelände laut Krämer dafür allerdings nicht sein. Böden sollten maximal „das Zwei- bis Dreifache des Grenzwertes an Schwermetallen enthalten.“ Das ist nicht viel. Hyperakkumulatoren können den Boden aber auch von Rückständen mancher Pestizide und Düngemittel befreien.
Im Moment sei die größte Herausforderung, Phytomining vom Pilotmaßstab auf den kommerziellen Betrieb zu skalieren, meint Antony van der Ent. Das heißt auf Tausende von Hektar. Laut Ute Krämer werde die Forschung hierzulande jedoch kaum finanziert. Sie finde eher in China, Australien und den USA statt. Insbesondere die Deutschen seien gegenüber pflanzenbasierten Technologien zu skeptisch. Vielleicht nicht ganz ohne Grund: Während eines Versuchs im US-Bundesstaat Oregon auf einem Versuchsfeld der Firma Viridian verteilten sich die Samen der Pflanzen unkontrolliert in der Umgebung.
Die Technologie hingegen verbreitet sich noch immer langsam. Und das, obwohl sich mit ihr auch einer der edelsten Rohstoffe aus dem Boden holen lässt: Gold. Senf, aber auch Eukalyptusbäume und Akazien reichern das Edelmetall in ihrem Gewebe an. Der Ertrag ist jedoch sehr gering. Die Goldernte mit Pflanzen wird sich daher auch in Zukunft wohl eher nicht lohnen – im Gegensatz zu anderen Metallen. Experte Antony van der Ent ist jedenfalls optimistisch: „In den nächsten fünf Jahren wird die Phytomining-Technologie für Nickel zur kommerziellen Realität werden.“
Dieser Artikel ist zuerst in Character erschienen, dem Gesellschaftsmagazin der Bethmann Bank. Weitere Informationen zur aktuelen Ausgabe finden Sie auf unserer Webseite.

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