Werte im Wandel - Wasser, das blaue Gold

Unsere Großeltern haben den Wasserhahn noch gedankenlos aufgedreht, heute ist das Bewusstsein für den Wert des Wassers gewachsen. Zum Glück. Denn immer noch haben zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Können wir das ändern? Sprudelnde Gedanken zu einem wichtigen Thema.
Der Wasserhahn tropft. Sie sagen vielleicht: Na und? Den lass ich irgendwann reparieren. Irgendwann? Wenn pro Sekunde ein Wassertropfen den Wasserhahn verlässt, summiert sich das in fünfeinhalb Stunden auf knapp einen Liter. Das sind 125 Liter pro Monat und somit 1.500 Liter Wasser pro Jahr. Sie sollten also nicht zögern, den Klempner anzurufen.
Dass wir heute achtsam mit dem Element Wasser umgehen (sollten), ist noch immer nicht jedem bewusst. Wir haben’s ja, das Wasser, zumindest hier in Deutschland. Nach Angaben des Bundesumweltamtes herrscht hierzulande kein Wassermangel, fast zwei Drittel unseres Trinkwasserbedarfs werden aus Grundwasser gedeckt. Es ist unser unsichtbarer Schatz. Ein Schatz, der sich zu 91 Prozent in einem guten Zustand befindet.
Also weiterhin jederzeit gedankenlos den Wasserhahn aufdrehen, so wie es unsere Großeltern noch taten? Sie interessierten sich weder für Wassersparfunktionen bei der Toilettenspülung, noch kannten sie smarte Duschköpfe. Wie sollten sie auch? Weder Politik noch Wirtschaft waren damals für das Thema Wasser sensibilisiert. Es gab ganz einfach keine Möglichkeiten, den Wasserverbrauch im eigenen Haushalt mit passenden Geräten und Armaturen effizient zu regulieren. Heute ist das möglich, und so ist der Wasserverbrauch bei uns glücklicherweise rückläufig, aber immer noch erheblich: 1990 verbrauchte jeder Mensch in Deutschland, so das Statistische Bundesamt, rund 147 Liter Wasser, heute sind es 125 Liter – pro Tag.
Leere Swimmingpools, abgestellte Rasensprenger
Der Wert des Wassers – also unser Bewusstsein für den Wert des Wassers – hat sich im Laufe der vergangenen 35 Jahre grundlegend gewandelt. Dabei ist unser Umgang mit dem nassen Element zweifellos verantwortungsvoller geworden. Das ist auch notwendig, denn die Erde wird zwar zu mehr als zwei Dritteln von Wasser bedeckt, allerdings sind nur weniger als drei Prozent davon trinkbar. Und dieses Trinkwasser ist zudem sehr ungleich auf der Erde verteilt. Besonders in Afrika, in Lateinamerika und Asien herrscht vielerorts dramatische Wasserknappheit. Mehr als zwei Milliarden Menschen haben weltweit keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Eine unfassbare Zahl, zumal der Zugang zu Trinkwasser von den Vereinten Nationen im Jahr 2010 zum Menschenrecht deklariert wurde.
Wir müssen aber gar nicht den europäischen Kontinent verlassen, um uns über Wasserressourcen und unseren nachhaltigen Umgang mit ihnen Gedanken zu machen. In Europa befinden sich nach Angaben der Europäischen Umweltagentur (EEA) nur 37 Prozent der Seen und Flüsse, also der „Oberflächenwasserkörper“ in einem guten oder sehr guten Zustand. Dürreperioden und Wasserknappheit in Südeuropa nehmen zu und wirken sich auf die öffentliche Wasserversorgung sowie auf Landwirtschaft und Industrie aus. Das Niedrigwasser des Gardasees (2022), akuter Wassermangel auf Kreta oder in Andalusien (2024) sind erste Anzeichen, dass Wasser auch in Europa deutlich knapper wird. Save Water, spare Wasser! Wir werden uns also an zeitweise abgedrehte Brunnen in Italien, leere Swimmingpools in Spanien und abgestellte Rasensprenger auf den Golfplätzen der Algarve gewöhnen müssen.
Der größte Wasserverbraucher ist die Landwirtschaft
Bereits jetzt sind jährlich 20 Prozent der südeuropäischen Bevölkerung von „Wasserstress“ betroffen. Dieser Wassernutzungsindex bedeutet, dass die verfügbaren Süßwasserreserven die Wassernachfrage nicht mehr ausreichend decken können. Auch wenn sich das Grundwasser in allen Regionen in einem recht guten Zustand befindet, so ist gerade jetzt die Zeit, dass auch Flüsse und Seen als lebenswichtige Ressource für künftige Generationen verstanden und geschützt werden. Nach Ansicht der Europäischen Umweltagentur geht die deutlichste Belastung des Wassers bei Flüssen und Seen auch hierzulande von der Landwirtschaft aus. Sie ist der weitaus größte Netto Wasserverbraucher in Europa und schadet dem Wasser zusätzlich durch den Einsatz von Pestiziden und Nitraten auf den Feldern.
Und noch ein Faktor bestimmt das buchstäbliche Verschwinden von Wasser: Eine marode Wasserinfrastruktur führt zu einem erheblichen Wasserverlust. Allein in Deutschland sind 600.000 Kilometer Wasserleitungen verlegt. Doch das Rohrnetz ist inzwischen in die Jahre gekommen und nicht selten über hundert Jahre alt. Geschätzt gehen je nach Region fünf bis sogar 25 Prozent bestes Trinkwasser infolge überalterter, undichter Leitungen verloren. Dabei steht Deutschland im internationalen Vergleich noch gut da. In südeuropäischen Ländern versickern oft sogar 50 Prozent und mehr des Wassers auf dem Weg zu den Verbrauchern.
Da sich das Klima erwärmt und längere Trockenzeiten zunehmen, wird der Wasserverbrauch in vielen südeuropäischen Ländern steigen. Glücklicherweise bleibt Deutschland zwar ein wasserreiches Land, aber auch hier waren die Jahre 2018, 2020 und 2022 durch ausgeprägte Trockenheit gekennzeichnet. Inzwischen sind die Niedrigstände des Grundwassers wieder ausgeglichen. Intensive Regenfälle und damit verbundene Überschwemmungen wie im September 2024 zeigen, dass es auch immer häufiger ein Zuviel an Wasser gibt. Alle Extremereignisse werden häufiger.
Verteilungskämpfe um kostbare Wasserreserven dürfen nicht die Folge sein. Gedankenspiele, die sich um eine Privatisierung des Wassers drehen, sollten deshalb Gedankenspiele bleiben. In Deutschland unterliegt das Wasser einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung – bei uns ist Wasser ein Allgemeingut für alle und jeden. Konzerne könnten es zu einem Luxusgut machen. Als düsteres Beispiel für die Folgen der Privatisierung von Wasser gilt Chile, wo es unter der Diktatur von Pinochet zu 100 Prozent privatisiert wurde. Inzwischen gilt Wasser dort als Spekulationsobjekt und bringt Kleinbauern um ihre Existenz.
Der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilm von Sam Bozzo „Blaues Gold – der Krieg der Zukunft“ (2008) zeigt ein skrupelloses Wettrennen von Großkonzernen, privaten Anlegern und korrupten Regierungen um die schwindenden Wasserressourcen auf dem Rücken von Millionen von Menschen. Wasser als Handelsgut mächtiger globaler Interessensgruppen, die eine weltweite Wasserversorgung unter sich aufteilen: Diese Vision möge vielleicht zu Filmen und manchem Mystery Thriller anregen – aber doch bitte Fiktion und Dystopie bleiben!
30 Liter für die Toilettenspülung – muss das sein?
Kluges Wassermanagement heißt das Gebot der Stunde. Und das beginnt bei jedem Einzelnen und seinem ganz persönlichen Umgang mit Wasser in vielen kleinen Alltagssituationen – zumeist im Badezimmer: Fast 45 Liter Wasser verbrauchen deutsche Haushalte täglich für Baden, Duschen und Körperpflege. Weitere 30 Liter bestes Trinkwasser werden für die Toilettenspülung benutzt. Muss das sein? Man muss eben nicht den Wasserhahn laufen lassen, während man sich rasiert oder die Zähne putzt. Man kann den Sparknopf der Toilettenspülung benutzen und smarte Duschköpfe zur Regulierung des Wasserverbrauchs verwenden.
Man sollte auch wissen, dass in eine Badewanne rund 140 Liter Wasser passen und bei einer Dusche nur circa 15 Liter pro Minute anfallen. Energieeffizienzlabel an modernen Haushaltsgeräten sollte man beachten, denn alte Wasch- und Spülmaschinen brauchen im Schnitt 100 Liter Wasser pro Waschgang, neue kommen mit der Hälfte aus. Auch kann man den Garten mit gesammeltem Regenwasser gießen, anstatt den Rasensprenger anzustellen.
Es gibt viele Möglichkeiten, den Wasserverbrauch (und damit auch die Nebenkostenabrechnung) zu reduzieren – die Reparatur eines kaputten Wasserhahns ist eine davon. Denn eines sollte uns klar sein: Bewusster Umgang mit Wasser beginnt mit jedem nicht achtlos verschenkten Tropfen.
Dieser Artikel ist zuerst in Character erschienen, dem Gesellschaftsmagazin der Bethmann Bank. Weitere Informationen zur aktuelen Ausgabe finden Sie auf unserer Webseite.

In den Städten wird es heißer, gleichzeitig bringen Starkregenereignisse die Kanalisation immer öfter zum Überlaufen. Forschende der Universität Stuttgart setzen diesen Auswirkungen des Klimawandels etwas Positives entgegen: eine Hausfassade, die Regenwasser auffängt, speichert und das Gebäude kühlt.

Die Industrie benötigt Schwermetalle für die Produktion von E-Autos und Solaranlagen. Doch diese abzubauen, hat verheerende Folgen für Umwelt und Menschen. Eine schonende Art der Metallförderung könnte die Lösung sein: Beim Phytomining holen Pflanzen Nickel oder Germanium aus dem Boden.

Im 3D-Druck-Verfahren lässt sich inzwischen fast alles herstellen. Das Problem: Häufig besteht das Druckmaterial aus erdölbasiertem Kunststoff. Dabei gibt es bereits nachhaltige Alternativen aus Biokunststoffen, Lebensmittelabfällen und Pilzen. Ein Blick in die Praxis zeigt, wie daraus umweltfreundliche Lösungen und beeindruckende Designs entstehen.

Von nachhaltiger Straßenbeleuchtung bis hin zu Strom aus Wärme – Tobias Trübenbacher bringt Ideen mit Wirkung auf den Weg. Dabei tritt bei den kreativen Entwürfen des jungen Designers stehts eine umweltbewusste und soziale Zukunft ins Rampenlicht.