Firmennachfolge bei Rullko: von Herausforderungen und Innovationen
Ein Familienunternehmen an die nächste Generation zu übergeben, ist eine große Herausforderung. Im ersten Teil der neuen Te:nor-Serie „Unternehmensnachfolge“ zeigt der Lebensmittelgroßhandel Rullko aus Hamm, wie wichtig eine frühzeitige Planung ist, um den Wechsel zu meistern – auch wenn die Zusammenarbeit von Jung und Alt nicht immer reibungslos verläuft.

In rund 215.000 Unternehmen steht laut Nachfolgemonitor der KfW-Bank bis Ende des Jahres der Generationswechsel an. Ihnen bleiben also nur noch ein paar Monate, aber lediglich in 60.000 Betrieben ist die Übergabe bisher geregelt. Dabei gilt: Die Führungsnachfolge innerhalb der eigenen Familie ist längst nicht mehr selbstverständlich. Nur knapp die Hälfte aller Familienunternehmen schafft den Schritt, Verantwortung auf Kinder oder andere junge Verwandte zu übertragen. Kein Wunder – hohe Steuern, Fachkräftemangel, steigende Energiekosten und träge Bürokratie machen Unternehmertum in Deutschland wenig attraktiv. Umso wichtiger ist es, die Nachfolgeplanung frühzeitig anzugehen, und zwar nicht erst wenige Jahre vor dem Ruhestand. Der Lebensmittelgroßhändler Rullko aus Hamm hat vorgemacht, wie es geht.
Ein herausfordernder Start
Schon als Kind begeisterte sich Marie-Christine Ostermann für den Familienbetrieb, den ihr Vater Carl-Dieter Ostermann im Jahr 1975 von seiner Großmutter Elly Rullkötter übernommen hatte. Mit 16 Jahren entschied sie sich, die Nachfolge anzutreten. „Meine Eltern setzten mich nie unter Druck, das Interesse kam aus mir heraus“, erzählt Ostermann. Nach dem Abitur bereitete sie sich deshalb gezielt auf ihre Aufgabe vor: Sie absolvierte eine Bankausbildung und studierte Betriebswirtschaft in Sankt Gallen. Anschließend arbeitete sie als Bereichsleiterin bei Aldi Süd, um das Lebensmittelgeschäft von Grund auf zu lernen. 2006 kehrte die damals 27-jährige nach Hamm zurück – bereit, ins Unternehmen einzusteigen.
Ihr Vater übertrug ihr direkt Firmenanteile und stärkte so ihre Position als künftige Chefin. Doch nicht alle am Unternehmen Beteiligte waren sofort vom Generationswechsel überzeugt: Als sie sich auf der Weihnachtsfeier als neue Geschäftsführerin vorstellte, sprach ein langjähriger Lkw-Fahrer sie an. „Er sagte: Jetzt kommst du, junge Frau in Kostüm und Stöckelschuhen, und willst uns erklären, wie das hier läuft?“, erinnert sich Ostermann. Die Juniorchefin blieb ruhig und lud ihn zum Gespräch in ihr Büro ein. Dort stellte sie klar, dass man sich bei Rullko siezt, und dass die Alternative – ein Verkauf des Unternehmens an einen Konzern – womöglich seinen Arbeitsplatz gefährdet hätte. Damit war alles Wichtige gesagt, für Ostermann und für den Mitarbeiter.
Generationenkonflikte meistern
Um das Vertrauen der Belegschaft zu gewinnen, packte sie in allen Abteilungen mit an und lernte so die Abläufe und Bedürfnisse der Mitarbeiter kennen. Ihre Erfahrungen bei Aldi Süd halfen Ostermann dabei, sich im Unternehmen zu behaupten: „Ich habe Regale eingeräumt, Böden geputzt, Bestellungen koordiniert und ein Team von 70 Mitarbeitern geleitet – ich musste damals schnell lernen, mich durchzusetzen und so war es anfangs auch bei Rullko“, erzählt sie.
Doch auch die Zusammenarbeit zwischen alter und junger Generation in der Chefetage brachte einige Herausforderungen mit sich. „Mein Vater musste sich daran gewöhnen, dass es nun eine zweite Person in der Geschäftsleitung gab“, so Ostermann. Eine Bewährungsprobe stellte zum Beispiel ein von ihr eingeführtes Rauchverbot im Logistiklager dar: Carl-Dieter Ostermann, ein leidenschaftlicher Raucher, zeigte demonstrativ Widerstand und zündete sich eine Zigarette an. Als sie ihm klarmachte, dass er damit ihre Autorität untergrabe, räumte er seinen Fehler vor der Belegschaft ein.
Von da an traten Vater und Tochter als Einheit auf – auch wenn sie intern nicht immer einer Meinung waren. Während ihr Vater an bewährten Strukturen festhielt, wollte sie Veränderungen vorantreiben. „Ich musste lernen, bei manchen Themen geduldig zu bleiben, bis ich sie so umsetzen konnte, wie ich es für richtig hielt.“ Gleichzeitig hatte die enge Zusammenarbeit auch Vorteile: Beide konnten sich gegenseitig vertreten, was besonders wichtig war, als Ostermann den Wirtschaftsverband „Die Jungen Unternehmer“ in Berlin leitete und daher oft unterwegs war.
Neue Generation – neuer Führungsstil
Im Alter von 70 Jahren zog sich ihr Vater aus dem operativen Geschäft zurück, ist aber nach wie vor gemeinsam mit Ostermanns jüngerer Schwester als Gesellschafter in strategische Entscheidungen involviert. „Für ihn war das sehr emotional, daher hatten wir nie einen festen Termin für die Übergabe vereinbart“, sagt Ostermann. Seit 2017 führt sie das Unternehmen allein und konnte bereits eigene Ideen voranbringen: So setzt die Unternehmerin seither auf ein Team aus Führungskräften und geteilte Verantwortung, ihr Vater hingegen traf Entscheidungen oft allein in seinem Büro. Auch von ihren Mitarbeitern erwartet sie mehr Eigenverantwortung: „Wer mit einem Problem kommt, soll eine Lösung vorschlagen – schließlich kennen sie ihre Bereiche oft besser als ich.“
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, hat Ostermann gezielt in die Zukunft investiert und den Fuhrpark modernisiert, die Logistik digitalisiert und nachhaltige Prozesse etabliert. Zudem setzt das Unternehmen verstärkt auf regionale und saisonale Produkte sowie digitale Lösungen: Kunden können Nährwerte und Inhaltsstoffe von Lebensmitteln abrufen und Menüs Wochen im Voraus planen – der Verbrauch wird so angepasst, dass weniger Lebensmittel verschwendet werden. Auch die Nachwuchsförderung treibt Ostermann voran: Während der Pandemie verdoppelte Rullko die Zahl der Ausbildungsplätze, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Heute beschäftigt die Firma 25 Auszubildende. Die Maßnahmen zahlen sich aus: Mit einem Jahresumsatz von 95 Millionen Euro hat Rullko Krisen wie die Pandemie oder Russlands Krieg gegen die Ukraine erfolgreich gemeistert und ist stabil aufgestellt.
Frühzeitig an die eigene Nachfolge denken
In der öffentlichen Debatte werde die Herausforderung der Nachfolgeplanung oft falsch dargestellt, kritisiert Ostermann: „Unternehmer werden als Menschen gesehen, die sich in ein gemachtes Nest setzen, um Forderungen nach höheren Erbschafts- oder Vermögenssteuern zu legitimieren.“ Das schrecke viele junge Menschen von vornherein ab, die große Verantwortung und Risiken eines Familienbetriebs zu tragen. Als Vorsitzende des Verbands „Die Familienunternehmer“ setzt sie sich daher für bessere Rahmenbedingungen ein, um die Unternehmerkultur in Deutschland zu stärken. Der Verband bietet zudem Austauschmöglichkeiten für junge Nachfolger und abgebende Generationen, um den Übergang gemeinsam zu meistern.
Ihre eigene Nachfolge hat die 47-Jährige bereits im Blick. „Wie mein Vater möchte ich mit etwa 70 Jahren aus dem operativen Geschäft ausscheiden und den Betrieb dann in jüngere Hände übergeben.“ Ihr Ziel: Das Unternehmen mit Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein weiterführen, damit auch der Übergang zur nächsten Generation gelingt.
240 Mitarbeiter
hat das Unternehmen Rullko.
Quelle: Rullko
1923 gegründet
wurde der Lebensmittelgroßhandel Rullko von Carl Rullkötter.
Quelle: Rullko

Der Beratungsbedarf bei Nachfolgeregelungen steigt, weil Deutschland zu einer Erbengesellschaft wird

Eine weltweit ausreichende Versorgung mit Trinkwasser ist eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft. Unternehmen mit Lösungsansätzen bieten Chancen auf attraktives Umsatzwachstum, da hohe Investitionen in diesem Bereich zu erwarten sind. Für Investoren gewinnt das Thema Wasser deshalb weiter an Bedeutung.

Der Nachhaltigkeitsbeirat der Bethmann Bank trifft sich im Dezember 2023 zum 50. Mal: Wie das unabhängige Gremium seit inzwischen zwölf Jahren auf das Handeln der Bethmann Bank und der Investment-Teams wirkt und welche Themen es dabei setzt, berichten die langjährigen Beiratsmitglieder Ulf Doerner und Christine von Weizsäcker im Interview.

Das Jahr 2024 wird geopolitisch herausfordernd, die Zinspolitik sollte Investoren jedoch Rückenwind verschaffen: Im Interview spricht Chief Investment Strategist Steffen Kunkel, über die Entwicklungen am Kapitalmarkt 2023 und gibt einen Ausblick auf die zu erwartenden Entwicklungen in 2024.