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Trau, schau, wem – wie zuverlässig ist der CO2-Fußabdruck von Unternehmen?

Text von Gerd Huebner
27.06.2023
Vermögen

Mit Fortschreiten des Klimawandels spielen für Investoren die Kohlenstoffemissionen ihrer Investments eine immer größere Rolle. Doch wie kommen diese Daten zustande und wie verlässlich sind sie?

Der Klimawandel schreitet voran. Die globale Durchschnittstemperatur lag laut dem staatlichen US-Wetterdienst NOAA im vergangenen Jahr etwa 1,15 Grad über dem vorindustriellen Niveau, also dem Zeitraum zwischen 1850 und 1900. Und auch wenn 2022 nicht ganz so warm war wie das bisherige Rekordjahr 2016, so war es doch eines der wärmsten Jahre überhaupt seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Folgen sind längst für alle spürbar: Hitzewellen, Überschwemmungen, Trockenheit und nicht zuletzt immer mehr Hitzetode. Im vergangenen Jahr kam es in Europa zum ersten Mal überhaupt zu Wasserrationierungen.

Die Kosten, die mit dem Klimawandel verbunden sind, sind immens. Laut einer Untersuchung, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Auftrag gegeben wurde, hat der vom Menschen verursachte Klimawandel seit dem Jahr 2000 in Deutschland jedes Jahr Schäden von durchschnittlich 6,6 Milliarden Euro verursacht. Und dies sind nur die Zahlen für die Bundesrepublik. Es ist deshalb auch weithin Konsens, dass die Menschen, vor allem in den Industrieländern, etwas dagegen unternehmen müssen. Das beginnt im privaten Bereich, zum Beispiel bei der Wahl des Energieträgers, des Transportmittels und den Einkäufen für den täglichen Bedarf und geht weiter bis hin zur Geldanlage.

Besseres Risikomanagement 

„Neben dem Wunsch, einen Beitrag zum Kampf gegen die globale Erwärmung zu leisten, kann es auch aus Risikoaspekten sinnvoll sein, auf den CO2-Fußabdruck im Portfolio zu achten“, erklärt Jennifer Paffen, Portfoliomanagerin bei der Bethmann Bank. Ein Grund dafür: die Regulatorik. Sie kann für jene Unternehmen, die nicht auf ihren Kohlendioxidausstoß achten, künftig deutlich steigende Kosten mit sich bringen, beispielsweise auf der operativen Ebene eines Unternehmens. „Hier sind unter Umständen Umstellungen bei der Produktion notwendig, was zu hohen Investitionskosten führen kann“, so die Expertin.

Zudem seien bei hohen Emissionen Reputationsrisiken oder Boykotte gegen Waren oder Marken denkbar. „Wir beobachten deshalb schon lange die sogenannten CO2-Äquivalente der Unternehmen, in die wir investieren“, erläutert Paffen. CO2-Äquivalente sind eine Maßeinheit, mit der die Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase vereinheitlicht wird. Diese werden dann in der Regel ins Verhältnis zum Umsatz des jeweiligen Unternehmens gesetzt. „Auf diese Weise haben wir eine sehr gute Vergleichbarkeit, wie die operative Tätigkeit eines Unternehmens auf das Klima wirkt“, erläutert die Expertin.

Schätzmodelle sorgen für mehr Sicherheit

Doch stellt sich für Anleger auch die Frage, wie verlässlich diese Daten sind. In der Regel kommen sie von Anbietern wie Sustainalytics, MSCI oder ISS ESG. Diese wiederum greifen häufig direkt auf die von den Unternehmen selbst publizierten Daten zurück. Dies beinhaltet aktuell alle Emissionen, die in einer Firma selbst entstehen, sowie die Emissionen, die auf die zugekaufte Energie zurückzuführen sind, die sogenannten Scope-1- und Scope-2-Emissionen. Die in den Lieferketten, und zwar sowohl vor- als auch nachgelagert, entstehenden Emissionen werden aktuell nur teilweise oder überhaupt nicht erfasst, da deren Messung noch zu ungenau ist.

„Zugleich haben die Datenanbieter eigene Schätzmodelle, die inzwischen sehr genau sind und bestehende Lücken im Reporting schließen können“, erläutert Paffen. Mit diesen Schätzmodellen wiederum lässt sich auch eine Plausibilitätsprüfung der publizierten Unternehmensdaten durchführen. „Stimmen diese veröffentlichten Daten so gar nicht mit den Schätzmodellen und den Daten anderer Firmen aus der Branche überein, dann greifen die Datenanbieter auf die eigenen, in der Regel realistischeren Werte zurück“, erklärt Paffen. „Und auf dieser Basis lässt sich dann die gewichtete durchschnittliche CO2-Intensität eines Portfolios sehr genau feststellen.“

Branchenvergleich entscheidend

Portfoliomanagerin Jennifer Paffen schließt dabei außer jenen Sektoren, die unter die ethischen Ausschlusskriterien wie Waffen, Glückspiel oder ähnliches fallen, grundsätzlich keine Branche auf Basis des Kohlenstoffausstoßes aus. „Allerdings investieren wir mit unseren Nachhaltigkeitsfonds nicht in Unternehmen aus dem Bereich der fossilen Brennstoffe“, erklärt sie weiter. Sonst aber ist der CO2-Ausstoß zunächst kein Grund dafür, nicht in eine Firma zu investieren. „Es gibt zum Beispiel Unternehmen aus dem Bereich der Abfallwiederaufbereitung. Sie haben naturgemäß hohe Emissionen, gleichzeitig leisten sie im Hinblick auf das Recycling einen so relevanten Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit, dass wir hier die höheren Emissionen in Kauf nehmen müssen.“

Auch hat es keinen Sinn, solche Unternehmen mit einem Finanzdienstleister oder einer IT-Firma zu vergleichen, weshalb der Branchendurchschnitt entscheidend ist. Ein weiterer Aspekt ist der Entwicklungspfad, auf dem sich eine Firma befindet. „Wir berücksichtigen dabei, welche Ziele ein Unternehmen ausgibt, also ob es beispielsweise anpeilt, bis zu einem gewissen Datum klimaneutral zu sein, und überprüfen laufend, ob es sich auf einem guten Weg dorthin befindet“, sagt Paffen. Entscheidend ist dann auf Portfolioebene der durchschnittliche CO2-Fußabdruck im Vergleich zur Kohlenstoffintensität des entsprechenden Vergleichsindex. „Und inwieweit das Portfolio dem Ziel des Pariser Abkommens entspricht“, so Paffens Fazit. „Denn letztlich ist es ja das Ziel, auch als Investor zumindest indirekt einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels zu leisten.“ 

 

Dieser Artikel ist im Original auf CapInside erschienen.

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