Zum Seiteninhalt springen Zur Fußzeile springen

Grüne Coins

Text von Selma Schmitt
01.03.2022
Vermögen

Kryptowährungen sind in aller Munde, auch wegen ihres hohen Energieverbrauchs. Die neue Proof-of-Stake-Technologie könnte das Problem lösen – und einer neuen, nachhaltigeren Art virtueller Münzen den Weg ebnen.

Die erste dokumentierte Transaktion mit einer Kryptowährung fand im Mai 2010 statt. Damals kaufte der Informatiker Laszlo Hanyecz zwei Pizzen und zahlte dafür 10.000 Bitcoin. Seither ist viel passiert. Der Bitcoin erlebte 2017 seine erste rasante Wertsteigerung, Ende 2021 war ein Bitcoin rund 41.000 Euro wert. Hätte Hanyecz seine virtuellen Münzen gehalten, statt sie in Pizzen zu investieren, wären diese nun knapp 432 Millionen Euro wert.

Nicht nur der Bitcoin-Kurs hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht, auch andere Kryptowährungen machten große Kurssprünge. Mit ihrer steigenden Bekanntheit wurden auch kritische Stimmen immer lauter: Vor allem der gewaltige Energieverbrauch, der mit der bekanntesten Währung Bitcoin verbunden ist, sorgt für Kritik. Die digitale Währung verbrauchte allein im Jahr 2019 weltweit etwa 119 Terawattstunden Strom, belegt der „Bitcoin Electricity Consumption Index“ der Universität Cambridge – das ist mehr als die Niederlande im gleichen Jahr insgesamt konsumierten.

Verantwortlich dafür ist die Funktionsweise großer Kryptowährungen: Wann immer neue Daten auf der Blockchain, dem Grundgerüst aller virtuellen Coins, gespeichert werden, muss sie jemand aus der Krypto-Gemeinschaft validieren. Das sogenannte Proof-of-Work-System, das dabei zum Einsatz kommt, hat aber einen entscheidenden Nachteil. Weil viele Rechner gleichzeitig ähnliche Rechenoperationen ausführen, verbrauchen sie große Mengen Strom (siehe Infokasten).

Das soll die neuere Proof-of-Stake-Technologie nun ändern. Sie hat einen Weg gefunden, um Daten mit deutlich geringerer Umweltbelastung auf der Blockchain zu speichern. Bei Proof of Stake ist für das Validierungsverfahren nämlich deutlich weniger Rechenleistung nötig. Und das funktioniert so: Wer bereit ist, neue Informationen zu validieren, gibt dazu ein Gebot in der Kryptowährung ab, das für eine gewisse Zeit als Kaution hinterlegt wird. Anschließend bestimmt ein Algorithmus einen der Validatoren, der die Operation ausführen darf. Derjenige validiert dann die neuen Informationen auf der Blockchain und erhält als Belohnung einen gewissen Prozentsatz seines Gebots in Form der Kryptowährung ausbezahlt.

Durch das Bieterverfahren wird mit dem neuen System erheblich weniger Energie verbraucht als beim herkömmlichen Proof-of-Work-System. Der Nachhaltigkeitsvorteil ist einer der Gründe, warum „grüne“ Kryptowährung immer beliebter werden. Cardano zum Beispiel macht seit November 2020 große Kurssprünge. Der Preis der Währung hat sich seither etwa verzwölffacht. Selbst für etablierte Kryptowährungen wird das Proof-of-Stake-System inzwischen interessant. Die zweitgrößte Währung Ethereum will von ihrem Proof-of-Work-System auf die nachhaltigere Alternative umsteigen, um ihre Energiebilanz zu verbessern.

Trotz der offensichtlichen Vorteile des Proof-of-Stake-Systems ist die neue Technik nicht unumstritten. Der Grund: Die Wahrscheinlichkeit, eine Information validieren zu dürfen und die Belohnung zu erhalten, ist abhängig von der Höhe des Gebots. „Dadurch haben große Validatoren einen Vorteil, was dem Grundgedanken der Blockchain widerspricht“, sagt Wolfgang Prinz, Blockchain-Experte beim Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik. Die Community legt großen Wert darauf, dass die Währungen dezentral betrieben werden. Eine Machtkonzentration soll es nicht geben.

In den kommenden Jahren wird die Entwicklung rasant voranschreiten. Proof of Work und Proof of Stake sind längst nicht mehr nicht die einzigen Technologien, um eine Blockchain zu betreiben: Proof of Authority, Proof of Capacity und Proof of History – die Liste an alternativen Validierungsverfahren ist lang. Welche Validierungstechnologie sich durchsetzen wird, ist ungewiss. Der Vormarsch grünerer Kryptowährungen ist aber nicht aufzuhalten, ist Prinz überzeugt. „Viele Unternehmen wollen bereits nachhaltiger werden, deshalb können sie keine Blockchain-Anwendungen nutzen, die ihre ESG-Ziele durchkreuzen“, sagt der Experte. Und viele Anleger folgen diesem Beispiel inzwischen.

Wie die Blockchain und das Proof-of-Work-Verfahren funktionieren

Alle Kryptowährungen basieren auf der Blockchain-Technologie. Das ist eine Art digitale Datenbank, die Informationen aller Art in sogenannten Datenblöcken speichern kann. Ändert sich der Inhalt dieser Datenbank, findet also etwa eine Transaktion statt, kommt ein neuer Block zur Blockchain hinzu. Anschließend muss dieser neue Block validiert werden. Die erste Generation Kryptos, zu der auch der Bitcoin gehört, arbeitet dabei mit dem Proof-of-Work-System. Dabei bestätigen Computer die Richtigkeit einer Transaktion, indem sie mathematische Gleichungen lösen. Wer am schnellsten ist, darf den Block zur Blockchain hinzufügen und erhält eine Belohnung in Form der Kryptowährung – auf diesem Weg erweitert sich die Geldmenge einer Kryptowährung. Allerdings lassen sich die Gleichungen nur durch Ausprobieren lösen. Theoretisch haben also alle Teilnehmer eine Chance, erfolgreich zu sein. Die Wahrscheinlichkeit steigt aber mit der eingesetzten Rechenleistung, weshalb vor allem große Rechenzentren am Rennen teilnehmen. Am Ende gewinnt nur einer – der Rest geht leer aus und verschwendet Energie.

119 Terawattstunden
Stromverbrauch der Kryptowährung Bitcoin im Jahr 2019

42,7 Milliarden Euro
Gesamtwert der grünen Kryptowährung Cardano

Ähnliche Artikel