Investmentchancen: Was 2023 wichtig war, was 2024 wichtig wird
Das Jahr 2024 wird geopolitisch herausfordernd, die Zinspolitik sollte Investoren jedoch Rückenwind verschaffen: Im Interview spricht Chief Investment Strategist Steffen Kunkel über die Entwicklungen am Kapitalmarkt 2023 und gibt einen Ausblick auf die zu erwartenden Entwicklungen in 2024.
Herr Kunkel, welches Fazit ziehen Sie für das Jahr 2023?
Steffen Kunkel: 2023 war geldpolitisch vor allem ein Jahr der weiteren Zinsanhebungen. Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die US-amerikanische Notenbank Fed haben den jeweiligen Leitzins bis in den Spätsommer hinein immer wieder angehoben, aktuell liegt er im Euroraum bei 4,5 Prozent. Wir gehen nun aber von einem Hochpunkt aus und rechnen im Jahr 2024 mit fallenden Zinsen.
Welche Auswirkungen hatten diese Entwicklungen auf die Renditen am Anleihemarkt?
Getrieben von dieser Geldpolitik sind 2023 die Renditen am Anleihemarkt bis in den Oktober hinein weiter stiegen. Nehmen Sie zehnjährige Bundesanleihen: Sie lagen zu Jahresbeginn bei zwei Prozent und notierten in der Spitze bei drei Prozent. Das sind langjährige Höchststände, zuletzt notierten solche Papiere 2011 auf diesem Niveau. Angetrieben wurde die Entwicklung von den USA, wo die Renditen von 3,5 Prozent auf bis zu 5 Prozent stiegen. Das hat Licht- und Schattenseiten. Einerseits bietet das die Chance für sehr attraktive Neuanlagen. Andererseits bedeutet es weiterhin keine Wertaufholung in bestehenden Anlagen.
Wir haben bei der Rentenstrategie im Jahresverlauf festverzinsliche Wertpapiere hinzugekauft, insbesondere mit längeren Laufzeiten. Wir sehen historische Chancen für die vor uns liegenden Quartale, vor allem wenn die Zinsniveaus wieder zurückkommen. Und dafür gibt es durchaus Hinweise und Chancen. Man sollte also mit Blick auf 2024 die Anleihe ins Portfolio holen.
Die chinesische Wirtschaft bot 2023 ein weniger erfreuliches Bild. Woran lag das?
China erlebte 2023 ein Jahr der wirtschaftlichen Enttäuschung. Den Grund sehe ich, neben der von großer Zurückhaltung geprägten Binnennachfrage, in der schwelenden Immobilienkrise: 20 bis 30 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts steckt im Immobiliensektor. Aber der Immobilienmarkt ist von erheblichem Leerstand geprägt, die Preise fallen weiter. Große Immobilienentwickler wie Evergrande oder Country Garden, kämpfen um die Refinanzierung ihrer Schulden mit vorerst noch mäßigem Erfolg. Das hat Auswirkungen in einer Gesellschaft, die 60 Prozent ihres Vermögens in Immobilien investiert hat.
All das hatte auch Auswirkungen auf die chinesischen Börsen. Die Festlandsbörsen verloren seit Jahresbeginn circa zehn Prozent, der Hongkonger Aktienindex verlor 15 Prozent – während die westlichen Aktienmärkte einen recht positiven Verlauf nahmen.
Der DAX etwa liegt heute 17 Prozent höher als zu Jahresbeginn. Der breite US-amerikanische Aktienindex S&P 500 konnte 20 Prozent zulegen, die Technologiebörse Nasdaq gewann sogar 35 Prozent hinzu. War also Technologie der Renditetreiber auf den westlichen Aktienmärkten 2023?
Genau genommen war es eine Technologie: Alles, was mit Infrastruktur rund um Künstliche Intelligenz zu tun hat, war 2023 sehr gefragt. Davon profitierten auch Big-Tech-Unternehmen wie Amazon, Alphabet oder Microsoft, da sie über die großen Cloud-Computing-Infrastruktur verfügen, die notwendig ist, um KI-Modelle zu trainieren. Dementsprechend haben wir uns in der Sektorstrategie klar Richtung Informationstechnologie positioniert.
Mit welchem Ausblick gehen Sie ins Jahr 2024? Wie schätzen Sie zum Beispiel die Entwicklung der Inflation ein?
Die Inflation sollte weiter sinken und Ende 2024 näher bei zwei Prozent als bei drei Prozent notieren. Eine solche Entwicklung gäbe den Notenbanken Handlungsspielraum für eine Zinswende. Im Moment liegt die Inflation im Euroraum bei 2,4 Prozent und ist, seit ihrer Spitze im Oktober 2022 bei 10,6 Prozent, kontinuierlich gefallen. Wenn man sich anschaut, in welchen Sektoren die Inflation sich wie entwickelt hat, sieht man eine langsame Abkühlung in vielen Produkt-, Waren- und Dienstleistungsgruppen. Das sollte in der zweiten Jahreshälfte für erste Zinssenkungen sorgen. Für Aktien- und Rentenportfolios wären das sehr gute Nachrichten, da sie in diesem Umfeld vermutlich auf beiden Seiten profitieren sollten. Deshalb ist es mir so wichtig zu betonen, dass aus unserer Sicht ein insgesamt positiver Ausblick für gemischte Portfolios vorhanden ist.
Das ist allerdings auch von der Entwicklung in den Volkswirtschaften der USA und des Euroraums abhängig.
Absolut. Ich gehe zwar davon aus, dass die Volkswirtschaften sowohl in den USA als auch im Euroraum in den kommenden Monaten entschleunigen werden. Trotzdem rechne ich damit, dass wir eine richtige Rezession vermeiden können. Und damit sieht das heutige Bild ein gutes Stück besser aus als zum Beispiel noch vor einem halben Jahr. Wir haben bereits gute Erfolge bei der Inflationsbekämpfung erzielt. Gleichzeitig beobachten wir, dass die Arbeitsmärkte sehr robust sind. Das deutet auf eine weiche Landung für die Wirtschaft hin.
Wie schätzen Sie die politischen Entwicklungen für 2024 ein?
Es wird ein anspruchsvolles Jahr, was die politische und geopolitische Landkarte betrifft. Die internationalen Börsen verfolgen die weiteren Entwicklungen im Nahen Osten nach dem Überfall der Hamas auf Israel sehr genau. Wie immer in dieser Region, betrachten die Kapitalmärkte die Geschehnisse vor allem hinsichtlich ihres Einflusses auf die internationale Ölversorgung. Bleibt das Kriegsgeschehen auf den Gazastreifen begrenzt, beeinflusst es die Ölversorgung nicht merklich.
Und wenn nicht?
Alle Entwicklungen, die den Iran stärker in das Kriegsgeschehen hineinziehen würden, wären gefährlich. Der Iran hat in der Vergangenheit bereits mehrfach gezeigt, dass er weiß, wie man den Schiffsverkehr durch die Meerenge von Hormuz beeinflussen kann. Man muss bedenken: Durch diese Meerenge am Ausgang des Persischen Golfs werden mehr als ein Fünftel des weltweit gehandelten Öls transportiert.
Ein weiteres politisches Thema, das die internationale Aufmerksamkeit 2024 dominieren wird, ist die US-Präsidentschaftswahl Anfang November.
Eine Rückkehr Donald Trumps ist nicht auszuschließen. Im innerparteilichen Wettbewerb um die Kandidatur der Republikaner ist Trump seinem größten Rivalen, dem Governeur von Florida, Ron de Santis, aktuell weit enteilt und es fällt schwer zu glauben, dass ein anderer Kandidat nochmals an Trump heranreicht.
Was empfehlen Sie Anlegern vor diesem Hintergrund?
Bei der Vielzahl an Themen und Krisen, die einen immer wieder herausfordern, sollte man trotzdem die Ruhe bewahren. Ich gehe davon aus, dass es gerade aus der Zinspolitik durchaus Rückenwind für Aktionäre wie auch für festverzinsliche Kapitalanlagen geben dürfte. Gehen wir es also an.
Zur Person
Steffen Kunkel ist Chief Investment Strategist und Deputy CIO der Bethmann Bank. Neben Erfahrungen als Investmentstratege sammelte Kunkel auch Expertise in den Bereichen Portfolio- und Produktmanagement sowie Asset Allocation.
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