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Unternehmensübergabe: Schritt für Schritt zum Ziel

Text von Anne Hünninghaus
08.09.2025
Vermögen

Eine erfolgreiche Nachfolgeplanung braucht Zeit, klare Strukturen – und jede Menge Kommunikation. Wie Familienunternehmen den Generationenwechsel nachhaltig und sicher meistern, erläutern Britta Reinhardt und Michael Reuter vom gemeinnützigen Wiesbadener Institut für Nachfolge-Kultur.

Britta Reinhardt | © Kerstin Dropmann
Britta Reinhardt

Wiesbadener Institut für Nachfolge-Kultur / Bild: Kerstin Dropmann

Michael Reuter | © wink-ev.de
Michael Reuter

Wiesbadener Institut für Nachfolge-Kultur / Bild: wink-ev.de

„Die meisten kümmern sich zu spät darum“ – dieser Satz fällt im Gespräch mit Coach Britta Reinhardt und Personalberater Michael Reuter immer wieder. Die beiden sind Vorstände des gemeinnützigen Vereins Wiesbadener Instituts für Nachfolge-Kultur (WINK) e. V. Probleme gibt es vor allem dann, wenn das Thema auf die lange Bank geschoben wird. „Niemand möchte sich mit der eigenen Endlichkeit befassen“, sagt Reinhardt. Sie erlebt immer wieder, dass es plötzlich schnell gehen muss. Etwa, weil der Geschäftsführer eines Familienunternehmens in hohem Alter krank wird und die Übergabe der Firma in wenigen Monaten vonstattengehen muss. Doch unter Zeitdruck trifft man oft schlechte Entscheidungen. Im Idealfall läuft die Nachfolgeregelung in sechs Schritten ab:

1. Zehn Jahre vor der Übergabe: erste Überlegungen

„Idealerweise im Alter von 50 bis 55 Jahren sollten grundsätzliche Überlegungen angestellt werden“, rät Reuter: Welche Rolle möchte ich künftig einnehmen? Wie sieht meine Lebensplanung aus? Gibt es in der Familie potenzielle Nachfolger? Könnte alternativ eine bewährte Führungskraft aus der zweiten Reihe das Zepter übernehmen? Und: Sollten komplizierte Gesellschaftsstrukturen mit verschiedenen Untergesellschaften vereinfacht werden? „Das Vermögen bleibt oft im Unternehmen gebunden, was vor allem die Senior-Generation für ihre Altersvorsorge stark abhängig macht und die nachfolgende Generation unter finanziellen Druck setzt“, sagt Reinhardt. Eine wichtige Aufgabe ist es daher, frühzeitig Vermögen außerhalb der Firma aufzubauen. 

Ein weiterer Pluspunkt der frühen Planung: Unternehmerische Nachfolge kann oft steuerbegünstigt gestaltet werden, wenn bestimmte Schenkungsfristen eingehalten werden. Allerdings sieht das Gesetz heute vor, dass alle Kinder einen Anspruch auf einen vergleichbaren Erbwert haben, sodass oft auch eine bezahlte Übergabe in Betracht gezogen werden muss.

2. Sieben Jahre vorher: das Unternehmen auf dem Prüfstand

Jetzt rückt das Unternehmen in den Fokus: Ist das Geschäftsmodell zukunftsfähig? Michael Reuter warnt davor, Investitionen auszubremsen, nur weil die Ära des Seniors absehbar endet. Ziel muss es sein, ein zukunftssicheres Unternehmen ohne größeren Investitionsstau zu übergeben.
Ein wichtiger Punkt, der oft vergessen wird: „Unternehmer sollten schon jetzt attraktive Lebenspläne für die Zeit nach der Übergabe entwickeln, um nicht in ein emotionales Loch zu fallen“, sagt Reinhardt.

3. Fünf Jahre vorher: Nachfolgeoptionen konkretisieren

In dieser Phase werden die Gespräche mit dem potenziellen Nachfolger intensiver. „Man sollte aber immer einen Plan B haben“, betont Reinhardt – Lebenswege ändern sich, Interessen können sich verschieben. Reuter nennt ein Beispiel aus der Beratung: „In einem größeren Familienunternehmen war eigentlich die Tochter als Nachfolgerin nominiert. Doch nach einigen Konflikten sprang sie ab und es musste kurzfristig ein familienexterner Geschäftsführer eingesetzt werden.“

Bei einer Nachfolge innerhalb der Familie sollte zudem offen darüber gesprochen werden, ob etwa die Ehe- oder Lebenspartner der künftigen Inhaber ebenfalls Anteile erhalten oder – bei Eignung – eine Rolle im Unternehmen übernehmen können. „Ich kenne Fälle, da haben Unternehmer das Thema erst kurz vor der Hochzeit der Kinder aufgebracht und auf einem Ehevertrag bestanden – das birgt Zündstoff!“, sagt Reuter.

Ein weiterer Tipp der Experten: Für die Entwicklung der künftigen Nachfolge-Lösung ist es hilfreich, wenn gedanklich zwischen der Eigentumsnachfolge und der Führungsnachfolge unterschieden wird. Wer beides in einer Person vereinen möchte, schränkt die Optionen stark ein. Eine bewusste Trennung ermöglicht mehr Flexibilität, beispielsweise indem Familienmitglieder Gesellschafter bleiben, während familienexterne Führungskräfte die Geschäftsführung übernehmen.

 


Der "Walk of Change"

In der „Walk of Change”-App, entwickelt vom WINK mit wissenschaftlicher Begleitung, können abgebende und übernehmende Unternehmer zehn wichtige Fragen beantworten, die für den Erfolg ihrer Nachfolge von entscheidender Bedeutung sind.

Schaubild: Zur "Ganzheitlichen Nachfolge" in sechs Schritten / Bild: wink-ev.de | © wink-ev.de
Schaubild: Zur "Ganzheitlichen Nachfolge" in sechs Schritten
Foto: wink-ev.de

 

4. Fünf bis drei Jahre vorher: Nachfolger einbinden und gezielt entwickeln 

Sinnvoll ist es, wenn der Nachfolger zuvor drei bis fünf Jahre in anderen Unternehmen außerhalb des Familienunternehmens tätig ist, um eigene Erfahrungen sammeln, Kompetenzen entwickeln und Selbstvertrauen aufbauen zu können. „Drei Jahre vor der geplanten Übergabe macht der Einstieg ins eigene Unternehmen Sinn“, empfiehlt Reinhardt. 

5. Drei bis zwei Jahre vorher: Pläne für konkrete Übergabe und Visionen festschreiben

Jetzt wird der Übergabeprozess verbindlich. Es gilt, einen konkreten Übergabeplan zu entwickeln: Wer übernimmt welche Anteile? Wie werden Vermögenswerte übertragen? Auch im Operativen sollte ein Plan vorhanden sein: In welchen Etappen erfolgt die Einarbeitung? Die Experten raten zudem zu einer gemeinsamen, schriftlichen Vision für das Unternehmen. „Senior und Junior sollten sich gemeinsam zusammensetzen und schauen, ob ihre Zukunftspläne für das Unternehmen in eine ähnliche Richtung gehen“, sagt Reinhardt. Driften sie allzu sehr auseinander, ist Beratung durch einen neutralen Dritten gefragt. 

6. Im Jahr der Übergabe: Verantwortung übertragen und loslassen

Nun steht die finale Übertragung von Verantwortung und Anteilen an. Die Seniorgeneration sollte sich schrittweise zurückziehen und der neuen Führung Raum lassen, eigene Akzente zu setzen. Ein geordneter Rückzug ist für den Erfolg der Nachfolge ebenso wichtig wie die sorgfältige Vorbereitung. Berater Reuter empfiehlt eine symbolträchtige Geste, etwa eine Schlüsselübergabe auf einer Firmenfeier, um die Zäsur im Unternehmen nach außen und innen sichtbar zu machen.  

Neben Digitalisierung eignet sich Nachhaltigkeit hervorragend als erstes Verantwortungsfeld für die nächste Generation. „Die Themen sind crossfunktional – so kommt der Nachfolgende mit allen relevanten Bereichen und Personen im Unternehmen in Kontakt und kann Impulse setzen“, sagen die WINK-Vorstände. 

Idealerweise wissen beide Generationen nun genau, wie es weitergeht. „Wenn zum Beispiel festgeschrieben wurde, dass der Senior nun noch zwei Jahre im Beirat bleibt und sich dann komplett zurückzieht, ist das hilfreich“, sagt Reinhardt. Und rät zum Loslassen-Lernen: „Liebe Senior-Generation, bitte mischt Euch nicht zu sehr ein!“

51 Prozent
der Inhaber möchten das Unternehmen in die Hände eines Familienangehörigen legen.
Quelle: KfW

29 Prozent 
der Nachfolgeinteressierten unterschätzen die Anforderungen an eine Übernahme.
Quelle: DIHK

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