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Die Plastikpreneure

Text von Maria Kessen
10.01.2022
Unternehmen

Das Start-up plasticpreneur will Menschen dazu animieren, ihren Kunststoffmüll selbst wiederzuverwerten. Die österreichischen Entrepreneure haben Maschinen entwickelt, die aus Plastikmüll beispielsweise Zaunpfähle oder Dachrinnen machen – und so Stück für Stück die Welt verändern.

In Uganda entstehen Lineale und Rechenschieber aus kaputten Plastikschüsseln. In Frankreich sammeln Klimaschützer Plastikmüll am Strand und bauen daraus Surfboard-Finnen. Und auf den Galapagos-Inseln verkaufen Einheimische Plastiktiere als Schlüsselanhänger an Touristen. Sie alle nutzen die Maschinen des österreichischen Start-ups plasticpreneur.

Die Gründer Sören Lex, Raphaela Egger, Florian Mikl und Boris Rauter sind im Januar 2020 mit ihrem Unternehmen an den Start gegangen und haben sich ein großes Ziel gesetzt: „Wir wollen erreichen, dass Kunststoff nicht als Müll, sondern als Wertstoff gesehen wird“, sagt Gründer Lex. Plastik eigne sich optimal für die Kreislaufwirtschaft, „doch das Know-how zum Recycling fehlt“. Dieses Know-how wollen die Österreicher mit ihren Maschinen an den Mann beziehungsweise die Frau bringen.

Das Grundprinzip der Maschinen, die plasticpreneur unter der Marke Plasticpreneurs vertreibt, ist schnell erklärt: Der Granulator schreddert Plastikmüll wie Joghurtbecher in kleine Stückchen, 20 bis 30 Kilogramm schafft er pro Stunde. Der Extruder schmilzt den zerkleinerten Müll dann ein. Die Besitzer der Maschine können aus dem geschmolzenen Kunststoff entweder einen Plastikstrang formen, der weiterverarbeitet werden kann. Oder sie gießen den eingeschmolzenen Müll in eine neue Form – je nach Wunsch kann das eine Regenrinne, ein Zaunpfahl oder ein anderes Endprodukt sein. Zehn bis zwölf Kilogramm Plastik kann der Extruder pro Stunde verwerten. Es gibt aber auch eine Art Starter-Set mit geringerem Output im Programm: ein manuell betriebener Schredder, der wie eine Kaffeemühle funktioniert. Müll rein, kurbeln – und unten kommen kleine Stückchen raus.

Eigentlich hatten Lex und seine Gründerkollegen die Maschinen für den Globalen Süden geplant. Rund 70 Prozent der Kunden kommen jedoch aus Europa. Dazu zählen etwa Bildungseinrichtungen, Science Center und Künstler-Werkstätten. Auch der Automobilhersteller BMW kaufte die Maschinen des Start-ups und stellte sie auf der Internationalen Automobilausstellung IAA in seiner Erlebniswelt aus.

„Wir bedienen vier verschiedene Zielgruppen“, erklärt Lex. Erstens: die sogenannten Explorer, die sich für den Recyclingprozess interessieren. Sie wollen den Prozess erleben, die Maschine ist da gar nicht so wichtig. So wie das Kindermuseum in Nürnberg: Hier können Kinder einen leeren Joghurtbecher mitbringen – und die Maschine macht daraus einen Schlüsselanhänger. Zweite Zielgruppe: die Creators. Das sind vor allem Handwerker und Künstler, die sich mit dem ungewöhnlichen Material beschäftigen wollen. Drittens: die sogenannten Manufacturer – sie sitzen größtenteils im Globalen Süden. Dazu zählen unter anderem Unternehmen der Abfallwirtschaft, die Müll sammeln und weiterverkaufen. „Mit unseren Maschinen können sie die Wertschöpfung vertiefen, weil sie aus dem Müll Dinge kreieren können und diese dann weiterverkaufen“, sagt Lex. Die Organisation Ecobricks in Uganda beispielsweise hat jetzt zwei Einkommensströme: den Müll, den sie verkauft, und die Produkte, die sie aus dem Müll herstellt. Aus dieser Idee erwächst auch die vierte Zielgruppe, die Enabler. Das sind diejenigen, die dank der Maschinen neue Job- und Ausbildungsmöglichkeiten generieren. Also beispielsweise Abfallentsorger, die Menschen anstellen, damit diese aus dem Müll Schlüsselanhänger und Dachrinnen machen.

Rund 800.000 Euro Umsatz wollen die Österreicher im laufenden Jahr erwirtschaften. Seit dem Start im Januar 2020 haben sie schon Bestellungen an 400 Kunden in 55 Ländern ausgeliefert. Die Maschinen kosten zwischen 1.500 und 6.000 Euro – das Preismodell ist allerdings „Impact-abhängig“, wie Lex sagt. Das heißt: Kauft ein somalisches Dorf eine Maschine, bekommt es sie günstiger als wenn etwa eine große, internationale Organisation bestellt. Ab dem Jahr 2022 wollen die Gründer ihr Preismodell transparent aufstellen: „Wir planen ein monatliches Sozialkontingent, aus dem wir dann Projekte im Globalen Süden subventionieren“, sagt Lex. „Wir professionalisieren sukzessive unsere Strukturen, unter anderem Prozesse, Warenwirtschaft und Logistik.“ Durchwurschteln, wie Lex es nennt, funktioniere inzwischen nicht mehr.

Die Prognosen von plasticpreneur haben sich in den vergangenen 24 Monaten allerdings als wenig akkurat erwiesen. Im Jahr 2020 hatte das Start-up mit 200.000 Euro Jahresumsatz geplant, am Ende waren es 350.000 Euro. Für das Jahr 2021 nahm sich das Unternehmen die Halbe-Million-Marke vor – auch diesen Betrag wird es weit übertreffen. Denn während die Coronakrise vielen Branchen zu schaffen machte, nahm das Geschäft von plasticpreneur erst richtig an Fahrt auf: Die Gründer entwarfen eine Spritzgussform, mit der man die Kopfteile von Schutzvisieren gießen kann – und fanden weltweit Abnehmer. Kunden des Start-ups haben bereits rund 250.000 Kopfteile gegossen.

8,3 Milliarden Tonnen
Gewicht des Kunststoffs, der zwischen 1950 und 2015 weltweit produziert wurde. Das entspricht mehr als einer Tonne Plastik pro Kopf.
Quelle: Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung

15,6 Prozent
Recyclingquote von Kunststoffabfällen in Deutschland im Jahr 2017
Quelle: Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung

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