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Bornholm Energy Island: Leuchtturmprojekt der Energiewende

Text von Sina Hoffmann
14.08.2025
Unternehmen

Auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm entsteht die erste Energieinsel Europas: Drei Windparks sollen grünen Strom grenzübergreifend an deutsche und dänische Haushalte verteilen. Doch ungeklärte Finanzierungs- und Haftungsfragen bremsen das Projekt aus. Können Energieinseln trotzdem den Weg für die europäische Energiewende ebnen?

Angriffe auf Pipelines, Stromausfälle in Südeuropa und Gasimporte aus Russland – die europäische Energieinfrastruktur steht zunehmend unter Druck. Knapp die Hälfte des europäischen Stroms stammt zwar bereits aus erneuerbaren Quellen, doch für eine erfolgreiche Energiewende reicht das nicht aus. Eine Schlüsselrolle könnten künftig sogenannte Energieinseln spielen: Auf ihnen bündeln Umspann- und Konverteranlagen Strom aus Offshore-Windparks und speisen ihn je nach Bedarf in die Netze mehrerer Länder gleichzeitig ein. Ein Pilotprojekt entsteht derzeit auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm.
Im Jahr 2020 gab das dänische Parlament gemeinsam mit Deutschland grünes Licht für das fünf Milliarden Euro teure Projekt. 

Der Plan: Bis 2030 sollen vor Bornholm drei Offshore-Windparks mit einer Leistung von insgesamt mehr als drei Gigawatt entstehen – genug Strom für bis zu 4,5 Millionen Haushalte. Zwei Konverterstationen auf der Insel – je eine für Deutschland und eine für Dänemark – wandeln den Strom aus den Windparks von Wechsel- in verlustärmeren Gleichstrom um. Seekabel am Meeresgrund transportieren die Energie dann weiter nach Mecklenburg-Vorpommern und ins dänische Seeland, wo er zurück in Wechselstrom umgewandelt und ins Netz eingespeist wird. Die Leistung der Kabel umfasst 2 Gigawatt für Deutschland und 1,2 Gigawatt für Dänemark. Außerdem kann eine Power-to-X-Anlage dazu kommen, die Windstrom in Wasserstoff umwandelt und so zusätzliche Flexibilität schafft.

Grüner Strom und schnellerer Strukturwandel

Das Konzept der Energieinseln klingt vielversprechend: Die gemeinsame Infrastruktur reduziert die Kosten und damit auch die Strompreise. Sie erhöhen die Versorgungssicherheit und ermöglichen durch die Erschließung neuer Flächen, Windkraft noch effizienter zu nutzen: „Wenn man einen neuen Windpark vor einen bestehenden setzt, entzieht der vordere Park dem Wind Energie. Einige bestehende Parks sind dadurch um 25 bis 30 Prozent weniger effizient“, erklärt Søren Møller Christensen, CEO von Baltic Energy Island, den sogenannten Schatteneffekt, der die Ausbeute eines Windparks dämpfen kann. Die Stiftung begleitet seit 2023 das Projekt auf Bornholm. „Mit Energieinseln können wir die Windparks weiter von der Küste entfernt platzieren, den Schatteneffekt vermeiden und so die Energieerzeugung effizienter gestalten.“

Wir achten stark darauf, wie die Insel direkt profitieren kann, etwa durch neue Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit oder Bildungs- und Innovationsprojekte.
Møller Christensen, CEO Energy Island Bornholm

Doch auch die Inseln selbst können profitieren: So werden auf Bornholm rund 900 neue Arbeitsplätze und 2.000 neue Bewohner erwartet. Ein starker wirtschaftlicher Schub – denn die Fischerei ist schon seit Jahren keine lohnende Einkommensquelle mehr und allein mit den Einnahmen aus dem Tourismus lässt sich der Strukturwandel nicht stemmen. Dennoch gibt es Kritik: Einige Anwohner fordern Ausgleichszahlungen für die Lärmbelästigung durch Bauarbeiten und sorgen sich um Natur und Lebensqualität. Um die Akzeptanz zu erhöhen, bezogen die Projektpartner die Einwohner von Anfang an über Workshops in ihre Planungen mit ein. Laut einer Umfrage unterstützen mittlerweile zwei Drittel der Bevölkerung das Projekt. „Wir achten stark darauf, wie die Insel direkt profitieren kann, etwa durch neue Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit oder Bildungs- und Innovationsprojekte“, sagt Møller Christensen. In Teilen der Bevölkerung auf dem Festland hingegen wächst die politische Sorge, Dänemark investiere vor allem, um Deutschland zu helfen, ohne selbst genügend zu profitieren.

Bornholm Energy Island: zwischen Aufbruch und Stillstand

Obwohl die Bornholm Energy Island viele Vorteile mit sich bringt, stoppte der dänische staatliche Netzbetreiber Energinet – und damit die dänische Regierung – die Bauarbeiten Anfang 2025. Zum einen wegen rechtlicher Unsicherheiten: „Es ist unklar, welches Land im Störungsfall die Verluste der Betreiber übernimmt“, erklärt Stefan Kapferer, Geschäftsführer von 50Hertz, dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber auf deutscher Seite. „Technisch ist das Projekt absolut machbar“, betont Kapferer. Leerrohre sind bereits verlegt und entsprechende Kabel bestellt.

Zum anderen sorgt die Kostenverteilung für Diskussionen, da sich das ursprünglich geplante Finanzierungsmodell als zu optimistisch erwiesen hat: Während sich die Übertragungsnetzbetreiber die Investitionen für Kabel und Konverter fair teilen, liegen die Kosten für die Windparks komplett auf dänischer Seite – obwohl erwartet wird, dass Deutschland den größeren Anteil an der Stromausbeute nutzen wird. Als die dänische Regierung drei Windparkflächen in der Nordsee im vergangenen Jahr ohne staatliche Zuschüsse ausschrieb, fanden sich keine Investoren. „Als die Politik den Bau der Energieinseln beschloss, war sie überzeugt, dass Offshore-Windparks keine Subventionen mehr brauchen, aber die Ausschreibung in der Nordsee hat gezeigt, dass dies nicht der Fall ist – aufgrund steigender Kosten für Finanzierung und Materialien“, so Møller Christensen.

Das Vorhaben ist komplex, da hier zwei nationale Gesetzgebungen und das EU-Recht hineinspielen.
Thorsten Schneiders, Leiter des Virtuellen Instituts Smart Energy an der Technischen Hochschule Köln

Nun soll ein neues Modell dem Projekt helfen: Die dänische Regierung will die Flächen in der Nordsee in Form von Differenzverträgen neu ausschreiben. Dafür sind staatliche Hilfen von 3,7 Milliarden Euro vorgesehen. Betreiber erhalten eine feste Vergütung und müssen nur bei höheren Gewinnen anteilige Rückzahlungen leisten. In Großbritannien hat sich dieses Modell bereits bewährt. Auch in Deutschland fordern viele in der Branche ein Umdenken – bisher erhält hier meist der Höchstbietende den Zuschlag. Dieser Ansatz könnte auch ein Vorbild für Bornholm sein.

Wegbereiter für die europäische Energiezukunft

Damit Bornholm Energy Island nicht scheitert, müssen sich die deutsche und dänische Regierung so schnell wie möglich einigen. Die Neuwahlen in Deutschland haben den Einigungsprozess jedoch zusätzlich ausgebremst – die Gespräche konnten erst im Sommer dieses Jahres nach dem Amtsantritt der neuen Verantwortlichen fortgesetzt werden. „Das Vorhaben ist komplex, da hier zwei nationale Gesetzgebungen und das EU-Recht hineinspielen“, sagt Thorsten Schneiders, Leiter des Virtuellen Instituts Smart Energy an der Technischen Hochschule Köln. Aber gerade deshalb sei das Projekt so wertvoll: „An Pilotprojekten wie diesem lässt sich lernen, wie wir künftige Energieinseln schneller, kostengünstiger und verlässlicher realisieren können“, erklärt er. Auch die EU hat erkannt, wie wichtig das Projekt ist, und unterstützte es mit 645 Millionen Euro aus dem Programm Connecting Europe.

Denn das Potenzial für Offshore-Windparks ist groß und bisher weitgehend ungenutzt, wie die Studie Going like the Wind der Elia Group zeigt. Rund 500 Gigawatt Leistung könnten in Nord- und Ostsee, in der Irischen See und im Atlantik wirtschaftlich effizient erschlossen werden. Allein in der Ostsee ließe sich die Windleistung von derzeit 5 Gigawatt auf bis zu 93 Gigawatt steigern. Neben Bornholm wollen sich daher auch weitere Inseln wie Gotland, Åland und Saaremaa zu Energieinseln entwickeln. Dänemark plant zudem eine weitere, künstliche Energieinsel – die North Sea Energy Island – rund 100 Kilometer vor Jütland. Doch damit das Konzept der Energieinseln aufgeht und sie zu einem zentralen Baustein der europäischen Energiewende werden können, braucht es zunächst rechtliche, politische und finanzielle Klarheit.

31,5 Prozent
des Stroms aus erneuerbaren Energien in Deutschland stammte 2024 aus Windkraft.
Quelle: Statistisches Bundesamt

1.639 Offshore-Windenergieanlagen
mit einer Leistung von insgesamt mehr als neun Gigawatt sind in Deutschland in Betrieb.
Quelle: Windguard, Stand: Ende 2024

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