Die Verkehrswende liegt in der Luft
Science-Fiction wird serienreif: Ein Start-up aus Österreich baut elektrisch betriebene Kurzstreckenflieger und möchte damit den Verkehr in Großstädten entlasten. Schon bald könnten die Flugtaxis den Himmel bevölkern.
Morgens fahren wir zur Arbeit, nachmittags zum Einkaufen, dann holen wir die Kinder vom Schwimmkurs ab und abends geht es noch zu einem Konzert. Wir sind ständig unterwegs – und stehen daher auch ständig im Stau: zu viele Autos, zu viele Baustellen, zu marode Straßen. Laut einer Verkehrsstudie von Inrix verbrachten Autofahrer in Istanbul 2024 durchschnittlich 105 Stunden pro Jahr im Stau – so viel wie in keiner anderen Stadt. New York und Chicago folgen mit je 102 Stunden, Berlin liegt mit 58 Stunden auf Platz 33.
Ein möglicher Baustein zur Entlastung des Verkehrs: eVTOLs (electric Vertical Take-Off and Landing), elektrisch angetriebene Fluggeräte, die senkrecht starten und landen und sich vor allem für kurze Strecken eignen. „In der Luft gibt es keinen Stau und man muss keine neuen Straßen, Brücken oder Tunnel bauen – man braucht nur etwas Raum zum Landen“, sagt Ilkay Yavrucuk, Professor für Hubschraubertechnologie und VTOL an der TU München. In Istanbul könne man mit einem eVTOL in rund 15 Minuten von einem Ende der Stadt zum anderen gelangen, so der Experte.
Statt Stau auf der Straße: Lufttaxis für alle
Den Verkehr am Boden mit eVTOLs zu entlasten, ist das erklärte Ziel des 2019 gegründeten Salzburger Start-ups Flynow Aviation. Ein Flug soll dann nicht teurer sein als eine Taxifahrt oder ein Zugticket. „Unsere eVTOLs haben das Potenzial, ein ähnlich wichtiges Verkehrsmittel zu werden wie das Automobil im 20. Jahrhundert“, sagt Jürgen Greil, Gründer und Geschäftsführer von Flynow Aviation. Der Unternehmer bringt reichlich Erfahrung mit: Er arbeitete zuvor in der Automobilindustrie und war bei Opel, Porsche, BMW und Great Wall Motor in China tätig.
Seit fast zwei Jahren testet Flynow Aviation einen Prototypen des eCopters und bereitet gleichzeitig die Serienproduktion vor. Geplant sind drei Modelle: eine Cargo-Variante für Fracht bis 200 Kilogramm, ein Einsitzer und ein Zweisitzer. Alle basieren auf derselben Technik und benötigen keinen Piloten, nur die Kabine unterscheidet sich. Jede Ausführung nutzt eine 35-Kilowattstunden-Batterie mit rund 50 Kilometern Reichweite. Zwischen den Kurzflügen sollen Schnellladegeräte die Akkus wieder aufladen.
eCopter: sparsam, wartungsarm, aber nicht autonom
Die eCopter haben laut Greil ein Leergewicht von weniger als 400 Kilogramm. Damit senkt das Start-up den Materialeinsatz pro Person und zurückgelegtem Kilometer deutlich. Greil rechnet vor: „Pro Personenkilometer benötigen wir nur etwa ein Fünftel der Ressourcen im Vergleich zu einem Elektroauto, das bis zu zwei Tonnen wiegt – und in dem meist auch nur eine Person sitzt.“
Optisch ähneln die eCopter kleinen Hubschraubern, funktionieren aber nach einem anderen Prinzip: Statt auf eine komplexe Taumelscheibe, die bei herkömmlichen Hubschraubern den Anstellwinkel der Rotorblätter steuert, setzt das Unternehmen auf eine Kippkopfsteuerung. Sie lenkt das Fluggerät, indem sie den gesamten Rotor leicht neigt, statt die Rotorblätter einzeln zu verstellen. Der Rotorkopf inklusive Rotorblätter besteht aus nur 18 Teilen – bei klassischen Helikoptern sind es mehr als 100. Das macht den eCopter nicht nur weniger störanfällig, sondern auch wartungsärmer.
Der eCopter fliegt – ähnlich wie ein Autopilot im Flugzeug – automatisch eine vorab definierte Route ab. Eigene Entscheidungen trifft er dabei nicht. „Man kann sich das Prinzip vorstellen wie eine Seilbahn – nur ohne Seil und ohne Masten“, erklärt Greil. Ein digitales Schutzsystem sichert die Verbindung zwischen Fluggerät und Bodenstation ab und schützt vor Hacker-Angriffen. Was die Sicherheit betrifft, gibt VTOL-Experte Yavrucuk Entwarnung: „Die Luftfahrtbehörden verlangen, dass die Systeme genauso zuverlässig funktionieren wie beim Helikopter oder beim Flugzeug.“ Autonome Fortbewegung – wie beim Auto – ist zunächst nicht geplant. Yavrucuk: „Die Luftfahrtbehörden sind sehr streng und werden autonome Konzepte voraussichtlich nicht so bald zulassen.“
eVTOL für Stadt, Land und Industrie
Die Einsatzmöglichkeiten der bis zu 130 Kilometer pro Stunde schnellen eCopter sind vielfältig: Die Cargo-Version könnte abgelegene Orte wie Berghütten oder Inselhotels mit Lebensmitteln versorgen, medizinische Güter an entlegene Ziele bringen oder Erkundungsflüge zur Waldbrandprävention unternehmen. Innerhalb großer Industrieanlagen ließe sich mit ihnen Material effizient transportieren.
„Das eigentliche Ziel ist jedoch der bemannte Flug“, betont Yavrucuk. Allerdings liege die Hürde hier sehr hoch, da die Zulassung für den Personentransport komplexer sei als im Frachtbereich. Im Passagierbetrieb sollen künftig vor allem Menschen in urbanen Zentren, die häufig im Stadtverkehr feststecken, schnell, pünktlich und emissionsfrei an ihr Ziel kommen. Lärmbelastung müssen Anwohner dabei kaum fürchten. „Unsere eCopter fliegen mit 55 Dezibel und sind etwa so laut wie ein Geschirrspüler“, erläutert Greil. „In 150 Metern Höhe sind sie vom Boden aus kaum zu hören und so klein wie ein Spatz.“
eCopter-Premiere in Riad?
2024 hat Flynow Aviation eine Zweigstelle in Saudi Arabien gegründet – dort könnten die eCopter erstmals offiziell abheben. In Städten wie Riad verlieren viele Menschen täglich Stunden im Stau und sind auf der Suche nach Lösungen. Die junge Bevölkerung zeige sich technikbegeistert und auch die Behörden begegnen neuen Konzepten laut Greil mit großer Offenheit.
Im Jahr 2030 findet in Riad die Expo statt. Die Hoffnung der Veranstalter: Fluggeräte bringen Besucher in nur wenigen Minuten über das Messegelände. Ein Wunsch, der Realität werden könnte. „Wir rechnen damit, dass unsere Cargo-Version Ende 2027 oder Anfang 2028 in den regulären Betrieb startet“, sagt Greil. „Etwa anderthalb bis zwei Jahre später soll die Passagiervariante folgen.“
1.119 Ideen
rund um eVTOLs listet das World eVTOL Aircraft Directory auf.
Quelle: www.evtol.news
750 Milliarden Euro
betragen die jährlichen gesamtwirtschaftlichen Folgekosten des Straßenverkehrs in der EU.
Quelle: Sustainable Transport Infrastructure Charging and Internalisation of Transport Externalities

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