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Freie Sicht auf die Erde

Text von Klara Walk
01.04.2025
Unternehmen

Umweltbeobachtung mit Hilfe unbemannter Fluggeräte aus einer Höhe von 20 Kilometern ist weniger aufwendig als ein Satellitenstart, aber technisch noch lange kein leichtes Unterfangen. Private Unternehmen wie Sceye und Forschungseinrichtungen, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, arbeiten an Lösungen.

Egal ob es um den Überblick über Waldbrände, um Emissionsmessungen oder um die Beobachtung großer Eisflächen geht: Flugzeuge, Drohnen und Satelliten sind in der Umweltbeobachtung schon lange nützliche Helfer. Sie können aber entweder nur relativ kurze Zeit in der Luft bleiben, lediglich ein vergleichsweise kleines Gebiet überblicken oder sind – das gilt insbesondere für Satelliten – sehr teuer. Entwickler arbeiten deshalb an einer Kombination aus Flugzeug, Drohne und Satellit: Sogenannte High-Altitude Platforms, kurz HAPs, können in der Umweltbeobachtung wertvolle Dienste leisten. Und das aus 20 Kilometern Höhe, wo sie weder Flugzeugen noch Satelliten in die Quere kommen. 

HAP-Varianten: Geflügelt oder gasgefüllt

HAPs sind unbemannte technische Plattformen, die mit eigenem Antrieb und autarkem Energiesystem, meist auf Basis von Solarenergie, ausgestattet sind. Sie sollen grundsätzlich mehrere Tage, Wochen oder gar Monate in der Stratosphäre operieren können. An Bord haben die Plattformen zum Beispiel Geräte, die der Herstellung von Kommunikationsnetzen dienen – etwa Mobilfunkantennen. Sie können aber auch Sensoren zur Messung von Gasen oder hochauflösende Kameras tragen.

Ein HAP-System wie unseres zu bauen, kostet weniger als zehn Millionen US-Dollar.
Mikkel Vestergaard Frandsen, CEO Sceye

Mehrere kommerzielle Hersteller arbeiten mittlerweile an solchen Plattformen. Eines davon ist das US-Unternehmen Sceye. „Ein HAP-System wie unseres zu bauen, kostet weniger als zehn Millionen US-Dollar. Das ist etwa zehnmal günstiger als bei alternativen Herstellern“, sagt Sceye-CEO Mikkel Vestergaard Frandsen. Zum Vergleich: Die Investitionssumme für den Bau eines mittelgroßen Forschungssatelliten schätzen Experten auf bis zu 50 Millionen Euro. Doch die niedrigeren Kosten seien nicht einmal der größte Vorteil: „Unser HAP-System kann Dinge, die Satelliten nicht können – weil Sceye einen Ort ansteuern und exakt dort bleiben kann, über längere Zeit, in großer Höhe“, erklärt Frandsen, der 2014 das Luft- und Raumfahrtunternehmen gründete. 

Wegen der zigarrenförmigen Hülle erinnert Sceye an ein Luftschiff, ist aber keines, darauf besteht Frandsen. Zwar sorgt auch hier eine mit Helium gefüllte Hülle für Auftrieb. Mit Hilfe eines Elektromotors lässt sich das Gefährt punktgenau steuern und dort stabil halten. Solarpanels und Batterien versorgen die Plattform mit Energie. Im August 2024 hat Sceye vom Flugfeld in Roswell/New Mexico aus erstmals einen Tag-Nacht-Flug absolviert, der länger als 24 Stunden dauerte. Ein Meilenstein, da dafür das Energiesystem über einen längeren Zeitraum autark arbeiten musste.

Mit der HAP schädlichen Emissionen auf der Spur

All das ist kein Selbstzweck. „Unser HAP-System bringt Kameras und Sensoren in die Stratosphäre, um einige der wichtigsten Herausforderungen der Menschheit zu bewältigen“, sagt Frandsen. So hilft Sceye etwa dabei, Waldbrände frühzeitig zu entdecken, bevor sie außer Kontrolle geraten, und unterstützt maritime Such- und Rettungsdienste – in 20 Kilometern Höhe hat man eben den Überblick. Außerdem arbeitet das Unternehmen unter anderem bei einem staatlichen Projekt zur Erkennung von Methanemissionen im US-Bundesstaat New Mexico mit. Die Messgeräte sollen Emissionen mit einer Granularität von weniger als einem Meter pro Pixel erkennen können. So kann Sceye die Emissionsquelle bis auf etwa einen Quadratmeter genau bestimmen und in Echtzeit messen, wie viel Methan austritt – ein wichtiges Instrument zur Erreichung von Klimazielen. 

Das Innovative an alldem sind aber weder Form noch Einsatzzweck, sondern das Material, aus dem Sceye besteht. Das Team hat eine UV- und ozonbeständige Hülle entwickelt, die Frandsens Angaben zufolge im Verhältnis zum Gewicht fünfmal stärker und gar 1.500-mal gasdichter als die nächstbeste Alternative ist. Die Lithium-Schwefel-Batterien sollen eine Energiedichte von 425 Wattstunden pro Kilogramm bieten. Zum Vergleich: Herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien weisen derzeit bestenfalls eine Energiedichte von etwa 300 Wattstunden pro Kilogramm auf. Dank einer besonderen Laminierungstechnik habe man zudem das Gewicht der Solarzellen um 53 Prozent reduziert, sagt Frandsen. 

Deutschland forscht am eigenen HAP

Diese Kombination aus UV-resistentem Material, leistungsfähigen Batterien und gewichtsreduzierten Solarzellen ist essenziell für den Erfolg einer rein solarbetriebenen HAP. „Da man in dieser Höhe nur begrenzt Energie zur Verfügung hat, muss man grundsätzlich mit allem sehr sparsam sein“, erklärt Florian Nikodem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das bedeutet bei Fluggeräten meist: so schwer wie nötig, so leicht wie möglich. 

Eine HAP muss leicht sein, aber robust genug, um die Turbulenzen des Jetstreams in acht bis zwölf Kilometern Höhe zu überstehen.
Florian Nikodem, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Seit 2018 arbeitet das DLR am Projekt HAP-alpha, in dem das DLR seine eigene HAP zu Forschungszwecken baut. Man entwickele und baue solche Plattformen und Sensorsysteme am Rande des technisch Machbaren, liest man dazu von offizieller Seite beim DLR. Nikodem erklärt, was die Forschenden damit meinen, und zählt auf: „Eine HAP muss leicht sein, aber robust genug, um die Turbulenzen des Jetstreams in acht bis zwölf Kilometern Höhe zu überstehen. Sie muss manövrierfähig und energiesparend sein, sollte aber möglichst viel Nutzlast tragen können. Zum Gesamtsystem gehört auch die Kontrollstation am Boden– alles das will koordiniert werden.“ 

Solche Fragen lotet das DLR ganz praktisch mit einem Demonstrator aus: ein unbemanntes Solarflugzeug, das bei 27 Metern Spannweite gerade einmal 138 Kilogramm wiegt. Im Sommer 2025 soll der HAP-alpha zum ersten Mal abheben, eine Flughöhe von etwa 500 Metern erreichen und am Nationalen Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme des DLR in Cochstedt, Sachsen-Anhalt, fliegen. In den nächsten Jahren sollen Stratosphärenflüge folgen.

Nikodem zufolge ist das DLR damit in Europa aktuell die einzige Großforschungseinrichtung, die ein eigenes HAP-System entwickelt. Das Ziel: Wissen generieren und neue Technologien unter realen Bedingungen testen. Denn je nachdem, welches Ziel man verfolgt, bieten verschiedene Plattform-Designs verschiedene Vorteile. Solarfluggeräte wie HAP-alpha sind extrem flexibel, können aber nur eine Nutzlast von fünf bis zehn Kilogramm tragen. Modelle wie Sceye sind weniger flexibel, befördern jedoch deutlich mehr Nutzlast in die Höhe. Eines steht für Nikodem bereits fest: „Das eine, für alle Missionen perfekte HAP-System ist auch künftig unrealistisch.“ Für ihn und sein Team ist das ein Grund mehr, weiterzuforschen.

13.660 Satelliten
sind aktuell im All unterwegs.
Quelle: European Space Agency 

11.000 Sateliten 
davon sind noch funktionstüchtig.
Quelle: European Space Agency 

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