Glaabsbräu: Bier mit Wir-Gefühl
Es gibt ältere Brauereien und größere sowieso. In der traditionsreichen und konkurrenzintensiven Branche behauptet sich das kleine Familienunternehmen Glaabsbräu aus Hessen trotzdem. Inhaber Robert Glaab setzt auf regionale Verwurzelung und Bewährtes aus 280 Jahren Firmengeschichte.
Rund 130 Jahre nach seinem ersten Arbeitstag als Chef steht Ferdinand Glaab wieder für die Zukunft. Der Namensgeber der Brauerei Glaabsbräu in Seligenstadt in Südhessen ist auf fast allen Bierflaschen abgebildet: auf Hellem oder Dunklem, Weizen oder Radler, auf Pils oder Pale Ale. Nur auf dem Etikett des Kellerbiers mit Namen „1744“ ist der Herr mit dem stattlichen Schnauzer nicht zu sehen, denn das Gründungsjahr der Brauerei war weit vor seiner Zeit. Damals, vor 280 Jahren, bauten der Ratsherr Johannes Ruf und seine Frau Elisabeth das Brauhaus „Zum Römischen Kaiser“ in Seligenstadt und schufen so den Familienbetrieb, der heute in neunter Generation von Robert Glaab geführt wird.
„Unsere Brauerei hatte lange verschiedene Namen“, erzählt der Inhaber im früheren Filterkeller, wo eine kleine Ausstellung zur Firmengeschichte beginnt. In der damaligen rein männlichen Erbfolge trat entweder ein Sohn, Neffe oder Schwiegersohn die Nachfolge an, das Unternehmen wurde nach dem jeweiligen Chef benannt. „Mein Uropa Ferdinand war der Erste mit dem Namen Glaab.“ Der junge Brauer kam aus dem fränkischen Kronach nach Seligenstadt in den „Römischen Kaiser“ und heiratete schließlich Marie Wissel, die Tochter seines Arbeitgebers. Von 1891 an führte Ferdinand Glaab die Geschäfte und krempelte in der Folge die Firma um, wie es auf einer Infotafel heißt. Sein Ziel lautete demnach, „das beste Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot zu brauen“.
Die berühmte Vorschrift aus dem Jahr1516 sieht vor, dass nur Wasser, Hopfen und Malz als Zutaten ins Bier dürfen, später kam noch Hefe dazu. Welche Vielfalt an Geschmack sich daraus erzeugen lässt, wissen Bierfans in ganz Deutschland. Die Deutsche Zentrale für Tourismus wirbt weltweit mit dem Hinweis, dass hierzulande etwa 5.000 verschiedene Biersorten hergestellt werden. Man könnte mehr als 20 Jahre lang jeden Tag ein neues Bier aus deutschen Brauereien entdecken, ohne sich wiederholen zu müssen. – Deutscher Brauerbund (DBB)
Der Deutsche Brauerbund zählt anders und kommt auf circa 50 Sorten und mehr als 7.500 unterschiedliche Biermarken. Eine größere Auswahl gebe es in keinem anderen Land, schwärmt der Branchenverband. „Man könnte mehr als 20 Jahre lang jeden Tag ein neues Bier aus deutschen Brauereien entdecken, ohne sich wiederholen zu müssen.“
Regionalität statt bio
Was für die Kundschaft verlockend klingen mag, heißt für die Hersteller knallharte Konkurrenz. Den Wettstreit der rund 1.500 Brauereien in Deutschland sieht Robert Glaab wie einen ungleichen Boxkampf.
Ein Familienbetrieb könne sich nicht mit Branchen-Schwergewichten messen. „Wir müssen irgendwie außerhalb vom Ring gewinnen“, sagt er. Das funktioniere nur, „wenn wir uns als kleiner Anbieter in der Nische positionieren“. Der 59-Jährige, der das Unternehmen seit dem Jahr 2000 leitet, legt die Latte höher als seine Vorgänger: „Wir brauen heute besser, als es das Reinheitsgebotvorschreibt.“ Glaabsbräu stehe für „besondere Bier- und Rohstoffqualität“, dafür sorgten beispielsweise Braugerste, die größtenteils aus der Region stammt, oder Hefestämme aus eigener Zucht.
Anders als in der Branche üblich komme kein Hopfenextrakt, sondern naturbelassener Hopfen zum Einsatz, genau genommen 14 verschiedene Sorten. Chemische Stabilisierungsmittel, die am Ende des Brauprozesses wieder herausgefiltert werden, lehnt Glaab ebenso ab wie Farbebier, ein sehr dunkles Bier, das zum Schluss zugegeben wird und+ einem hellen Ausgangsprodukt mehr Farbe verleiht. „Was Bier nicht braucht, kommt nicht hinein“, lautet die Devise von Braumeister und Co-Geschäftsführer Julian Menner. Auch über Biobier hat Glaab nachgedacht, die Idee aber wieder verworfen. „Regionalität zählt heute stärker als bio.“
Um den eigenen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, baute der Inhaber im Jahr 2015 die Brauerei neu. Zwei Jahre später folgte der Relaunch der Marke samt schlichterem Flaschendesign und Etikett mit Uropa. Insgesamt investierte Glaabsbräu fast fünf Millionen Euro – bei einem jährlichen Umsatz von rund drei Millionen. In den schwarzen Zahlen ist das Unternehmen nach der „Riesen-Corona- Delle“ noch nicht ganz zurück. Auch Vorfahr Ferdinand steckte seinerzeit viel Geld in einen Neubau.
Neben einem gemalten Porträt des einstigen Chefs sind in der Ausstellung seine Pläne für ein neues Sud- und Kesselhaus zu sehen. Errichtet wurde es am Stadtrand. „Er ging als Erster in die Fläche raus. Das war damals ein großes Unterfangen“, sagt Robert Glaab. Heute befindet sich der Firmensitz noch immer an derselben Stelle, liegt aber längst mitten im Wohngebiet. Neben Nachteilen etwa beim Lkw-Verkehr bringt das einen wichtigen Vorteil mit sich: Nähe zur Kundschaft.
Bierbrauen als Erlebnisangebot
Offene Werkstore und Marketing rund um Brauprozess und Rohstoffeinsatz gehören ebenso zur Strategie wie das Qualitätsversprechen. Glaab, der nach dem BWL-Studium fünf Jahre im Vertrieb der Schokoladenmarke Milka gearbeitet hatte, bevor er in den heimischen Betrieb einstieg, formuliert das so: „Wir wollen das Brauen erlebbar machen.“ Bei einer Führung besichtigen die Gäste erst die Ausstellung zur Firmen- und Familiengeschichte im Keller, dann geht es durch einen Vorhang aus alten Malzsäcken in die moderne Halle mit Sudhaus und Tanks aus Edelstahl, wo es süßlich nach Malz riecht. Glaabsbräu sei die Seele der Stadt, lobte die frühere Bürgermeisterin von Seligenstadt einmal mit Blick auf die lokalen Unternehmen.
Wer will, darf ein paar Körnchen probieren, während ein professioneller Brauer und Mälzer mithilfe von Illustrationen an der Wand den Brauprozess erklärt. Unter Lampenschirmen in Form von Hopfendolden und an Fässern als Stehtischen probieren die Besucherinnen und Besucher schließlich das Bier. Zwischen 6.500 und 7.000 Menschen buchen jedes Jahr eine Tour.
Glaabsbräu sei die Seele der Stadt, lobte die frühere Bürgermeisterin von Seligenstadt einmal mit Blick auf die lokalen Unternehmen. Die familiengeführte Brauerei mitten in der Altstadt gehöre seit Jahrhunderten zur Stadtgemeinschaft. In vielen Lokalen stehen die Biere auf der Karte. Wenn es etwas zu feiern gibt, will Glaabsbräu nicht fehlen: Jedes Jahr schenkt die Firma gemeinsam mit einem regionalen Energieversorger 100 Vereinen jeweils 100 Liter Freibier für ein Fest.
Für die „Bierspende“ bewarben sich zuletzt rund 300 Vereine und Institutionen aus Stadt und Kreis Offenbach. Für den Seligenstädter „Wanderclub Edelweiß“, der 2024 sein 100-jähriges Bestehen feiert, braute Glaabsbräu sogar ein eigenes Jubiläumsbier.
Rund 15.000 Hektoliter im Jahr produziert der Familienbetrieb mit 16 Beschäftigten. Zum Vergleich: Branchenriesen wie Radeberger, Oettinger oder Paulaner kommen auf mehrere Millionen Hektoliter. Große wie kleine Brauereien stehen aber vor demselben Problem: Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch vor einem Jahrzehnt noch bei über 100 Litern, waren es 2023 weniger als 90. Auch alkoholfreie Biere und Biermischgetränke waren nach etlichen Boomjahren zuletzt weniger gefragt, auch wenn dieses Geschäft besser lief als das mit klassischen Sorten.
Weiter im Trend liegen Craftbiere, also aromaintensive Biere und Spezialitäten. Und neue Sorten sind laut Brauerbund nach wie vor angesagt: „Jede Woche kommt mindestens ein neues Bier auf den Markt.“
Neue Strategie in der Gastronomie
Auch Glaabsbräu beobachtet die Entwicklungen genau, hat längst Alkoholfreies, Radler, verschiedene Craftbiere und immer wieder neue Biere im Programm. „Wir können das brauen, was uns schmeckt“, sagt Glaab lachend. Zum Familienbetrieb gehörte lange das Malzgetränk „Vitamalz“, das einer seiner Vorfahren miterfunden hat. Die Kultmarke kam in den 1930er-Jahren auf den Markt und wurde damals als „Gesundheitsbier für Frauen, Kinder, Kraftfahrer und Abstinente“ beworben. Robert Glaab veräußerte Vitamalz. „Eine nationale Marke in einer regionalen Brauerei – das konnte ich nie kosteneffizient produzieren.“ Stattdessen konzentriert er sich auf traditionelle und moderne Biere. Neue Sorten mit neuen Rezepten ziehen neue, jüngere Kunden an, wie Glaab sagt. Er selbst mag am liebsten Pils, die meistgetrunkene Biersorte in Deutschland.
Um der Kundschaft die vielfältige Bierwelt näherzubringen und das Geschäft anzukurbeln, lässt Glaabsbräu eine alte, etwas aus der Mode gekommene Tradition der Braubranche wieder aufleben: das eigene Wirtshaus. Seit 2023 betreibt das Unternehmen selbst Lokale, ein Bistro und einen sogenannten Taproom, eine moderne Bierkneipe. Eine dritte Gaststätte, das Restaurant „Zum Römischen Kaiser“, wird noch umgebaut. Das Haus, in dem die Familienbrauerei 1744 ihren Anfang nahm, ist denkmalgeschützt und wird seit Jahren saniert. Aus Geschichte Zukunft zu machen, ist aufwendig, wie Glaab sagt. „Da muss noch ein bisschen Grips rein und ein Haufen Geld.“
Dieser Artikel ist zuerst in Character erschienen, dem Gesellschaftsmagazin der Bethmann Bank. Weitere Informationen zur aktuelen Ausgabe finden Sie auf unserer Webseite.
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