Ein Windrad für die Stadt
In Birmingham steht eine Windkraftanlage mit besonderen Eigenschaften: Das Design ist mithilfe eines KI-gestützten Prozesses so auf die topographischen Bedingungen vor Ort zugeschnitten, dass sie auch bei ungünstigen Windverhältnissen im Stadtgebiet Strom produzieren kann. Bekommt jetzt jede Stadt ein individuelles Windrad?
Wind weht kostenlos – aber es gibt nicht überall genug davon, um ihn zur Stromerzeugung zu nutzen, und er ist selten berechenbar. Insbesondere in Stadtgebieten sind die Windverhältnisse unterschiedlich: Durch die Häuserschluchten eng bebauter Innenstädte weht der Wind anders als auf breiten Alleen oder in Wohnsiedlungen. Stadtgebiete sind auch deshalb in der Regel ungeeignete Standorte für herkömmliche Windturbinen.
Für die britische Stadt Birmingham haben zwei ortsansässige Unternehmen nun gemeinsam eine Windkraftanlage entwickelt, die auch mit den schwierigen Windbedingungen der Großstadt klarkommen soll. Der Clou: Ihr Design ist mithilfe von KI individuell auf die Verhältnisse vor Ort zugeschnitten. Simulationen haben Entwicklerangaben zufolge ergeben, dass sie dort bis zu siebenmal effizienter arbeiten könnte als andere Windkraftanlagen.
Birmingham Blade – Windturbine oder Kunstinstallation?
Betrachter würden die Birmingham Blade genannte Anlage auf den ersten Blick nicht mit einer Windturbine in Verbindung bringen. Mit ihren vertikal aufgestellten, ungewöhnlich verdrehten und gewellten Flügeln aus Aluminium erinnert sie eher an ein Ausstellungsstück, das in einem Skulpturengarten stehen könnte. Sie sieht so besonders aus, weil sie nicht nur mit stadtraumspezifischen Turbulenzen, sondern auch mit schwachen Winden klarkommen muss: Rund 3,6 Meter pro Sekunde beträgt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit in Birmingham – das ist ungefähr so dynamisch wie eine gemütliche Spazierfahrt auf dem Fahrrad. Klassisch designte Windturbinen benötigen in der Regel deutlich mehr Wind, um wirtschaftlich zu arbeiten.
Windraddesign – vom Mixer zum Windrad
Die Idee, es trotzdem zu versuchen, hatten der Metallverarbeiter KwikFab und die Ingenieure von EvoPhase, einer Ausgründung der Universität Birmingham. Gemeinsam haben sie eine KI entwickelt, die in einem quasi evolutionären Prozess Geometrien erzeugt und weiterentwickelt. Dass sie mit dieser KI einmal Windturbinen designen würden, stand so nicht auf dem Plan, sagt Chemieingenieur Dominik Werner, Mitgründer von EvoPhase: „Wir haben uns mit der Frage beschäftigt, wie sich dank eines angepassten Anlagendesigns Stoffe effektiver und effizienter mischen lassen, zum Beispiel in der Pharmazie oder im Lebensmittelbereich." Aber: Eine KI, die Rührmaschinen für die Industrie optimiert, kann auch andere Formen optimieren.
Aus Knethaken mach also Windrad? Ja, denn für die KI ist das auch nur eine Design-Variante. „KI weiß nicht, wie ein Windrad auszusehen hat", sagt Werner, „und das ist der große Vorteil.“ Im Unterschied zum Menschen geht die Software Problemlösungen ergebnisoffen an. Ohne Limitierungen oder Vorgaben – nur auf Grundlage eingegebener Parameter wie etwa Windgeschwindigkeit am Standort oder Abmessungen von Gebäuden. Hinzu kam eine Prise einprogrammierter Zufall. So entstanden mitunter Geometrien, an die Menschen beim Stichwort Windrad sicher nicht denken würden: „Eines der Designs sah aus wie eine Blume“, erzählt Werner.
Mit einer Blume hat die tatsächliche Birmingham Blade keinerlei Ähnlichkeit. Stattdessen machte eine mehrflügelige, vertikale Konstruktion das Rennen um die optimale Form. Im Inneren der Flügel bilde sich eine Art Tornado, erklärt Werner. „Sehr verkürzt gesagt, drückt der Wind von vorne auf den Flügel, aber das Design sorgt dafür, dass auch auf der Flügelrückseite Druck entsteht und ihn nach vorne schiebt." Die Anlage befindet sich derzeit in der Testphase. Wie erfolgreich sie unter realen Bedingungen arbeitet, stehe erst Ende 2025 fest.
Windrad nach Maß
Das Design muss nicht nur effektiv und effizient arbeiten, sondern auch in Turbulenzen stabil und wirtschaftlich sein. Ob das gelingt, entscheidet letztlich ein Mensch. Was die Anlage kosten wird? „Einen Preis kann ich zum aktuellen Zeitpunkt nicht nennen“, sagt Werner. Seiner Aussage zufolge arbeitet EvoPhase aktuell mit mehreren Kommunen in Großbritannien und Irland zusammen. Jede Stadt muss mit unterschiedlichen Windparametern arbeiten. Topografie, Windgeschwindigkeit und Bebauung sind überall anders. Das bedeutet: Jede Stadt benötigt ein eigenes Design.
Deutsche Kommunen, Unternehmen oder Eigenheimbesitzer haben noch nicht angefragt. Auch hierzulande ist das Aufstellen von Kleinwindkraftanlagen auf privatem Gelände nicht grundsätzlich verboten, sehr kleine Anlagen kann man sogar einfach im Internet bestellen. Je nach Leistung und Abmessungen der Anlage müssen allerdings die Behörden vor Ort das Aufstellen genehmigen, und die Voraussetzungen dafür sind in Deutschland von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. „Eine Genehmigung brauchen wir auch in Birmingham“, sagt Werner: „Vielleicht geht es hier nur etwas schneller, weil viele Behörden digital arbeiten.“
KI-Design: Der Mensch bleibt verantwortlich
Holger Lange ist Professor für Windenergietechnik an der Hochschule Bremerhaven und zählt sich ausdrücklich zur Riege derjenigen, die der Nutzung von KI im Windrad-Design positiv gegenüberstehen. Zurückhaltend reagiert er aber auf Fachleute, die in KI-gestylten, individuellen Windturbinen nun ein kurzfristig verfügbares Wundermittel sehen wollen: „Technische Anlagen wie eine Windturbine für einen bestimmten Standort zu designen oder zu optimieren, ist etwas fundamental anderes als mal eben ein PDF zusammenfassen zu lassen.“ Das gelte insbesondere für Anlagen im Megawatt-Bereich. Aber auch individuelle Kleinwindkraftanlagen im Kilowattbereich dürfen nicht bei der nächsten Turbulenz in Einzelteilen oder komplett vom Dach geweht werden.
Dass wir uns in Deutschland demnächst alle online ein Windrad für den Vorgarten konfigurieren, sieht Lange eher nicht. Das Potenzial deshalb ungenutzt zu lassen, fände er jedoch widersinnig: „Ich plädiere für Offenheit. KI-Design kann langwierige Prozesse ohne Qualitätsverluste beschleunigen. Wenn Windenergie so breiter verfügbar wird, super. Aber am Ende muss immer ein Mensch entscheiden.“ Ein Mensch mit Expertise – und persönlicher Verantwortung.
27,7 Prozent
betrug der Anteil der Windkraft an der Bruttostromerzeugung in Deutschland 2024.
Quelle: Statistisches Bundesamt
10.000 Euro
pro Kilowatt Leistung kostet eine private Kleinwindkraftanlage in Deutschland (bis zu).
Quelle: Berechnung Patrick Jüttemann, klein-windkraftanlagen.com

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