Zum Seiteninhalt springen Zur Fußzeile springen

Die elegante Alternative fürs Dach

Text von Maria Kessen
16.12.2022
Nachhaltigkeit

Steigende Energiepreise und Klimaneutralität sind gute Argumente für eine Solaranlage. Aber nicht jeder Hausbesitzer kann oder darf Photovoltaikmodule auf seinem Dach montieren. Solardachziegel sind eine interessante Alternative.

Mehr als zwei Millionen Dächer sind in Deutschland inzwischen mit einer Photovoltaikanlage ausgerüstet. Allein im Jahr 2021 speisten sie 45,2 Milliarden Kilowattstunden Strom ins Netz ein. Das sind mehr als acht Prozent der gesamten Stromerzeugung in Deutschland. Damit sind die kleinen Kraftwerke auf dem Dach auf dem besten Weg, die konventionellen Energiequellen Erdgas oder Kernenergie im Energiemix-Ranking abzulösen, die 2021 jeweils etwas mehr als 65 Milliarden Kilowattstunden Strom lieferten.

Die Argumente, die für eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) sprechen, liegen auf der Hand: Solarstrom ist klimafreundlich, fast immer verfügbar und sorgt beim Immobilienbesitzer für ein gutes Gewissen. Aber es gibt auch Gründe, die gegen die Installation von Solarmodulen sprechen. Zum einen empfinden viele die großen Anlagen auf dem Dach als störend. Darüber hinaus kann es administrative, rechtliche oder bautechnische Probleme geben. So erhalten Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden oft keine Genehmigung der zuständigen Behörde für einen Aufbau. Und drittens kann die Installation bei stark verwinkelten oder kleineren Dachstühlen eine kaum lösbare Herausforderung darstellen. Kein Wunder also, dass sich immer häufiger eine Alternative zur Aufdach-Variante durchsetzt: Solardachziegel, mit denen sich ebenfalls nachhaltig Energie erzeugen lässt.

Die Idee, Solarmodule mit Dachziegeln zu kombinieren, gibt es seit vielen Jahren. Das erste Patent dafür meldete die Rieter-Werke Händle KG aus Konstanz bereits im Jahr 1992 an. Solardachpfannen funktionieren genauso wie ein Photovoltaikmodul: Sie absorbieren die Sonnenstrahlen und wandeln diese mithilfe eines Wechselrichters in Gleichstrom um. Anfangs waren die meisten Photovoltaikziegel jedoch so konzipiert, dass die Solarzellen auf den Ton aufgeklebt wurden.

Seit den 1990er-Jahren hat sich die Technik jedoch enorm weiterentwickelt. Moderne Solardachziegel werden aus Keramik, Schiefer oder Kunststoff hergestellt und haben Vertiefungen, in die die Solarzellen eingesetzt werden. Damit lassen sich PV-Pfannen nahezu kaum von einer herkömmlichen Eindeckung unterscheiden und passen sich wie gewohnt dem Dach an. Die Optik und Form der Solardachziegel ist, je nach Anbieter, vielfältig und kann teilweise auf die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Grundsätzlich ist es möglich, die gesamte Fläche oder nur einen Teil davon mit Solarfunktion zu verlegen.

Viel getan hat sich auch in Sachen Preis: „Die Kosten für Solartechnik sind in den vergangenen Jahren drastisch gefallen, das begünstigt Produkte, die bisher eher Nischen bedienten“, sagt Professor Dr. Ulf Blieske vom Cologne Institute for Renewable Energy an der Technischen Hochschule Köln. Laut Branchenportal Gruenes.haus kosten Solardachziegel ab ungefähr 25 Euro pro Stück – je nach Größe, Beschaffenheit und Effizienz steigt der Preis.

Inzwischen haben sich mehrere Entwickler und Anbieter auf dem Markt etabliert. Einer von ihnen ist die Firma Autarq GmbH, die bereits im Jahr 2012 gegründet wurde. „Unsere Mission ist es, so viel Energie wie möglich auf Dächern zu gewinnen und dabei ihr Aussehen nicht zu verändern“, sagt Geschäftsführer Kai Buntrock. Für die modernen Tonziegel bezieht das Prenzlauer Unternehmen Rohlinge direkt vom Ziegelhersteller und liefert sie nach Bearbeitung als Solarziegel wieder aus. So kann im Prinzip jede Dachpfanne mit einer Solarzelle ausgestattet werden. Die notwendige Kabelinstallation, um die Ziegel miteinander und mit dem Wechselrichter zu verbinden, ist hinter der Dachhaut versteckt. Die aktuelle Leistung der roten Solardachziegel liegt bei acht Watt-Peak, die der schwarzen bei zehn Watt-Peak – pro Stück versteht sich. Nach Angaben von Autarq können Eigenheimbesitzer dank der Solardachziegel bei gleichzeitigem Einsatz eines Batteriespeichers etwa 70 Prozent des eigenen Stromverbrauchs decken.

Ein weiterer Entwickler von Solardachziegeln ist das Ingenieurbüro Paxos aus Langenfeld. Gemeinsam mit der Technischen Hochschule Köln entwickelte Geschäftsführer Peter Hakenberg eine Dachpfanne, die nicht aus Stein oder Ton gefertigt ist, sondern auf einem Baukastenprinzip beruht: ein hohler Ziegel, der aus einem Aluminiumgehäuse besteht. Das Solarmodul mit 15 Watt-Peak Nennleistung ist auf der Oberfläche zwischen zwei dünnen Glasschichten eingebettet. Der Deckel des Gehäuses lässt sich nach oben öffnen, darunter kommen die Kabel und Stecker zum Vorschein. „Ein Vorteil an den Solarziegeln ist, dass sie trittsicher und somit für den Dachdecker begehbar sind“, sagt Hakenberg. Ungefähr zehn Ziegel passen auf einen Quadratmeter, deren addierte Nennleistung dann 150 bis 165 Watt-Peak entspricht. Die Marken- und Patentrechte an der Solardachpfanne hat Paxos inzwischen an das Schweizer Unternehmen Meyer Burger verkauft, das nun die Produktion übernimmt. Nach Abschluss der laufenden Pilotphase ist die Markteinführung im zweiten Halbjahr 2023 geplant.

Das elegante Solarziegeldach hat allerdings auch seinen Preis. Eine herkömmliche PV-Anlage mit einer Nennleistung von acht Kilowatt-Peak kostet schlüsselfertig nach Angaben der Energieberatung der Verbraucherzentrale NRW in Lennestadt derzeit ungefähr 12.000 bis 15.000 Euro netto. Zum Vergleich: Wer sein Hausdach mit Solarpfannen eindecken will, muss für die gleiche Nennleistung ungefähr 20.000 Euro investieren. Hinzu kommt: Im Unterschied zu herkömmlichen Solarmodulen benötigen die vielen kleinen Dachziegel-Elemente auch mehr Verbindungen, was die Fehleranfälligkeit erhöht. Trotzdem ist das Marktpotenzial für die Ziegel-Variante nach Einschätzung von Autarq-Geschäftsführer Buntrock groß: „Allein in Deutschland liegt es bei circa. 250 Millionen Solardachziegeln pro Jahr.“

Egal, welche Photovoltaiklösung für Immobilienbesitzer eher in Betracht kommt: Stefan Hoffmann von der Energieberatung der Verbraucherzentrale NRW rät dazu, sich vor Auftragserteilung gut zu informieren. „Seit dem Anstieg der Energiekosten sind die Anschaffungspreise auch im PV-Bereich deutlich gestiegen“, so Hoffmann und ergänzt: „Da die Preise der einzelnen Anbieter stark voneinander abweichen können, raten wir dazu, stets mindestens drei Angebote pro Gewerk einzuholen.“

8,7 Prozent
Betrug der Anteil der Energie aus Photovoltaik am gesamten deutschen Strommix im Jahr 2021.
Quelle: Statistisches Bundesamt.

1958 Photovoltaikmodul
erfolgte der erste technische Einsatz: Es versorgte den Satelliten Vanguard 1 mit Strom.
Quelle: Statistisches Bundesamt.

Ähnliche Artikel