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Strom vom Baggersee

Text von Harald Henkel
24.05.2023
Nachhaltigkeit

Schwimmende Solaranlagen könnten ein wichtiger Baustein für die Energiewende sein. Doch noch bremsen gesetzliche Vorgaben hierzulande den Ausbau aus.

Die Messlatte liegt hoch: Will Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erreichen, müssen Photovoltaik-Anlagen bis dahin etwa 215 Gigawatt zum grünen Strommix beitragen. Doch gegenwärtig schaffen die bisher installierten Solarkraftwerke gerade einmal ein Drittel dieser Vorgabe. Zudem gilt: Bis 2040 soll sich die Photovoltaik-Leistung dann noch einmal auf 400 Gigawatt nahezu verdoppeln. Es zählt also jedes Modul!

Schwimmende Kraftwerke als Treiber der Energiewende

Um diese ehrgeizigen Ausbauziele zu erreichen, könnten schwimmende Solarkraftwerke, sogenannte Floating Photovoltaics (FPV), einen wichtigen Beitrag leisten. Sie werden auf künstlich entstandenen Oberflächengewässern wie Baggerseen, gefluteten Braunkohlegruben oder Stauseen errichtet. Im Vergleich zu ihren konventionellen Pendants an Land versprechen sie einige Vorteile: Freiflächen bleiben der Natur erhalten. Zudem sind sie effizienter, da das unterströmende Wasser die Betriebstemperatur der Module absenkt und so die Stromausbeute erhöht. Und schließlich mindern die Solarmodule die Erwärmung des Wassers bei hohen Lufttemperaturen und intensiver Sonneneinstrahlung, was wiederum die Verdunstung reduziert und den Lebensraum von Fischen sowie anderen Lebewesen schützt. Einer der größten Projektentwickler und Marktführer im Bereich schwimmende Solaranlagen in Deutschland und dem europäischen Raum ist die BayWa r. e. mit Sitz in München. Marc Krezer, Team Leader Project Development Germany, sieht in dieser Art der Energieerzeugung ein großes Potenzial: „Floating-PV könnte einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, ohne dabei mit anderen Flächennutzungen zu konkurrieren.“

Bürokratie bremst Potenziale aus

Würden nur zehn Prozent der geeigneten künstlichen Wasserflächen in Deutschland mit schwimmenden Kraftwerken bedeckt, liegt das Potenzial bei mehr als zwei Gigawatt Nennleistung. Etwa 725.000 deutsche Haushalte ließen sich so mit landneutralem Strom versorgen. Von diesen Möglichkeiten möchte künftig auch die Gemeinde Durmersheim, südwestlich von Karlsruhe gelegen, profitieren. Hier errichtet die BürgerEnergiegenossenschaft Durmersheim eG (BEG) gemeinsam mit dem Kieswerkbetreiber Wilhelm Stürmlinger & Söhne GmbH & Co. KG, der der See gehört, eine schwimmende Solaranlage mit einer Nennleistung von zwölf Megawatt. Damit wird die Anlage zwar einer der größten ihrer Art in Deutschland sein. Dennoch bleibt für Hartmut Oesten, Vorstand der BEG, ein Wermutstropfen: „Eigentlich wäre aufgrund der topografischen Gegebenheiten eine Leistung von 27 Megawatt möglich gewesen. Doch die aktuelle Rechtslage erlaubt nur eine Bedeckung von 15 Prozent der Wasseroberfläche.“

Zuvor hatte eine parteiübergreifende Initiative von Bürgermeister, Gemeinderat, Landrat, Regionalverband, Regierungspräsidium, Landtags- und Bundestagsabgeordneten sowie den Betreibern selbst versucht, eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen, sodass 30 Prozent der Wasseroberfläche für die FPV zur Verfügung stehen. Vergebens, denn die bestehende Gesetzgebung setzt eindeutige Grenzen. „Gleichwohl haben wir die Anlage auf den höheren Wert hin geplant – wir hatten gehofft, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen während der Bauphase noch zu unseren Gunsten verbessern und sich so auch die Wirtschaftlichkeit der Anlage deutlich erhöht“, so Oesten.

Die Niederlande zeigen, wie’s geht!

Solche Hemmnisse kennen Anlagenbetreiber aus den EU-Nachbarstaaten nicht, wie das Beispiel der Niederlande zeigt. Hier dürfen Betreiber 30 bis 40 Prozent der Gewässeroberfläche mit Solarmodulen bedecken. „Es wurden aber auch schon Projekte mit einer Bedeckung von 60 Prozent realisiert“, weiß Krezer. Eine der ersten Anlagen, die BayWa r.e. in den Niederlanden im Jahr 2020 in Betrieb nahm, schwimmt auf einem See nahe Bomhofsplas bei Zwolle. Hier sorgen 27,4 Megawatt installierte Leistung für eine Einsparung von mehr als 12.000 Tonnen CO2 im Jahr. Nur ein Jahr später nahm das Unternehmen in der Provinz Groningen sogar den bis heute größten schwimmenden Solarpark außerhalb Asiens in Betrieb, der es auf 41,4 Megawatt Nennleistung bringt und mehr als 12.000 Haushalte mit Strom versorgt. Damit Deutschland bei der weiteren Entwicklung der FPV-Technologie nicht ins Hintertreffen gerät, plädiert Krezer für eine Anpassung der entsprechenden Gesetze. Seine Forderung: „Es sollte keine pauschalen Vorschriften geben. Diese sollten vielmehr projektspezifisch mit den Behörden abgestimmt werden, denn jedes Gewässer und jedes Projekt ist anders.“

Wissenschaft: Keine negativen Auswirkungen auf Flora und Fauna

Doch was sind die Gründe für die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern deutlich restriktiveren Vorgaben und die Zurückhaltung der Investoren? Ralf Köpke vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW e.V., kennt die Antwort: „Um den Floating-PV-Sektor anzukurbeln, legte die niederländische Regierung ein Förderprogramm in Höhe von 1,97 Milliarden Euro auf, das auch Projektentwicklern schwimmender Solarkraftwerke zugutekam. So konnten in den Niederlanden größere Projekte im Megawattbereich auf künstlichen Binnenseen entstehen, während in Deutschland die ersten Pilotprojekte aufgrund einer Begrenzung im Erneuerbare-Energien-Gesetz eher unter der Megawatt-Grenze blieben.“ Bei ihrem Plan, Floating-PV-Anlagen auszubauen, dürfte sich die niederländische Regierung laut Köpke durch ein Gutachten der Hanze University of Applied Sciences Groningen bestärkt gefühlt haben. In diesem werden die Umweltauswirkungen von schwimmenden Solarparks untersucht. Erste Ergebnisse des mehrjährigen Forschungsvorhabens zeigen, dass schwimmende Solaranlagen keine negativen Auswirkungen auf Flora und Fauna haben.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Ergebnisse aus Groningen möglichst bald auch innerhalb der Bundesregierung herumsprechen. Doch die Anfang Mai von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellte Solar-Strategie macht diesbezüglich wenig Hoffnung. Zu den schwimmenden Solaranlagen heißt es dort lediglich: „Hier ist ein maßvolles Nachjustieren der Anforderungen aus dem Wasserhaushaltsgesetz auch in Deutschland notwendig, um mehr Projekte zu ermöglichen.“ Das klingt dann doch eher nach einem Schattendasein als noch einer strahlenden Zukunft.

2.650 Megawatt
Strom produzieren die Solaranlagen, die im ersten Quartal 2023 in Deutschland installiert wurden.
Quelle: Bundesnetzagentur

750 Seen
natürliche und künstliche in Deutschland haben eine Fläche, die größer als 50 Hektar – das entspricht 70 Fußballfeldern - ist.
Quelle: Umweltbundesamt

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