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Schwamm statt Beton

Text von Marie Welling
28.11.2023
Nachhaltigkeit

Lange Trockenphasen und starke Regenfälle stellen immer mehr Regionen vor Herausforderungen. Städte wie Berlin und Kopenhagen versuchen, das Problem zu lösen: Mit Arealen, die sich vollsaugen wie ein Schwamm. 

Monatelang regnet es nicht – dann auf einmal monsunartig: So könnte die Zukunft immer öfter aussehen. Forschende gehen davon aus, dass es durch den Klimawandel auch in Deutschland neben langanhaltenden Dürreperioden immer häufiger zu starken Regenfällen kommen wird. Gerade für Städte, in denen Beton und Asphalt den Großteil der Flächen versiegeln, ist das problematisch. Das Wasser kann nicht versickern und fließt in die Kanalisation, die an vielen Stellen überläuft. Weltweit setzen Großstädte daher auf das Schwammstadt-Konzept: Straßen, Plätze, Dächer und Parks werden so gestaltet, dass das Wasser langsam versickern kann oder für die spätere Nutzung gespeichert wird. Damit vermeiden sie nicht nur Überschwemmungen, sondern überbrücken mit dem gespeicherten Nass auch längere Dürreperioden.

Mit welchen Maßnahmen verschiedenste Städte Starkregen vorbeugen, sehen Sie in der Bildergalerie:

Der Tåsinge Plads ist das Pilotprojekt der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Aus dem ehemaligen Parkplatz wurde durch Beete und ein Becken ein Schwamm, der Wasser aus den Straßen und von den Hausdächern speichern kann.

In einem Berliner Neubaugebiet in Treptow-Köpenick fließt das Wasser von den umliegenden Häusern in ein großes Wasserbecken ab und wird dort gespeichert.

Auf der Hattinger Straße in Bochum fließt das Regenwasser zu einer Grünfläche in der Mitte der Straße ab. Dort wird es gereinigt, versickert in einem Zwischenspeicher und wird anschließend kontrolliert in den Marbach geleitet. Im Sommer kann das Wasser außerdem verdunsten.

Kopenhagens Wolkenbruchplan

In Europa gilt Kopenhagen als Vorzeigeschwammstadt. Doch das war nicht immer so. Der Moment des Erwachens kam für die dänische Hauptstadt im Jahr 2011, als innerhalb von zwei Stunden 150 Liter Regen pro Quadratmeter fielen. Das ist ungefähr so viel wie in eine Badewanne passt. Das Wasser flutete Straßen, Häuser und Plätze. Der Schaden: rund 1,2 Milliarden Euro. Die Kopenhagener erkannten, dass sie ein Problem mit ihrem Wassermanagement hatten und die Stadt beschloss zu handeln. Innerhalb von eineinhalb Jahren legten der Umweltingenieur Jan Rasmussen und sein Team den Skybrudsplan vor – den Wolkenbruchplan. Ihr Ziel: Die Stadt regenfest machen. Dächer und Fassaden wurden begrünt, Mulden und unterirdische Auffangbecken gebaut, Straßen abgesenkt, Tunnel und Rohre verlegt. Wenn es regnet, nehmen die Grünflächen und Reservoire nun das Wasser auf, ohne dass es in die Kanalisation gelangt. Die Stadt saugt sich voll wie ein Schwamm.

Pilotprojekt war der Umbau des Tåsinge Plads in einem Kopenhagener Wohngebiet. Zuvor war der Ort ein Parkplatz. Jetzt gedeiht dort ein Biotop aus Gräsern, Vogelbeerbäumen und Schwarzerlen. Die Parkplätze wurden an den Straßenrand verlegt. „Wir haben die Straßen so verändert, dass sie jetzt geneigt sind und das Regenwasser zu den Versickerungsbecken und Grünflächen fließt“, erklärt Rasmussen. „Dort kann es dann versickern oder wird unterirdisch gespeichert, so dass wir es auch zur Bewässerung der Pflanzen nutzen können.“ Insgesamt sind 254 Umbauprojekte Teil des Kopenhagener Wolkenbruchplans. Rasmussen schätzt die Gesamtkosten auf 1,9 Milliarden Euro.

Städte müssen klimaresilient werden

Doch nicht alle Städte haben ein Problem mit häufigem Starkregen. „Berlin hat das Thema natürlich auch auf der Agenda, aber hier ist besonders die langanhaltende Trockenheit herausfordernd“, sagt Grit Diesing von der Berliner Regenwasseragentur. Der Senat und die Berliner Wasserbetriebe gründeten die Agentur 2018, um Schwammstadt-Projekte und Initiativen zu vernetzen. Zwar gibt es in Berlin keinen Wolkenbruchplan, dafür aber den Stadtentwicklungsplan Klima 2.0. Der soll die Hauptstadt klimaresilient machen. Außerdem schreibt der Berliner Senat vor, dass bei jedem Neu- und Umbau das Regenwasser auf dem eigenen Grundstück versickern kann oder gespeichert wird. So befindet sich zum Beispiel im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick auf einem alten Industriegelände heute ein Neubaugebiet mit einem 6.000 Quadratmeter großen Wasserbecken. Um den Teich herum wachsen Büsche und Bäume und es gibt Sitzbänke. Über unterirdische Rohre fließt das Regenwasser von den umliegenden Gebäuden und dem Stadtplatz direkt in das Wasserbecken, wo es ein Filtersystem, Sumpfpflanzen und Gräser reinigen. Denn: „Wer Regenwasser sammelt, muss sich immer auch fragen, ob man das Wasser noch einmal behandeln muss, bevor man es nutzt oder versickern lässt“, erklärt Diesing.

Grünflächen für mehr Lebensqualität

Ein solches Wasserbecken ist nur eine von vielen Lösungen für ein Schwammareal, das helfen sollen, lang anhaltende Trockenperioden zu überbrücken. „Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für die Bewirtschaftung von Regenwasser vor Ort: Dach- und Fassadenbegrünung, Versickerungsanlagen, Entsiegelung beziehungsweise wasserdurchlässige Befestigungen“, sagt Diesing. Wichtig sei, dass man ganzheitlich denkt – auch über die eigene Grundstücksgrenze hinaus. Denn auf dem Nachbargrundstück gibt es vielleicht bessere Möglichkeiten, um das Regenwasser zu speichern oder zu nutzen.

Umweltingenieur Rasmussen empfiehlt außerdem, dass die Schwammstadt-Elemente nicht nur eine technische Lösung darstellen sollen, sondern den Stadtbewohnern auch eine höhere Lebensqualität bieten. „In Kopenhagen werden diese Elemente nur ein paar Stunden im Jahr gebraucht. Nämlich, wenn es sehr stark regnet“, sagt er. Den Rest der Zeit dienen sie zur Stadtbegrünung, sind Sportplatz oder Treffpunkt für die Menschen.

403 Liter
pro Quadratmeter regnete es in Berlin 2022.
Quelle: Deutscher Wetterdienst

2,7 Grad
wärmer war es in Deutschland 2022 im Vergleich zu den ersten Temperaturaufzeichnungen zwischen 1881 und 1910. 
Quelle: Umweltbundesamt

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