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Mit der Sand-Heizung durch den Winter

Text von Jennifer Spatz
25.11.2025
Nachhaltigkeit

Grüne Energie ist heutzutage ein Muss. Doch um von ihr auch nachts oder bei Windstille profitieren zu können, benötigen wir Speicher. Ein finnisches Startup setzt auf Sand und heizt damit bereits heute eine ganze Ortschaft. Die Technologie ließe sich auch auf Deutschland übertragen.

Wohnen ist nicht nur kostenintensiv, sondern kommt auch dem Klima teuer zu stehen: Rund 70 Prozent des CO2-Ausstoßes gehen allein auf das Heizen von Wohnimmobilien zurück, so das Statistische Bundesamt. Die Emissionen sind innerhalb von 20 Jahren zwar um zwölf Prozent gesunken. Der Sektor emittiert aber immer noch 147 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Um den Klimawandel zu verlangsamen, müssen Immobilienbesitzer, Kommunen und Städte unter anderem ihre Heizsysteme überdenken. Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. haben Gas und Öl ausgedient. Stattdessen ist der Anteil der Wärmepumpen stark gestiegen, auf Platz zwei liegt Fernwärme. Und auf Letzteres setzt auch ein finnisches Start-up. Allerdings mit einem ungewöhnlichen Medium zum Konservieren hoher Temperaturen: Sand.

Sand als optimaler Wärmespeicher

Auf die Idee, Sand als Hitzespeicher zu nutzen, kamen Tommi Eronen and Markku Ylönen während ihres Studiums. Die beiden Gründer des finnischen Start-ups Polar Night Energy nahmen an, dass in Zukunft vermehrt Solar- und Windenergie zur Verfügung stehen werde – und sich diese auch in Wärme mit mehreren Hundert Grad Temperatur umwandeln lasse. Doch was ist, wenn es wolkig ist und nur ein laues Lüftchen weht? Wie lässt sich grün erzeugte Wärme speichern? Gemeinsam kamen sie auf die Sandbatterie. 

Und die funktioniert so: Mithilfe von Strom erzeugt ihre Anlage Heißluft. Die strömt durch viele Rohre in ein Silo, das mit Sand gefüllt ist. Die Luft erhitzt die Rohre und die wiederum den Sand – auf bis zu 600 Grad. Zwischen 20 und 30 Heizzyklen durchläuft eine solche Sandbatterie idealerweise im Laufe eines Jahres. Sie lädt sich also nicht einmalig im Sommer auf und entlädt sich dann über den ganzen Winter hinweg. Das wäre nicht effizient und wirtschaftlich, sagt Juha Niemi, Sales Manager bei Polar Night Energy.

Sandbatterie als nachhaltige Wärmequelle

Welcher Sand ins Silo kommt, spiele keine Rolle. „Wir können einfach den Sand nehmen, der vor Ort verfügbar ist oder Rohstoffe aus der Kreislaufwirtschaft verwenden“, sagt Niemi. Damit ist ein wichtiges Kriterium erfüllt, wenn es um die Nachhaltigkeit der Anlage geht. 

Als mich Loviisan Lämpö gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, dass unser Ort mit einer Sandbatterie beheizt wird, habe ich keine Sekunde gezögert.
Antti Kuusela, Bürgermeister Pornainen

Ein weiterer Nachhaltigkeitsaspekt, den die Sandbatterie von Polar Night Energy erfüllt: Sie nutzt als Energiequelle überschüssigen Ökostrom aus Solar- und Windkraft, um den Sand zu erhitzen. Den Strom kaufen die Speicherbetreiber direkt an der Strombörse ein – zu besonders günstigen Preisen, wenn das Angebot gerade sehr groß ist. Übersteigt das Angebot die Nachfrage, kann es sogar zu Negativpreisen kommen. Die Betreiber der Batterie erhalten also Geld fürs Aufheizen des Sands. Und das passiert gar nicht mal so selten: In den ersten zehn Monaten des Jahres 2025 gab es in Finnland mehr als 400 Stunden, in denen Strom zu Preisen unter null Euro gehandelt wurde. In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum sogar 576 Stunden. 

Aufgrund der schwankenden Strompreise kann das Start-up keinen Durchschnittspreis für die mithilfe des Speichers erzeugte Wärme nennen. „Das hängt zu sehr vom einzelnen Standort und von den jeweiligen Marktpreisen ab“, sagt Niemi. Doch er ist sich sicher: „Dank der Flexibilität im Stromeinkauf ist unsere Methode am Ende günstiger als eine fossil betriebene Heizung.“ Sein Hauptargument: Negative Preise gibt es weder bei Öl noch bei Gas oder klassischen Stromheizungen wie Wärmepumpen. Details kann Niemi zu den Investitionskosten sagen: Die liegen je nach Größe des Speichers bei 10 Euro bis 40 Euro je Kilowattstunde Speichervermögen. Hinzu kommen jährliche Wartungskosten in Höhe von rund einem Prozent der Investitionen.

Klimaziele erreichen – dank Sandbatterie

Die geringen Kosten und das emissionsarme Heizen haben auch Loviisan Lämpö überzeugt – ein kommunales Heizunternehmen aus dem Süden Finnlands. Zu dessen Einzugsbereich gehört die kleine Gemeinde Pornainen, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Helsinki. Hier ist Antti Kuusela Bürgermeister. Er arbeitete bis 2008 für ein großes Privatunternehmen im Energiesektor und beschäftigte sich dort mit diversen Energieträgern. „Als mich Loviisan Lämpö gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, dass unser Ort mit einer Sandbatterie beheizt wird, habe ich keine Sekunde gezögert“, sagt Kuusela. Er ergänzt: „Wir brauchen dringend neue Lösungen im Energiesektor, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen – und daran müssen wir alle mitarbeiten, auch die kleinen Gemeinden.“

 

Tonziegel als Energiespeicher 

Das US-amerikanische Unternehmen Rondo produziert ebenfalls Hitzespeicher. Im Oktober 2025 ging die Rondo Heat Battery in Kalifornien ans Netz – laut Start-up der größte industrielle Hitzespeicher. Die Einheit kann 100 Megawattstunden speichern; das reicht, um 10.000 Haushalte zu versorgen.
Auch die Rondo-Batterie wandelt Strom in Hitze um. Ein Solarpark liefert den Strom direkt an den Speicher und heizt über Drähte im Innern Tonerdziegel auf rund 1.000 Grad Celsius. Die Ziegel sollen die Wärme so gut speichern, dass die Anlage eine Effektivität von 97 Prozent erreicht. 

Finnland hat sich nämlich vorgenommen bis 2035 klimaneutral und bis 2040 sogar CO2-negativ zu werden. Dazu trägt seit Juni 2025 nun auch die 13 Meter hohe und 15 Meter breite Sandbatterie in Pornainen bei. Sie steht am Waldrand, direkt neben einer Schule. Dort störe sie nicht, füge sich gut ins Gesamtbild ein und kann direkt in das Nahwärmenetz einspeisen, erklärt der Bürgermeister. Der Speicher liefert bis zu einem Megawatt Heizenergie und versorgt somit rund 400 Haushalte. Die Sandbatterie soll die jährlichen CO2-Äquivalentemissionen des lokalen Heizungsnetzes um rund 160 Tonnen reduzieren. Die gesamten Klimagasemissionen der Fernwärmeversorgung in Pornainen würden damit um fast 70 Prozent sinken. So hat es Polar Night Energy hochgerechnet.

Bürgermeister Kuusela ist zufrieden mit der neuen Wärmequelle. Schließlich beginnt die Heizperiode in Finnland schon im Oktober, bis zu minus 20 Grad kann es hier im Winter geben. Kuusela findet, dass mehr Energieunternehmen und Kommunen auf diese neue Art der Heizung setzen sollten. „Wir brauchen solche Innovationen im Kampf gegen den Klimawandel“, sagt er.

Bestehendes Nah- oder Fernwärmenetz nutzen

Polar Night Energy ist inzwischen weit über Finnlands Grenzen hinaus bekannt. Die meisten Anfragen erhält das Start-up aus Zentral-Europa, besonders aus Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz. „Unsere Sandbatterie ist überall einsetzbar“, sagt Niemi. Gedacht ist sie vor allem für industrielle Anwendungen, die Wärme brauchen. Oder für kleine Ortschaften wie Pornainen. „Für ein Mehrfamilienhaus oder einen Wohnblock ist die Anlage nicht geeignet, dafür sind die Investitionskosten zu hoch“, erklärt er. Am einfachsten ist der Speicher einzusetzen, wenn es schon ein bestehendes Nah- oder Fernwärmenetz gibt. Dann kann die Sandbatterie dort nämlich direkt Wärme einspeisen.

34 Prozent 
erneuerbare Energien und unvermeidbare Abwärme stecken in Deutschland in Fernwärme.
Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.

20 Prozent 
des bundesweiten CO2-Ausstoßes wird durch das Heizen von Gebäuden verursacht.
Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.

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