Mit Magneten auf Mikroplastik-Fang
Foto: Fionn Ferreira
Was wäre, wenn wir Mikroplastik schnell und einfach aus Flüssen und Meeren entfernen könnten? So, wie kleine Eisenspäne, die sich mit einem Magneten sammeln lassen … Fionn Ferreira hat eine magnetische Flüssigkeit entwickelt, mit der es funktionieren könnte. Fast 90 Prozent der Mikroplastikpartikel lassen sich so entfernen. Bis zum industriellen Einsatz seiner Idee hat der junge Ire aber noch einige Hindernisse zu nehmen.
Jährlich gelangen laut UN Environment Programme bis zu 23 Millionen Tonnen Plastikabfall in Flüsse, Seen und Meere – ein Großteil davon in Form von Mikroplastik, das kleiner als fünf Millimeter ist. Die winzigen Partikel sind kaum sichtbar, doch ihre Wirkung ist alles andere als harmlos: Sie reichern sich entlang der Nahrungsketten an, transportieren Schadstoffe und gelangen in Organismen und in den Menschen. In der Natur können sie großen Schaden anrichten, indem sie Stoffwechselprozesse in Ökosystemen stören und Biodiversität gefährden. Angesichts dieser allgegenwärtigen Belastung wächst der Bedarf an innovativen, praktikablen Methoden, Mikroplastik aus Gewässern zu entfernen. Der junge Forscher Fionn Ferreira aus Irland hat eine magnetische Flüssigkeit entwickelt und damit womöglich einen vielversprechenden Weg gefunden, das Problem zu lösen.
Mit Magnetkraft gegen Mikroplastik
Der 24-jährige wuchs an der irischen Westküste auf. Bei einem Spaziergang am Strand entdeckte er einen Fisch, dessen Magen voller winziger Plastikfragmente war. „Ich fragte mich: Warum gibt es keine Möglichkeit, Plastik aus dem Wasser zu entfernen, bevor es in die Nahrungskette gelangt?“, erinnert er sich. Aus der Frage wurde ein Forschungsprojekt: In seinem Elternhaus begann Ferreira zu experimentieren – mit einfachen Mitteln, alten Gläsern und Zutaten aus dem Haushalt. Schon bald kam ihm die Idee einer magnetischen Flüssigkeit, die Mikroplastik anzieht und mit einem Magneten wieder entfernt werden kann. „Mein Ziel war es, ein System zu entwickeln, das keine Schadstoffe hinterlässt und sich leicht herstellen lässt“, sagt er.
Gesagt, getan: Ferreira mischte Pflanzenöl mit feinem Magnetitpulver – einer natürlichen, ungiftigen Form von Eisenoxid. Es macht das Öl magnetisch. Magnetit ist weltweit verfügbar, günstig und umweltfreundlich. Eine zentrale Rolle bei seiner Idee spielen die Materialeigenschaften: Mikroplastik ist hydrophob, also wasserabweisend, genau wie Öl. Wenn die magnetische Flüssigkeit in verunreinigtes Wasser gegeben wird, haften die Plastikpartikel daran – fast wie Staub, der an Honig kleben bleibt. „Anschließend kann ein Magnet das gesamte Öl-Magnetit-Plastik-Gemisch herausziehen und das Wasser bleibt sauber zurück“, erklärt Ferreira.
„Der Prozess ist rein physikalisch, ganz ohne chemische Zusätze“, betont er. Die Mischung kann mehrfach verwendet und das Öl anschließend recycelt werden. Seine Versuche zeigen: Fast 90 Prozent der Partikel lassen sich so entfernen. Die Methode funktioniert in Süß- wie in Salzwasser gleichermaßen, da sich die chemischen Eigenschaften von Öl und Mikroplastik kaum unterscheiden. Lediglich die Technik muss angepasst werden: Salzhaltiges Wasser greift Metalle schneller an, weshalb Magnete, Pumpen und Leitungen aus besonders widerstandsfähigen Materialien bestehen müssen.
Mikroplastik-Magnet: viel Potenzial und viele offene Fragen
Professor Johannes Steinhaus ist Vizepräsident Forschung und Transfer sowie Professor für Materialwissenschaften an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er kennt das Problem Mikroplastik aus seinen eigenen Arbeiten. Während eines fünfwöchigen Forschungsaufenthalts 2023 in Frankreich sammelte er selbst Strandproben an der Atlantikküste und fand darin zahllose winzige Kunststoffpartikel. „Wenn man einmal gesehen hat, wie allgegenwärtig diese Teilchen sind, lässt einen das Thema nicht mehr los“, sagt er. Entsprechend aufmerksam verfolgt er Fionn Ferreiras Arbeit – und hält den Ansatz für spannend und zukunftsweisend. Dennoch sieht er im Einsatz in offenen Gewässern wie Flüssen und Meeren noch viele offene Fragen: Wie stabil ist das Verfahren bei Strömung? Was ist, wenn sich viele Sedimente und Biomasse im Wasser befinden? Und was passiert, wenn winzige Reste der magnetischen Flüssigkeit in die Umwelt und schlussendlich in pflanzliche und tierische Organismen oder sogar in den menschlichen Körper gelangen?
Für Steinhaus liegt die Stärke von Ferreiras Erfindung in der Kombination mit bestehenden Verfahren. „Es wird keine einzelne Technologie geben, die das Mikroplastikproblem löst“, sagt er. „Aber gemeinsam können verschiedene Methoden sehr effektiv sein.“ Besonders in Kläranlagen oder industriellen Kreisläufen sieht er großes Potenzial für Ferreiras Ansatz. In diesen geschlossenen Systemen und unter kontrollierten Bedingungen könnten Mikroplastikpartikel bereits aus dem Abwasser entfernt werden, bevor sie in Flüsse oder Meere gelangen. „Wenn sich das Verfahren dort bewährt, wäre das ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung der globalen Plastikverschmutzung“, so Steinhaus.
Weniger Plastik, mehr Vision
Fionn Ferreira ist sich der Grenzen seiner Erfindung bewusst: „Derzeit ist das Verfahren nicht für sehr unruhige Gewässer oder offene Meere geeignet. Das System benötigt eine gewisse Begrenzung, um die Flüssigkeit so rückstandslos wie möglich wieder einzufangen.“ Tatsächlich funktioniert seine magnetische Reinigung bislang in geschlossenen Systemen am besten, etwa in industriellen Wasserkreisläufen oder Aquarien. Der junge Ire arbeitet derzeit daran, den Prozess für kommunale Kläranlagen zu skalieren. Seine Vision: Die Technologie soll künftig zum Standard der Anlagen gehören.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist Ferreira gerade auf der Suche nach Kooperationspartnern und Geldgebern. Er führt zahlreiche Gespräche mit NGOs, Unternehmen und Forschungspartnern. Zwar ist die magnetische Flüssigkeit noch nicht kommerziell im Einsatz, doch erste Pilotprojekte mit Wasserwerken und wissenschaftlichen Instituten laufen bereits. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend – die Laboridee entwickelt sich langsam, aber stetig zu einer praktikablen Lösung im Kampf gegen Mikroplastik.
429 Tonnen
Mikroplastik (bis zu) transportiert der Rhein jedes Jahr in die Nordsee.
Quelle: Studie der Bundesanstalt für Gewässerkunde und der Universität Koblenz
0,01 Prozent
beträgt der maximal erlaubte Anteil absichtlich zugesetzten Mikroplastiks in Produkten seit Inkrafttreten des EU-Verbots im Oktober 2023.
Quelle: EU-Verordnung 2023/2055
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