Plastik – vom Acker auf unseren Teller?
In unseren Äckern befindet sich mehr Mikroplastik als im Wasser. Ist dies eine – noch – unterschätzte Gefahr für Pflanzen, Tiere und Menschen?
Rund 19.000 Tonnen Kunststoff gelangen in Deutschland jährlich in die Ackerböden. Dies dokumentiert die Studie „Kunststoffe in der Umwelt“ des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT. Mit einer Größe von maximal fünf Millimetern sind Mikroplastikpartikel mit bloßem Auge kaum erkennbar. Doch während Plastikmüll in den Meeren die Schlagzeilen beherrscht, verfolgen nur wenige Forscher dessen Auswirkungen auf dem Land. Kann Mikroplastik vom Acker in den Nutzpflanzen und damit in unserer Nahrungskette landen? Die Wissenschaft steht bei dieser Frage noch am Anfang ihrer Arbeit. Was aber bereits erforscht ist, sind die Verursacher: wir alle!
Umdenken in der Landwirtschaft nötig
Die Landwirtschaft kommt ohne Kunststoffe, vor allem als Verpackung, nicht aus. Abdeckfolien, Schutztunnel, Netze, Bindegarn, Saatgutumhüllungen oder Clips und Drähte als Pflanzhilfen hinterlassen ihre Spuren in Form von millimetergroßen Kunststoffteilchen. Noch mehr Mikroplastik enthalten aber Klärschlamm und Kompost. Diese in der Landwirtschaft eingesetzten Dünger sind oftmals mit Plastikpartikeln verunreinigt. Hier sehen die Fraunhofer-Forscher denn auch einen ersten Lösungsansatz: „Die größten Potenziale innerhalb der Landwirtschaft, um eine Verunreinigung durch Mikroplastik zu vermeiden, ergeben sich, wenn wir weniger Klärschlamm auf den Äckern verteilen und kunststoffumhüllte Düngemittel vermeiden“, sagt Wirtschafts-Ingenieur Dr. Till Zimmermann von Ökopol – Institut für Ökologie und Politik. Zahlreiche nationale und EU-weite Verordnungen sorgen für entsprechenden Druck.
Einigen Bauernverbänden gehen die gesetzlichen Vorgaben nicht weit genug. Der Anbauverband Bioland etwa setzt auf eigene, weiter reichende Prinzipien: „Bioland-Betriebe dürfen maximal fünf Prozent ihrer Anbauflächen mit Folie oder Vlies abdecken – dabei dürfen diese nur aus recycelbaren Kunststoffen wie Polyethylen oder Polypropylen bestehen“ erklärt Leon Mohr von Bioland e. V. Zudem nutzen Bioland-Bauern die Folien in der Regel mehrere Jahre lang und recyceln diese möglichst nach Gebrauch. Oder sie wählen gleich einen alternativen Schutz für ihre Pflanzen: „Im Erdbeeranbau zum Beispiel verzichten viele Bioland-Betriebe auf Verfrühungsfolien und mulchen stattdessen mit Stroh“, sagt Mohr.
Verkehr und Freizeit als Verursacher
Schuld an der hohen Belastung der Böden haben aber nicht nur die Landwirte und ihre Mittel zur Ertragssteigerung. Ein großer Anteil des Mikroplastiks in Äckern kommt buchstäblich von außen – zum Beispiel, wenn Plastikmüll achtlos am Wegesrand weggeworfen wird und der Wind ihn auf die Anbauflächen weht. Als eine der Hauptursachen für die Verunreinigung gilt jedoch der Abrieb von Reifen: Bis zu 160.000 Tonnen landen laut Umweltbundesamt jedes Jahr auf den Böden. Pkw-Reifen machen etwa 88 Prozent des Reifenabriebs aus, Lkw-Reifen acht Prozent, dazu kommen Abriebe von Fahrrädern, Motorrädern und anderen Vehikeln. Allein 20.000Tonnen landen alljährlich im Klärschlamm – und damit auf den Äckern. Und auch von Kunstrasenplätzen werden Unmengen an Mikroplastik aufgewirbelt: bis zu 11.000 Tonnen pro Jahr, so die Schätzungen der Wissenschaftler. Wenn nun all dies in landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen landet – was passiert dort mit den Kunststoffteilchen? Dazu forscht aktuell der Geowissenschaftler Dr. Collin J. Weber von der TU Darmstadt.
Pflanzen können Mikroplastik aufnehmen
„Es zeichnet sich deutlich ab, dass Kunststoffe sehr lange im Boden bleiben – messbar sind 30 bis 50 Jahre, doch es ist anzunehmen, dass der Zeitraum noch größer ist“, erklärt Weber. Das Material ist sehr widerstandsfähig und altert über die Jahre hinweg. „Im Boden werden Kunststoffe zum Beispiel beim Umpflügen sowie durch biogeochemische und mikrobielle Prozesse zerkleinert“, sagt Weber und ergänzt: „Das dadurch entstehende kleinste Mikroplastik oder Nanoplastik ist sehr mobil und es ist bereits erwiesen, dass Nutzpflanzen wie Mais, Salat, Gemüse und Weizen es aufnehmen.“ Allerdings kann die Herkunft von Mikroplastik in Lebensmitteln nicht eindeutig zugeordnet werden, da sich dieses auch im Grundwasser und in der Umgebungsluft befindet. „Die direkte Verbindung von Mikroplastik zur Nahrungskette ist deshalb noch nicht lückenlos nachweisbar“, beschreibt der Geowissenschaftler den aktuellen Stand der Forschungen.
Neben der Vermeidung von Plastik sieht Weber eine Lösungsmöglichkeit in der Wiederherstellung von sehr stark kontaminierten Flächen, zum Beispiel durch die Anpflanzung von Birken. Diese Bäume nehmen viel Mikroplastik auf. „Zudem brauchen wir Gesetze, die genau regeln, wie wir Plastikkontaminationen messen und ab wann eine Gefahr für Mensch und Umwelt besteht“, so Weber.
Negative Auswirkungen auf Schnecken und Fadenwürmer
Gesetzliche Vorgaben fordert auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU). „Bisherige Studien zu Mikroplastik in Böden bieten Anlass zur Sorge, wobei die Folgen und Risiken für Tiere und Pflanzen von zahlreichen Faktoren wie Bodenstruktur, Kunststofftyp und Partikelgröße abhängen“, sagt Katharina Istel, Referentin für Kreislaufwirtschaft & Ressourcenschonung beim NABU. Klar ist: „Größere Organismen wie Erdwürmer und Springschwänze können Mikroplastik aufnehmen und wieder ausscheiden.“ Konsumieren die Tiere große Mengen, kann dies ihre Vitalität schwächen, das Wachstum reduzieren, das Immunsystem beeinträchtigen und das Fortpflanzungsvermögen negativ beeinflussen. „Auch wenn die negativen Wirkungen von Mikroplastik auf Bodenorganismen nicht abschließend bekannt sind, sollten wir vorsorgen und den Plastikeintrag so weit wie möglich reduzieren“, so Istel. Der NABU fordert deshalb, Klärschlamm als Dünger vollständig zu verbieten. „Darüber hinaus müssen die Betriebsmittel in der Landwirtschaft, sofern möglich, auf abbaubare Materialien umgestellt werden“, fordert Istel.
19.000 Tonnen Kunststoff
landen in Deutschland jährlich in unseren Ackerböden.
Quelle: Fraunhofer UMSICHT
160.000 Tonnen
Reifenabrieb entstehen jedes Jahr in Deutschland – 40 Prozent davon wird auf Böden abgelagert.
Quelle: Umweltbundesamt
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