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Energie auf Pump

Text von Dominic Fernandez
14.12.2021
Nachhaltigkeit

Für eine erfolgreiche Energiewende reicht es nicht, saubere Energie zu erzeugen – sie muss sich auch effizient speichern lassen. Eine Fülle neuer und bewährter Technologien bieten sich als Lösung an. Sie nutzen Quarzsand, Schwungräder oder Wasserpumpen.

Um Ökostrom herzustellen, sind Sonne und Wind wichtig. Wann, wo und wie viel davon die Natur bereitstellt, können allerdings auch modernste Wind- und Solarkraftwerke nicht beeinflussen. Für die Energiewende brauchen wir deshalb Zwischenspeicher, die zuverlässig einspringen, wenn erneuerbare Energien wetterbedingt ausfallen. Sind Wind und Sonne hingegen im Überfluss vorhanden, füllen sich die Speicher mit dem Strom aus dem Netz wieder auf – als Vorrat für schlechte Zeiten. Zurzeit sind Batterien die dominierende Speicherform für Strom. Insbesondere Lithium-Ionen-Batterien werden in großem Umfang eingesetzt, zum Beispiel in E-Autos und in Strom-Großspeichern. Das Problem: Langfristig ist Lithium genauso endlich wie Kohle, Erdgas und Öl. Wird der Rohstoff knapp, gerät die Energiewende ins Stocken. Das Interesse an alternativen Speicherformen ist deshalb groß.

Forscher des National Renewable Energy Laboratory in Golden im US-Bundestaat Colorado arbeiten mit einem Speichermaterial, das sprichwörtlich wie Sand am Meer existiert: Quarzsand. In ihrem Pilotprojekt ENDURING speichern die Wissenschaftler elektrische Energie in heißem Sand. Konkret bedeutet das: Überschüssiger Strom aus Sonnen- oder Windkraftanlagen wird genutzt, um Sandpartikel zu erhitzen. Den Prozess beschreiben die Forscher für Laien so: „Stellen Sie sich vor, Sie würden Sandkörner durch einen riesigen Toaster kippen.“ Danach wartet der heiße Sand in isolierten Behältern auf seine Nutzung. Herrscht Strombedarf, wird die thermische Energie der Sandpartikel genutzt, um Gas in einer Anlage zu erhitzen und Druck zu erzeugen. Dieser Druck treibt Generatoren an, die Strom erzeugen, der bei wetterbedingten Energieengpässen ins Netz eingespeist wird.

Der Prototyp der Anlage besteht aus Stromgeneratoren und großen Silos – ähnlich der Gasometer vergangener Jahrzehnte. Ein Leitsystem transportiert den Sand zwischen den verschiedenen Komponenten umher. Die Ähnlichkeit zu einem herkömmlichen Kraftwerk ist kein Zufall. Zumindest teilweise lassen sich die Anlagen aus den Bauteilen stillgelegter Gas- und Kohlekraftwerke konstruieren. In Zukunft soll jedes der neuartigen Kraftwerke bis zu 26.000 Megawattstunden Energie speichern können. Zum Vergleich: Die leistungsfähigste Batterie der Welt speichert aktuell rund 1.200 Megawattstunden. Damit die Klimawende gelingt, sind viele Großspeicher notwendig, erklärt Zhiwen Ma, Leiter des Projekts. „Während der Pfad zur Dekarbonisierung der Elektrizität klar ist, ist die CO2-neutrale Gesamtwirtschaft eine größere Herausforderung.“

Pilotprojekte wie ENDURING gibt es auch in Deutschland. Forscher der Technischen Universität Dresden überlegten, wie sich Stromüberschüsse von Windparks direkt vor Ort speichern lassen. Im sächsischen Boxberg testen die Wissenschaftler zurzeit einen sogenannten Schwungradspeicher. Anders als ein Großspeicher soll dieser Energie nur für kurze Zeit aufnehmen und möglichst schnell wieder abgeben. Die Funktionsweise: Produziert ein Windrad zu viel Ökostrom, fließt dieser in einen Elektromotor, statt ins Stromnetz. Der Motor setzt einen Rotor in Bewegung, die zugeführte elektrische Energie wird also in Bewegungsenergie umgewandelt. Sobald im Netz wieder Strom gebraucht wird, wandelt ein Generator die Energie des Schwungrades wieder in Elektrizität um.

Die Schwungrad-Technik ist nichts komplett Neues, Kapazität und Effizienz der Technologie wurden allerdings vervielfacht, erklärt Dr. Thomas Breitenbach von der projektleitenden Stiftungsprofessur für Baumaschinen. „Dafür war es notwendig, völlig neue Anforderungen an das Speichersystem zu stellen und die Grenzen der Technologie zu dehnen.“ Bisher galt die Speicherform als unwirtschaftlich. Der Prototyp in Sachsen verfügt jedoch über die fünffache Leistung bekannter Modelle und ist kompakt genug, um ihn in größerem Umfang in Windparks aufzustellen. Mit Projektpartnern aus den Bereichen Maschinenbau, Anlagenbau, Hydraulik, Vakuumtechnologie, Elektrotechnik und Sensorik wollen die Forscher aus Dresden das Vorführmodell nun bis zur Marktreife begleiten.

Zum Gelingen der Energiewende werden nicht nur neuartige Speichertechnologien beitragen, sondern auch einige bewährte. Dazu zählt unter anderem die Pumpspeichertechnologie. In Hemfurth-Edersee im hessischen Edertal steht eines der ältesten Pumpspeicherkraftwerke Deutschlands: Waldeck 1. Dort werden Stromüberschüsse genutzt, um eine große Pumpe anzutreiben, die Wasser aus dem nahegelegenen Affolderner See in ein höher gelegenes Reservoir befördert. Um mit dem hochgepumpten Wasser bei Bedarf wieder Elektrizität zu erzeugen, werden die Wassermassen durch Turbinen mit angeschlossenem Generator zurück in den See hinabgelassen. Insgesamt haben die Turbinen des Kraftwerks eine Leistung von rund 145 Megawatt.

Kraftwerksdirektor Klaus Engels hält solche Großspeicher auch für die Zukunft für wichtig. „Pumpspeicherkraftwerke sind mit Abstand die bewährteste Großtechnologie zur Energiespeicherung und aufgrund ihrer Flexibilität eine wichtige Voraussetzung für die Integration der schwankenden Stromerzeugung aus Sonne und Wind.“ Doch sie haben auch Nachteile. Der Bau eines Pumpspeicherkraftwerks greift massiv in die natürliche Landschaft ein und kann irreparable Schäden anrichten. Außerdem muss ein Standort ökologische und wirtschaftliche Bedingungen erfüllen, damit ein neues Kraftwerk errichtet werden darf. In Deutschland existieren nur wenige Standorte, die eine geeignete topografische Lage haben und gleichzeitig gut an bestehende Energieversorgungsnetze angebunden sind.

Fest steht: Die Erzeugung grünen Stroms legt das Tempo vor und die Speichertechnologie muss Schritt halten. Das gelingt nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, erklärt Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbands für Energiespeichersysteme: „Technisch ist bereits fast alles möglich – und der Markt ist reif. Aufgrund des Energierechts in Deutschland dürfen Speicher ihr großes Potenzial zurzeit jedoch nur stark eingeschränkt im Energiesystem einsetzen.“ Denn im deutschen Recht werden Energiespeicher gleichzeitig als Verbraucher und als Erzeuger von Energie eingeordnet. Daraus folgen teils doppelte Steuern und Abgaben auf die gespeicherte Energie und damit ein großes wirtschaftliches Hemmnis. Der Koalitionsvertrag der neuen Berliner Regierung definiert Speicher nun als eigenständige Säule im Energiesystem – eine wichtige Voraussetzung, um in den kommenden Jahren vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen.

7,1 Milliarden
Umsatz der Energiespeicherbranche in Deutschland im Jahr 2020 (Anstieg von 10 Prozent über alle Technologien und Segmente).
Quelle: 3Energie Consulting

3 - 4 Prozent
Anteil der weltweit produzierten Elektrizität, die 2019 gespeichert wurde. 
Quelle: Report “Beyond the Tipping Point: Future Energy Storage”

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