Nachhaltiger Anstrich für Schiffe
Schiffe müssen ganz schön was aushalten: Unter der Wasserlinie setzen sich Muscheln und Algen fest. Oberhalb lässt das Salzwasser in Kombination mit der Luft die Oberfläche korrodieren. Herkömmliche Schutzlacke sind jedoch meist umweltschädlich. Zwei deutsche Unternehmen haben nachhaltigere Lösungen gefunden.
Schiffe haben eine Bremsspur. Davon sind jedenfalls die Umweltchemiker der Universität Oldenburg überzeugt. Vor allem entlang stark befahrener Schifffahrtsrouten fanden die Forscher Rückstände, „die als Quelle von Mikroplastik eine ähnlich große Bedeutung haben wie der Reifenabrieb von Autos an Land“, so Barbara Scholz-Böttcher vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres. Ihre Schlussfolgerung: „Diese Partikel stammen wohl aus Schiffsanstrichen.“
Eigentlich sollen diese Antifouling-Anstriche nur verhindern, dass die Rümpfe von Algen und Muscheln besiedelt werden. Der Bewuchs bremst das Schiff nämlich in seiner Fahrt und treibt den Treibstoffbedarf um bis zu 40 Prozent in die Höhe – und damit am Ende auch die Emissionen. Doch die Schutzwirkung der Lacke hat einen hohen Preis: Allein in der EU, so das Oldenburger Forscherteam, gelangten jedes Jahr mehrere tausend Tonnen Farbe in die Meeresumwelt – und damit am Ende auch die darin enthaltenen Schwermetalle, Mikroplastiken und Biozide.
Die umweltfreundliche Variante aus Hamburg
Tatsächlich schmirgeln Wind und Wellen ohne Unterlass an den umweltschädlichen Schiffslackierungen und tragen sie nach und nach ab. So gelangen Partikel der giftigen Schutzschicht ins Wasser und reichern sich zum Beispiel am Meeresboden an. „Jedes Jahr werden mehr als 100.000 Tonnen giftige Coatings aufgetragen, deren Inhaltsstoffe zu mindestens 50 Prozent im Meer landen. Ganz bewusst. Das muss ein Ende haben!“, erklärt Christina Linke, Gründerin und CEO des Hamburger Start-ups Clean Ocean Coatings GmbH. Bis zu 40 Prozent des Kupfereintrags in die Ostsee stammen laut einer Studie der Chalmers University of Technology, Göteborg, von Antifouling-Farben für Schiffe und Freizeitboote.
Das Hamburger Unternehmen wartet mit einer sauberen Alternative auf: Ecoating ist eine Oberflächenbeschichtung, die nicht nur biozid-, sondern auch lösungsmittelfrei ist. „Dadurch, dass kein Lösungsmittel verdampft, entsteht eine geschlossene, glatte Oberfläche, an der Mikroorganismen schwerer haften“, erklärt Linke. „Zudem ist sie leicht zu reinigen und länger haltbar als konventionelle Coatings.“
Allein dies bedeute für Reeder Einsparungen in Höhe von bis zu 600.000 Euro pro Anstrich. Doch damit nicht genug: „Wir haben in einer Kooperation mit der TU Berlin im Strömungskanal den Reibungswiderstand von unserem und von konventionellem Coating vermessen. Die Tests haben ergeben, dass unser Produkt den Kraftstoffverbrauch um 7,2 Prozent reduziert.“
Zahlen, die für sich sprechen. Dennoch setzen Schiffseigner oftmals lieber auf Altbewährtes statt auf Innovationen. „Wir sprechen hier über eine konservative Branche“, sagt Linke. Bislang hat Clean Ocean Coatings Testflächen auf vier Cargo-Schiffen und drei privaten Segelbooten beschichtet. 2024 sollen noch der Forschungskatamaran der Universität Rostock und vier weitere Pilotschiffe im Rahmen eines EU-Projekts einen neuen Anstrich bekommen. Bis 2030 sei es das Ziel, 250 Cargo-Schiffe mit einer Unterwasserfläche von 6.500 Quadratmetern pro Jahr auszustatten.
Folie statt Lack – ebenfalls aus Hamburg
Mit einem anderen Problem beschäftigen sich dagegen Manfred Haack und sein Geschäftspartner Thomas Behnk, denn auch oberhalb der Wasserlinie müssen Schiffe einiges hinnehmen: Wo Metall, Luft und Salzwasser zusammenkommen, entsteht Korrosion. Die sieht nicht nur hässlich aus, sondern bedroht jedes Schiff in seiner Substanz. Es sei denn, der Besitzer geht mit einem Korrosionsschutz dagegen an, wovon es diverse lösungsmittelhaltige Varianten am Markt gibt. Die Probleme mit herkömmlichen Farbbeschichtungen sind ähnlich wie bei den Antifouling-Lacken. Seit 16 Jahren sind die beiden Hamburger mit ihrem Unternehmen Orca Coating Systems GmbH nun schon mit einer komplett umweltfreundlichen Alternative am Markt: einer selbstklebenden Vinylfolie, die nicht nur Schiffe, sondern auch Windkraftanlagen und Bohrinseln sowie andere Offshore Konstruktionen nachhaltiger als Lacke vor Korrosion schützt.
„In unserem Produkt sind zum Beispiel null Prozent Lösungsmittel enthalten. Das macht die Folie völlig ungiftig und langlebiger als Lacke“, erklärt Haack. Dass dies mehr als nur eine Werbebotschaft ist, haben Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP in einem zweieinhalbjährigen Forschungsprojekt belegt: Die Rostocker bestätigten nicht nur den Korrosionsschutz, sondern auch, dass die Orca-Folie unbedenklicher für die Umwelt ist als herkömmliche Produkte.
Alternativen zu herkömmlichen, umweltschädlichen Oberflächenschutzmitteln für Schiffe gibt es also. Inzwischen bewegt sich auch in der Branche etwas: So hat etwa die Internationale Schifffahrts-Organisation IMO im Jahr 2023 neue Richtlinien für den verantwortungsbewussten Umgang mit Anti-Fouling-Mitteln veröffentlicht. Und Initiativen, wie die Clean Hull Initiative der Umweltschutzorganisation Bellona, setzen sich für eine strengere und global einheitliche Regulierung von Bioziden in Schiffslacken ein.
Für private Bootsbesitzer in Deutschland greifen ab Januar 2025 zudem strengere Regelungen: Die Biozidrechts-Durchführungsverordnung erschwert für sie künftig den Zugang zu umweltschädlichen Schutzlacken. Käufer müssen dann einen Fachkunde- und Zwecknachweis erbringen, wenn sie Biozid-haltige Lacke kaufen wollen. Der Verkäufer wird seinerseits dazu verpflichtet, über die Risiken und die richtige Anwendung des Produkts aufzuklären. Wenn eine strengere Regulierung in Zukunft auch für die Großen der Schifffahrtsbranche greift, dürften innovative Ideen wie die von Clean Ocean Coatings und Orca Coatings Rückenwind bekommen.
250 Millionen Tonnen
CO2-Emissionen gehen auf den erhöhten Treibstoffverbrauch durch Biofouling zurück.
Quelle: International Maritime Organisation
200 Milliarden Dollar
betragen die Schäden und Folgekosten von marinem Fouling pro Jahr geschätzt.
Quelle: Johannes Gutenberg Universität Mainz
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