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Nachhaltige Baustoffe: Bauen mit Zukunft

Text von Klara Walk
28.05.2024
Nachhaltigkeit

Seit Menschen Häuser bauen, nutzen sie die unterschiedlichsten Materialien. In der jüngeren Vergangenheit waren das oftmals Stahl, Beton und Glas. Um aber CO2 zu reduzieren, besinnen sich Industrie und Bauherren immer öfter auf die große Vielfalt an Baustoffen, die mitunter direkt nebenan zu finden sind.

Dass wir in Sachen Baustoffe künftig umdenken müssen, zeigt eine Zahl eindrücklich: Alleine die Zementindustrie ist für satte acht Prozent des weltweiten jährlichen CO2-Ausstoßes verantwortlich. „Bei der Herstellung einer Tonne Zement entstehen 700 Kilogramm CO2 – und davon produzieren wir etwa vier Milliarden Tonnen jährlich“, sagt Volker Thome. Der Mineraloge und Abteilungsleiter Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP mahnt: „Beton ist nach Wasser die meistgenutzte Substanz auf der Welt – dem Klima zuliebe müssen Alternativen her.“ 

Baustoff Holz - bitte schnell

Das wäre zum Beispiel Holz. Ein Rohstoff, auf den Menschen schon seit Jahrtausenden setzen, dessen Potenzial aber noch lange nicht ausgereizt ist. Das Unternehmen Triqbriq  zum Beispiel verarbeitet Schadholz zu Massivholzblöcken, die wie Mauersteine verbaut werden. Und auch die Forschenden der Universitäten Bonn und Siegen sowie der Alanus-Hochschule Alfter arbeiten gemeinsam mit dem regionalen Innovations-Netzwerk Bio Innovation Park Rheinland e. V. am Holzbau der Zukunft. Der könnte von zwei Pflanzen geprägt sein: dem Paulownia-Baum und dem Schilfgras Miscanthus. 

In einem Versuchsgebäude im Unternehmerpark Kottenforst der Stadt Meckenheim testen die Projektbeteiligten, wie sich Wände aus Paulownia-Holz mit Dämmplatten auf Basis von langfaserigem Miscanthus in Wind und Wetter verhalten. „Paulownia-Bäume sind als Baustofflieferanten vor allem aus zwei Gründen interessant“, sagt der Architekt Percy-Bodo von Oheimb-Loup, Projektmanager beim Bio Innovation Park Rheinland. „Erstens wurzeln Paulownien sehr tief. Sie erreichen also auch tiefere Grundwasser-Reservoire und stecken deshalb Dürreperioden besser weg. Und zweitens wachsen sie extrem schnell.“ Drei bis vier Meter im zweiten Jahr, um genau zu sein. Paulownien entziehen der Atmosphäre also nicht mehr CO2 als andere Bäume, sie tun es nur schneller. 

Bauen mit Stroh statt mit Stein

Allerdings nicht schnell genug und deshalb sind mehrere Alternativen zu konventionellen Baustoffen notwendig, um den Klimawandel zu verlangsamen oder gar zu stoppen. Es braucht einen ganzen Fächer an Ideen. Eine Besondere hatte eine Initiative privater Bauherren, die vor einigen Jahren im Weimarer Ortsteil Ehringsdorf ein Niedrigenergiehaus gebaut hat. Die kalkverputzten Außenwände des massiven, zweistöckigen Hauses bestehen aus eigens für diesen Zweck gepressten – und ansonsten nicht weiter behandelten – Strohballen.

Gemeinsam mit der befreundeten Familie Schenker-Primus hatte das Ehepaar Sarah und Florian Hoppe ein 2.800 Quadratmeter großes Grundstück mit altem Gebäudebestand gekauft, um dort ein ökologisch orientiertes Wohnprojekt zu etablieren. Der ehemalige Stall, den sie umbauen wollten, war aber stark schadstoffbelastet, sodass sie das ganze Gebäude zurückbauen mussten. „Das Material zu entsorgen war erstens teuer und zweitens ungesund“, erzählt Sarah Hoppe. 

Hoppes Vater betrieb einen ökologischen Baustoffhandel, ihr Schwiegervater ist Lehmbauer – da lag die Entscheidung nah, mit welchem Baustoff der Wiederaufbau erfolgen sollte: Stroh aus der Region. Zu Quadern gepresst, „lässt es sich wie Duplosteine verbauen“, sagt Hoppe. Wer das Gebäude betritt, mag sich zwar über die sehr dicken Wände wundern, wird sich aber sicher über das angenehme Raumklima freuen. Und über die Wärme, die von nur einem Ofen ausgeht. Kein Wunder: Die innen mit Lehm verputzten, 1,20 Meter dicken Außenwände dämmen sehr effektiv.

Unterm Strich ist Stroh ein günstiger Baustoff, dessen CO2-Bilanz sich sehen lassen kann. Aber diese Bauweise ist sehr raumgreifend, gibt Hoppe zu bedenken: „Für eine Baulücke in der Innenstadt ist das nichts.“ 

Pyrokohle macht Beton klimafreundlich 

Wie man CO2-ärmeren oder gar völlig -neutralen Beton herstellen könnte, der auch in Innenstädten verbaut werden kann, erforschen Volker Thome und sein Team beim Fraunhofer IBP. Besonders große Chancen räumt Thome der Pyrokohle ein, die beim Verbrennen, etwa von Holz, unter Sauerstoffausschluss entsteht. Mischt man sie als Granulate dem Beton bei, kann sie die Gesteinskörnung, etwa den Sand, ersetzen. Bis zu 30 Prozent Beimischung hält Thome für möglich: „Damit wären wir schon fast beim klimaneutralen oder sogar klimapositiven Beton.“ Denn Pyrokohle entzieht dem natürlichen Kohlenstoffkreislauf Kohlenstoff und vermeidet somit die Bildung von CO2. 

Auf diese Idee ist auch das Unternehmen Carbonauten GmbH aus dem baden-württembergischen Giengen gekommen. Die Tüftler rund um die Gründer Torsten Becker und Christoph Hiemer haben eine industrielle Pyrolyse-Anlage entwickelt, mit dem sie nicht nur frisches, genormtes Holz, sondern auch Althölzer, Reste aus der Forstindustrie und sogar Kunststoff pyrolysieren können. „Im Grunde arbeiten wir wie eine High-Tech-Köhlerei“, sagt Torsten Becker. 

Mit seinem Unternehmen hat er einen Weg gefunden, wie man aus Holz- und Kunststoffabfällen im wahrsten Sinne des Wortes schwarzes Gold machen kann, und das klimaneutral. Doch so richtig am Markt angekommen ist der Baustoff Pyrokohle noch nicht. Das liege vor allem an den zu zögerlichen Entscheidern in Wirtschaft und Verwaltung in Deutschland, sagt Becker. Doch Fraunhofer-Forscher Thome ist sicher: „Sobald die Zulassung für diesen Beton erfolgt ist, muss nur einer den Anfang machen und Beton mit Pyrokohle in großem Stil verbauen – dann werden die anderen Marktteilnehmer nachziehen.“

Holz, Stroh und CO2-reduzierter Beton sind noch lange nicht alle Alternativen. Welche ungewöhnlichen Baustoffvarianten es noch gibt:

#1:
Plastikmüll ist für ByFusion ein Rohstoff: Das US-amerikanische Unternehmen sammelt Plastikabfälle, auch die nicht recycelbaren, und macht daraus Byblocks. Aus diesen feuerfesten Plastikblöcken lassen sich zum Beispiel Hütten, Außenmöbel oder auch Terrassen bauen.

#2:
Wie wäre es mit einer Dämmung aus Zigarettenfiltern? Klingt abgefahren, ist aber das Geschäftsmodell von TchaoMegot. Das Unternehmen sammelt in Frankreich Zigarettenkippen und recycelt die Filter, um sie in Wärmedämmung für Gebäude oder Textilien umzuwandeln. 

#3:
T-Shirts zu Dämmmaterialien: Das französische Unternehmen FabBRICK macht aus Textilabfällen anderer Unternehmen Bausteine mit thermischen und akustischen Dämmeigenschaften.

#4:
Die University of East London hat mit Sugarcrete eine kohlenstoffarme Alternative zu Ziegeln und Betonmauerwerk entwickelt. Das Material kombiniert Zuckerrohrfaser, die bei der Zuckerherstellung übrigbleiben, mit sandig-mineralischen Bindemitteln, die einen sechsmal geringeren Kohlenstoff-Fußabdruck haben als herkömmlich hergestellte Tonziegel.

#5:
In der Feldballe-Schule in Dänemark werden besonders unkonventionelle Materialien zur Isolierung und Belüftung verwendet: In Zusammenarbeit mit Baustroh-Spezialisten EcoCocon entwickelte das Büro Henning Larsen Architects Wandkomponenten auf Strohbasis. Seegras, das von Natur aus schimmel- und feuerbeständig ist, dient als Filter in passiven Lüftungsanlagen.

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