Zum Seiteninhalt springen Zur Fußzeile springen

Grünes Licht für Wärmepumpen

Text von Imke Reiher
25.07.2023
Nachhaltigkeit

Auf dem Weg zur Klimaneutralität können Fernwärmenetze mit Wärmepumpen eine entscheidende Rolle spielen. Was möglich ist, zeigt der Blick nach Dänemark. Dort startet bald eine der größten Wärmepumpen der Welt, die 27.000 Haushalte versorgen kann.

Die Vorgabe ist klar: Bis 2050 soll die Energieversorgung in Deutschland klimaneutral sein. Dabei wird die Wärmeversorgung eine zentrale Rolle spielen. Schließlich ist sie für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich. Fernwärmenetze rücken dabei zusehends in den Fokus. Ihr Vorteil: Sie können tausende Haushalte miteinander verbinden und ermöglichen dank Skaleneffekten eine maximal effiziente Versorgung. Der Clou: Zunehmend lassen sich diese auch mit Großwärmepumpen kombinieren. Dadurch lässt sich grüne Energie in großem Stil erzeugen.

Skandinavisches Projekt mit Vorzeigecharakter

Was möglich ist, zeigt Dänemark, das zu den Pionieren und Vorreitern der Energiewende zählt: Bereits 1979 brachte das Land das erste Wärmeversorgungsgesetz auf den Weg und hat seither etliche grüne Großprojekte angestoßen. Auch das jüngste Projekt in der dänischen Hafenstadt Esbjerg bietet großes Potenzial: Dort wird aktuell die bisher größte Großwärmepumpe der Welt installiert. Ab Oktober soll sie 27.000 Haushalte – und damit rund 100.000 Menschen – über das Fernwärmenetz mit grüner Energie versorgen, ohne dass diese selbst ihre Heizung austauschen müssen. 70 Megawatt bringt sie als Leistung – und damit rund das 4.600-Fache verglichen mit einer Wärmepumpe für den Privatgebrauch, die beispielsweise 0,015 Megawatt schafft.

Als Wärmequelle dient in Esbjerg Meerwasser aus der Nordsee, während der Strom für die Anwendung aus Windkraft stammt. Betreiber des Netzes ist der dänische Energieversorger DIN Forsyning, die sogenannte ETES-Wärmepumpentechnologie stammt von MAN Energy Solutions und wird in Zürich gebaut. Das Ziel: Die Wärmepumpe soll das örtliche Kohlekraftwerk ersetzen, das bisher für die Energieversorgung zuständig ist. Der Plan sieht vor, dass dieses spätestens im Sommer 2024 vom Netz gehen soll. Dadurch lassen sich rund 60.000 Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen.

„Grüne Fernwärme ist ein wesentlicher Bestandteil der Wärmewende.“
Raymond Decorvet, MAN Solutions Zürich 

Fernwärme für den Klimaschutz

Anders als in Dänemark und anderen skandinavischen Ländern haben (Groß)-Wärmepumpen in Deutschland noch Exotenstatus. Anfang 2023 waren gerade einmal 30 solcher Anlagen in Betrieb, mit einer Gesamtleistung von 60 Megawatt – ein Bruchteil der deutschen Wärmeerzeugung. „Der Großwärmepumpen-Markt in Deutschland ist erst im Begriff sich zu entwickeln“, sagt Raymond Decorvet, der bei MAN Solutions in Zürich die Geschäftsentwicklung der Heat Pump-Technologie verantwortet. Er geht aber davon aus, dass sich dies bald ändern wird und die Kombination mit Fernwärmenetzen in Zukunft - gerade auch vor dem Hintergrund der angestrebten Energiewende - immer öfter erfolgt. „Grüne Fernwärme ist ein wesentlicher Bestandteil der Wärmewende“, so Decorvet.

Wie groß das Potenzial ist, belegt unter anderem eine Studie des Fraunhofer IEG Instituts, das klimaneutrale Energiesysteme der Zukunft entwickelt. Im Auftrag des unabhängigen Denklabors Agora Energiewende untersuchten die Wissenschaftler, wie gut sich der Bedarf Deutschlands für Wärme und Warmwasser bis 200 Grad durch Großwärmepumpen und nachhaltige Energiequellen decken lässt. Das Ergebnis: Sie könnten drei Viertel des deutschen (Erd)-Gasverbrauchs ersetzen. „An potenziellen Wärmequellen mangelt es nicht: Es stehen beispielsweise Grundwasser, Flüsse oder Seen, sogar Meerwasser, Geothermie, Industrieabwärme oder auch Abwasser aus Kläranlagen zur Verfügung“, sagt Decorvet.

Handeln statt reden

Die Fraunhofer-Experten haben in ihrer Studie drei Faktoren identifiziert, die für einen zügigen und nachhaltigen Einsatz von Großwärmepumpen entscheidend sind. Erstens der Abbau von Preisnachteilen gegenüber fossilen Energieträgern. Zweitens eine strategische Ausweitung des Angebots sowie größere Effizienz in der Produktion, die durch Standardisierung von Herstellungsprozessen erreicht werden könnte. Denn bisher sind Großwärmepumpen meist noch aufwendige, teure Einzelanfertigungen. Und drittens ein klarer Ausbaupfad, dem eine verbindliche kommunale Wärmeplanung zugrunde liegt – denn nur so lässt sich für Projektierer der tatsächliche Bedarf an Großwärmepumpen ermitteln. Doch auch regulatorische Hürden wie komplexe Planungs- und langwierige Genehmigungsverfahren bremsen den Einsatz von Großwärmepumpen aus. Die Zeit von der Idee bis zur Realisierung eines Großwärmepumpen-Projekts für Fernwärme müsste und könnte noch drastisch reduziert werden, ist Decorvet überzeugt.

Wärmenetze klimaneutral um- und ausbauen

Hier könnte das zügigere Vorgehen der Dänen ein Vorbild sein. Deren Vorsprung zeigt sich auch beim Ausbau der Infrastruktur. Insgesamt sind bereits 65 Prozent der dänischen Haushalte an ein Fernwärmenetz angeschlossen – die ihre Energie zu ebenfalls 65 Prozent aus erneuerbaren Energien beziehen. Spitzenreiter ist die Stadt Kopenhagen mit einer Anbindungsquote von 98 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Quote aktuell nur bei rund 14 Prozent, wobei es hier ein vergleichbares Aushängeschild gibt: In der Stadt Flensburg heizen ebenfalls 98 Prozent der Haushalte mithilfe von Fernwärme. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 3.800 Fernwärmenetze mit einer Gesamtlänge von mehr als 31.000 Kilometern, schätzt der Branchenverband AGFW. Diese werden derzeit noch zu 70 bis 80 Prozent mit fossiler Energie betrieben – doch dies soll sich in Zukunft deutlich ändern. Die Regierung will den Ausbau gezielt fördern und plant, dass bis 2030 unterm Strich mindestens die Hälfte der Fernwärme durch erneuerbare Energien oder Abwärme produziert werden soll.

Schlafender Megamarkt

Inwieweit diese Zielvorgaben realisiert werden, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass grüne Fernwärme – und ergo der Einsatz von Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen – ein wesentlicher Bestandteil der Wärmewende ist und Deutschland noch viel Luft nach oben hat. „Unter den nachhaltigen Wärmetechnologien ist die Großwärmepumpe sicherlich der schlafende Riese“ meint Fabian Ahrendts vom Fraunhofer IEG.

Davon ist auch Decorvet überzeugt: „Bei Großwärmepumpen zieht die Nachfrage bereits merklich an, etliche Projekte befinden sich im Bau oder in Planung. Wir werden alle in Zukunft sehr, sehr viel zu tun haben.“ Die Wärmepumpe in Esjberg dürfte also nicht die letzte ihrer Art sein.

4.000 Liter
Meerwasser werden der Riesen-Wärmepumpe in Esbjerg pro Sekunde zugeführt.
Quelle: MAN

70 Prozent
der Fernwärme in Deutschland könnten Großwärmepumpen bis 2045 bereitstellen.
Quelle: Fraunhofer IEG

Ähnliche Artikel