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Grüne Flüge über Dänemark

Text von Maria Kessen
25.05.2022
Nachhaltigkeit

Nach dem Willen der dänischen Regierung sollen alle Inlandsflüge bis 2030 „grün“, also klimaneutral sein. Das klingt ambitioniert. Doch die Technologie zur Produktion von synthetischem Kraftstoff ist vorhanden. Die ersten kommerziellen Power-to-X-Anlagen sind bereits im Bau.

Welche Bedeutung grüne Kraftstoffe für das Klima haben, weiß in Dänemark jedes Schulkind. Sogar die dänische Königin Margrethe II. spricht davon. Und die dänische Staatsministerin Mette Frederiksen wurde in ihrer Neujahrsansprache 2022 ganz konkret: Bis spätestens 2025, so die Sozialdemokratin, sollen alle Dänen die Möglichkeit erhalten, auf Inlandsflügen freiwillig „grün“ unterwegs zu sein. Bis spätestens 2030 sollen klimaneutrale Inlandsflüge dann obligatorisch werden.

Bei den klimapolitischen Anstrengungen, die weltweit von vielen Ländern betrieben werden, will Dänemark mit gutem Beispiel vorangehen. „Wenn andere Länder in der Welt zu langsam sind, muss Dänemark den Weg vorgeben – und die Messlatte noch höher legen“, erklärte Frederiksen die ehrgeizigen Ziele. Wie genau die Inlandsflüge klimaneutral gemacht werden sollen, verriet die Premierministerin bei ihrer Ankündigung jedoch nicht. „Qualifizierte Wissenschaftler und Unternehmen arbeiten an den Lösungen“, formulierte Frederiksen ganz allgemein und ergänzte: „Wenn uns das gelingt, wird es ein grüner Durchbruch sein.“

Bei allem Ehrgeiz ist zu beachten, dass die Zahl der Inlandsflüge in Dänemark überschaubar ist. Bei einer Einwohnerzahl von knapp sechs Millionen Menschen und einer Fläche von rund 43.000 Quadratkilometern (ein Achtel der Fläche der Bundesrepublik) starteten vor der Pandemie pro Jahr lediglich knapp 30.000 Inlandsflüge. In Deutschland waren es mit 240.000 innerdeutschen Flügen achtmal so viele.

Um den CO2-Ausstoß von Flügen zu reduzieren, setzt man in Dänemark auf grüne beziehungsweise synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels. Als Schlüsseltechnologie zur Herstellung der neuen Treibstoffe gilt das Power-to-X-Verfahren, das Ende der 2000er-Jahre von deutschen Wissenschaftlern entwickelt wurde. Power-to-X ist ein Oberbegriff für Technologien, die Strom aus erneuerbaren Energien in chemische Energieträger, Kraftstoffe oder Rohstoffe für die Chemieindustrie umwandeln. Die allermeisten Verfahren zur Herstellung von CO2-freiem Kraftstoff beruhen auf der Elektrolyse: Dabei kann beispielsweise aus Wasser – unter Verwendung von Strom – Wasserstoff gewonnen geworden. Mithilfe von Kohlendioxid wird der Wasserstoff in flüssigen Kraftstoff umgewandelt.

Obwohl es bereits einige Pilotanlagen gibt, kann Dänemark derzeit noch nicht genügend E-Fuel produzieren, um alle Inlandsflüge zu betanken. Damit Dänemark bis 2030 das Ziel erreicht, werden noch einige Investitionen nötig sein. Ein weiteres Problem stellt sich zudem auf der „Input-Seite“: Damit der erzeugte Kraftstoff klimaneutral ist, muss der bei der Produktion verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen wie Windkraftanlagen stammen.

Henrik Wenzel, Professor für Grüne Technologie an der Universität von Süddänemark in Odense, hält die Pläne von Frederiksen trotz alledem für realistisch. „Die Power-to-X-Technologie ist verfügbar und bewährt, wenn auch nicht in großem Produktionsmaßstab“, sagt Wenzel. Einige Energieproduzenten stehen aber bereits in den Startlöchern. So plant das dänische Unternehmen Arcadia eFuels, ein Spin-Off des Energieunternehmens Topsoe, bis 2025 jährlich 55.000 metrische Tonnen E-Fuel mithilfe von Strom und CO2 herzustellen. Nach Angaben des Unternehmens wäre dies genug grüner Treibstoff, um alle dänischen Inlandsflüge abzudecken. Die entsprechende Anlage im Hafen von Vordingborg befindet sich derzeit im Bau, der kommerzielle Betrieb soll Ende 2024 aufgenommen werden.

Wenzels Hoffnung, dass Dänemark das Ziel erreicht, wird dadurch bestärkt, dass die dänische Luftfahrt selbst noch ehrgeizigere Pläne hat als die Regierung – und zwar nicht nur für Inlandsflüge. „Für den gesamten Luftverkehr wollen wir bis zum Jahr 2030 den CO2-Ausstoß durch Treibstoff sogar um mindestens 30 Prozent reduzieren“, sagt Wenzel. Um die Verfügbarkeit der für das Projekt erforderlichen erneuerbaren Energien macht sich Wenzel keine Sorgen: Erst vor wenigen Wochen hat die Regierung beschlossen, die Stromproduktion durch Solarparks und Onshore-Windkraftanlagen bis 2030 zu vervierfachen.

Bis die Produktionsanlagen ihre Kapazität auf ein ausreichendes Volumen hochgefahren haben, wird es allerdings noch einige Zeit dauern. Bis dahin wird man sich zunächst auf die Beimischung konzentrieren. Jeder Liter E-Fuel, der produziert wird, wird in naher Zukunft mit konventionellen Kraftstoffen gemischt, prognostiziert Wenzel. Dabei gibt der Ingenieur zu bedenken, dass Flugzeuge aus technischen Gründen ohnehin nicht mit 100-prozentigem „grünem“ Treibstoff abheben können – es sind lediglich Beimischungen von bis zu 50 Prozent erlaubt. Auch muss der synthetische Kraftstoff motorgängig gemacht werden. „E-Kerosin ist dem herkömmlichen Kraftstoff zwar auf chemischer Ebene sehr ähnlich, trotzdem bedarf es Zusätze in Form von aromatischen Beimischungen, bevor E-Kerosin in einen Flugzeugmotor getankt werden kann“, sagt der Professor.

Ob Deutschland bald ähnlich ambitionierte Ziele wie die dänische Regierung bekannt geben wird, bleibt abzuwarten. Bisher gibt es seitens der Regierung die Vorgabe, dass ab 2026 mindestens 0,5 Prozent des Flugkraftstoffes aus Power-to-X-Anlagen stammen müssen. Ein Werk zur Produktion steht seit 2021 im niedersächsischen Werlte. Betreiber ist die gemeinnützige Klimaschutzorganisation Atmosfair aus Berlin. Allerdings produziert es im Normalbetrieb nur 350 Tonnen CO2-neutraler Flugzeug-Treibstoff pro Jahr. Für Deutschland dürfte das Ziel, auf sämtlichen Inlandsstrecken binnen acht Jahren grün zu fliegen, ungleich schwieriger zu erreichen sein.

105 kg
beträgt der CO2-Fußabdruck einer Person bei einem 500-Kilometer-Flug, der eine durchschnittliche Auslastung von 77 Prozent hat.
Quelle: WDR

18 kg
beträgt der CO2-Fußabdruck einer Person bei einer 500-Kilometer-Bahnfahrt mit dem ICE (durchschnittliche Auslastung: 51,9 Prozent).
Quelle: WDR

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