Gärten, die in den Himmel wachsen
Grüne Fassaden sehen nicht nur schön aus, sie sind auch eine Wohltat für das Mikroklima: Sie bieten Kühlung, reinigen die Luft, absorbieren Schall und sind Lebensraum für zahlreiche Tiere. Das gilt nicht nur für große Gebäude, sondern auch für das Eigenheim.
Die Rue D’Aboukir ist eine eher unauffällige Straße im Herzen von Paris. Enge Bürgersteige, ein paar kleine Cafés und Boutiquen – mehr gibt es hier nicht zu entdecken. Der kleine Platz an der Ecke zur Rue Petits-Carreaux wirkt zunächst unscheinbar. Trotzdem trifft man hier fast zu jeder Tageszeit auf Touristen. Der Grund: Direkt über dem Platz, an einer fensterlosen 25 Meter hohen Hauswand, befindet sich die „L‘Oasis d’ Aboukir“ – ein üppiger vertikaler Garten, entworfen vom renommierten Pariser Gartendesigner und Botaniker Patrick Blanc. Schon der Anblick der grünen Fassade wirkt entspannend. Neben Farnen wachsen Weiden und Mauerblümchen in die Höhe. Mehr als 230 verschiedene Pflanzen platzierte Blanc – ganz im Sinne der von ihm angestrebten Biodiversität. Die Oase von Aboukir ist Blancs „Hymne an die Artenvielfalt“.
Nicht nur in Paris kann man solche vertikalen Grünanlagen bewundern – auch in anderen Städten gibt es Gärten, die in den Himmel ragen. Erst im Oktober 2021 wurde in Düsseldorf der Kö-Bogen II eingeweiht. Mit 30.000 Hainbuchen, die eine acht Kilometer lange Hecke bilden, ist es die größte Grünfassade Europas. In Mexiko-Stadt hat eine Bürgerinitiative vor einigen Jahren Hunderte von Betonpfeilern und Brückenteilen mit Kletterpflanzen verschönert. Und in Mailand pflanzten Bauherren gleich einen ganzen Wald vertikal auf zwei benachbarte Hochhäuser. Was für viele zunächst nach urbanen Kunstprojekten aussieht, hat viele praktische Vorteile: Vertikale Gärten verbessern die Luftqualität, bieten Lebensraum für Insekten und bringen Kühlung in die Städte. Gerade in Zeiten des Klimawandels können bepflanzte Mauern helfen, die Hitze in den Städten zu reduzieren.
Pflanzen als Sonnenschutz
Denn die kann unerträglich sein, vor allem dort, wo es keine Grünflächen oder Bäume gibt. Bereits im Jahr 2018 gab es in Deutschland 20 Hitzetage, an denen das Thermometer 30 Grad oder mehr anzeigte – Tendenz steigend. Nicole Pfoser, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen und Autorin des Fachbuches „Vertikale Begrünung“, hat sich intensiv mit den Vorteilen der Gebäudebegrünung beschäftigt. Sie hebt vor allem die klimatischen Effekte hervor. „Vergleichsmessungen an weiß verputzten, kahlen und bewachsenen Fassaden haben gezeigt, dass die Begrünung einen Temperaturunterschied von bis zu acht Grad ausmachen kann“, sagt die Landschaftsarchitektin. Die Pflanzen wirken wie ein Sonnenschutz, indem sie die Sonnenstrahlen von der Wandfläche fernhalten. Für zusätzliche Abkühlung sorgt zudem Verdunstung: Blätter nehmen die in der Mauer gebundene Wärme auf und leiten diese in die Umgebung weiter. „Pro Tag geben die Gewächse ungefähr vier Liter Wasser an die Luft ab“, sagt Pfoser. Im Winter wiederum haben Kletterpflanzen eine wärmeregulierende Funktion – ihre „Pufferwirkung“ schützt das Gebäude vor Kälteangriffen.
Und es gibt weitere Argumente, die für die bepflanzten Mauern sprechen. So nehmen die Gewächse Kohlendioxid auf, filtern Schadstoffe aus und produzieren Sauerstoff. Außerdem reduzieren sie Lärm und sind somit ein optimaler Schallschutz, wie Pfoser berichtet: „An einer begrünten Wand in Paris habe ich – im Vergleich zu einer benachbarten Steinfassade – eine Lärmreduktion um fünf Dezibel festgestellt.“ Zu guter Letzt bieten begrünte Mauern einen idealen Lebensraum für verschiedene Tierarten. Viele Insektenarten leben und überwintern im dichten Gestrüpp, Vögel nutzen die Gewächse als Nahrungsquelle oder Brutstätte.
Begrünung für zu Hause
Was an der Pariser Fassade in der Rue d’Aboukir oder am Düsseldorfer Kö Bogen II im Großen wächst, funktioniert auch im heimischen Garten im Miniaturformat. Hier wie dort kommt es auf die richtige Bautechnik an. Schließlich müssen die Unterkonstruktionen, beispielsweise Metallgerüste, ausreichend tragfähig sein. Am Beginn des Projekts „Vertikaler Garten“ steht immer die Frage nach dem geeigneten System: Zu unterscheiden ist dabei die bodengebundene von der wandgebundenen Begrünung, bei denen die Wurzeln der Pflanzen keinen Bodenkontakt haben.
Wer Kletterpflanzen direkt auf der Mauer haben möchte –sich also für die Bodenvariante entscheidet –, sollte darauf achten, dass die Wand riss- und fugenfrei ist. An sogenannten Wuchsaufleitungen können die Kletterpflanzen dann emporranken. „Mit Stahlseilen lässt sich in zwei Jahren eine komplette Begrünung erzielen“, sagt Pfoser. Die wandgebundene Begrünung dagegen eignet sich besonders in Bereichen, wo Beton, Asphalt oder Gehwegplatten die Böden versiegeln. Hier kann das Grün in einem linearen Regalsystem, in übereinander angeordneten Langrinnen oder Kästen wachsen. „Diese Systeme sind jedoch viel aufwendiger und pflegeintensiver – sie benötigen zum Beispiel ein Bewässerungssystem und eine künstliche Nährstoffversorgung“, so die Professorin.
Abschließend stellt sich noch die Frage nach den Gewächsen für die heimische Fassade. Die ideale Auswahl richtet sich nach Kriterien wie Standort, Wuchshöhe und ästhetischen Aspekten. „Nehmen Sie heimische, wetterfeste Pflanzen – also Gräser, Moose oder Staudengewächse“, empfiehlt der französische Botaniker Blanc. Für die bodengebundene Begrünung eignen sich unter anderem wilder Wein, Efeu oder Kletterhortensien.
Mit Grünfassaden gegen den Klimawandel
Egal, ob Bürohäuser oder Wohntürme, Straßenbegrenzungen oder Privatgärten – unterm Strich zählt jede bepflanzte Mauer. „Abkühlung ist dringend nötig“, sagt Expertin Pfoser. Kein Wunder: „Sterbefälle, die verlorene Arbeitszeit durch Krankenhauseinlieferungen und Klinikaufenthalte – nach unseren Schätzungen belaufen sich die Kosten dafür auf insgesamt rund 40 Millionen Euro pro Hitzetag in Deutschland“, sagt Professor Nicolas Ziebarth vom ZEW – Leibnitz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung gegenüber dem Online-Portal „Die Debatte“. Mehr als elf solcher Tage pro Jahr mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke zählte der Deutsche Wetterdienst im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. „Wenn wir 60 Prozent der Fassaden, Dächer und Innenhöfe in Deutschland begrünen, könnten wir die Temperatur im Straßenraum ungefähr um 1,2 Grad reduzieren“, rechnet Professorin Pfoser den möglichen klimatischen Effekt von Wandbegrünungen gegen. Das wäre ganz nah dran am nationalen Klimaziel – zumindest, was die urbanen Regionen betrifft.
55.000 m²
Fassadenfläche sind im Jahr 2020 in Deutschland neu begrünt worden.
Quelle: BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2020, Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG)
34 Prozent
der Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern fördern Dach- bzw. Fassadenbegrünungen und geben finanzielle Zuschüsse.
Quelle: BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2020, Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG)
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