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Frittenfett für den Tank

Text von Lilian Schmitt
14.12.2023
Nachhaltigkeit

Altfette und Speiseölreste sind eher unappetitlich, doch aus ihnen kann ein klimaneutraler Kraftstoff entstehen. Ein Unternehmen aus Bayern sammelt und recycelt deshalb sogar gebrauchtes Öl von privaten Haushalten.

Die Bundesregierung hat im November 2023 beschlossen, dass Autos nun auch reines Biodiesel aus Abfallfetten tanken dürfen, sogenanntes HVO100. Bislang sind Altspeiseöle nur als Beimischung in Diesel mit einem Anteil von sieben Prozent erlaubt. Aber künftig können Autos mit reinem Biodiesel aus altem Frittenfett fahren.

Kraftstoff aus der Küche

In den Küchen in Deutschland wird gebrutzelt, was der Lebensmittelmarkt hergibt: Pommes, Krapfen, Falafel, Fleisch, Garnelen, … Doch, während das alte Fett bei den meisten von uns irgendwann im Restmüll landet, können Bürgerinnen und Bürger in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs das Öl bei einer Sammelstelle abgeben. Aus der sprudelnden Ölquelle entsteht dann Biokraftstoff für Autos und Lkw.

Hinter der Idee steckt das Unternehmen Altfettrecycling Lesch aus Thalmässig bei Nürnberg. Im Jahr 2018 gründete das Unternehmen die Tochterfirma Jeder Tropfen Zählt GmbH (JTZ), die zunächst in einem Pilotprojekt Altfette und Speiseölreste von Haushalten aus der Umgebung sammelte. Damit ist JTZ ein Pionier, denn zuvor wurden in Deutschland Ölreste nur über die Gastronomie gezielt gesammelt.

Große Bereitschaft

Zunächst startete der Pilot mit rund 60.000 Bürgerinnen und Bürgern in der Metropolregion Nürnberg. Im fünften Jahr können bereits mehr als 600.000 Anwohnende in Nordbayern und im baden-württembergischen Hohenlohekreis an mehr als 120 Sammelstellen ihre Speiseölreste abgeben. „Das zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger das Projekt annehmen“, sagt Hubert Zenk, Geschäftsführer von JTZ. Inzwischen hat sich das Projekt so weit herumgesprochen, dass JTZ den Anfragen der interessierten Kommunen kaum nachkommen kann: „Wir breiten uns momentan sternförmig von unserem Stützpunkt aus. Einige Anfragen, aus entfernteren Orten können wir logistisch noch nicht umsetzen“, sagt der JTZ-Geschäftsführer.

Nach Schätzungen des Mittelstandsverbands abfallbasierter Kraftstoffe (MVaK) fallen in deutschen Haushalten jährlich bis zu 130.000 Tonnen Altspeisefette an.

Immerhin: Seit seiner Gründung hat das Unternehmen 250.000 Kilogramm Altspeiseöl bei den teilnehmenden Haushalten gesammelt. Doch der JTZ-Erfolg ist bisher nur ein kleiner Tropfen im großen Tank. Nach Schätzungen des Mittelstandsverbands abfallbasierter Kraftstoffe (MVaK) fallen in deutschen Haushalten jährlich bis zu 130.000 Tonnen Altspeisefette an. Zum Vergleich: In der Lebensmittelindustrie und in Restaurants werden laut Verband bundesweit bisher rund 250.000 Tonnen Altspeiseöle gesammelt und zu abfallbasiertem Biokraftstoff verarbeitet.

Der Verbrauch: fünf Behälter auf 100 Kilometer

Aktuell funktioniert die Sammlung bei JTZ so: Die freiwillige Feuerwehr verteilt zu Beginn der Aktion kleine Sammelbehälter an die Haushalte. Ein Behälter fasst circa 1,2 Liter - daraus soll nach Angaben von JTZ Kraftstoff für rund 20 Kilometer entstehen. Die Anwohnenden geben ihre vollen Behälter bei einem Sammelautomaten ab und können direkt einen neuen wieder mitnehmen.

Altfettrecycling Lesch bereitet das gesammelte Öl anschließend auf. Dafür erhitzt das Unternehmen die Fette und Öle, sodass eine flüssige Masse entsteht. In einem Drei-Phasen-Dekanter wird das Altfett mechanisch in Fett, Wasser und Feststoffe, das sind zumeist die Panaden- und Speisereste, getrennt. Das gereinigte Öl geht weiter an mittelständische Unternehmen, die es mit Methanol zu Biokraftstoff und Glycerin umwandeln. Der Biodiesel wird an große Mineralölunternehmen verkauft und gelangt als Beimischung an die Tankstellen, während das Glycerin beispielsweise zu Handdesinfektionsmittel weiterverarbeitet wird.

Begrenzter Rohstoff

Mit dem Projekt Altspeisefette auch aus Haushalten zu sammeln, kommt JTZ gerade rechtzeitig, denn die Nachfrage nach Biokraftstoffen aus Abfallfetten steigt stetig. „Solange noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren genutzt werden, ist es sinnvoll, diese mit der größtmöglichen Menge von nahezu klimaneutralen Kraftstoffen zu betreiben“, sagt Detlef Evers, Geschäftsführer von MVaK. Auch in der Schifffahrt und im Flugverkehr ist der Einsatz von Biokraftstoffen aus der Pfanne zunehmend denkbar. „Man muss dabei klar erkennen, dass die verfügbare Menge Abfallfette begrenzt ist“, sagt Evers. Und die hängt vor allem von den kulinarischen Vorlieben der Haushalte ab. Wird viel in Öl frittiert oder brät ein Haushalt lediglich in der Pfanne an? In den Niederlanden, in Belgien und Österreich wird bereits Altspeiseöl von Haushalten flächendeckend gesammelt. „Dort konsumieren die Menschen aber auch viel mehr Frittiertes, wie zum Beispiel Belgische Pommes oder Wiener Schnitzel“, sagt Nabil Abdalla, Experte für Biokraftstoffe am Heidelberger ifeu Institut.

Solange noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren genutzt werden, ist es sinnvoll, diese mit der größtmöglichen Menge von nahezu klimaneutralen Kraftstoffen zu betreiben.
Detlef Evers, Geschäftsführer Mittelstandsverbands abfallbasierter Kraftstoffe

„Ob der Kraftstoff aus gebrauchten Speiseölen nachhaltig ist, hängt maßgeblich davon ab, woher der Rohstoff stammt“, so Wissenschaftler Abdalla. Wird er importiert, beispielsweise aus China oder Malaysia, ist die nicht immer der Fall. Denn hier besteht Potenzial zum Betrug. Falschdeklaration und Etikettenschwindel sind in der Vergangenheit schon häufiger vorgekommen. So wurde zum Beispiel frisches, günstiges Palmöl als gebrauchtes Altspeiseöl gelabelt, das aufgrund der hohen Nachfrage recht teuer ist. „Geht es allerdings darum, Abfall in Deutschland auf nationaler Ebene zu sammeln, ist der Biodiesel aus Altfetten sehr nachhaltig“, sagt Abdalla. Rund 90 Prozent der CO2-Emissionen könne man damit gegenüber konventionellem Dieselkraftstoff einsparen.

Wie geht es weiter?

JTZ möchte Stück für Stück weitere Landkreise und Kommunen einbeziehen und irgendwann Altspeiseöle aus ganz Deutschland sammeln. „Wir hätten nicht angefangen, wenn das nicht unsere Vision wäre“, sagt Zenk. Der Geschäftsführer wünscht sich außerdem, irgendwann den Rohstoffkreislauf zu schließen, sodass kommunale Fahrzeuge nachhaltig mit dem Kraftstoff aus altem Speiseöl fahren werden. Die Entscheidung der Bundesregierung, dass künftig HVO100 als reiner Biodiesel zugelassen ist, begrüßt er deshalb sehr.

224 Tonnen
CO2-Emissionen konnten im Straßenverkehr durch die Jeder Tropfen Zählt GmbH im Jahr 2022 eingespart werden.
Quelle: MVaK

73.000 Kilogramm
Altspeisefette aus Privathaushalten sammelte die Jeder Tropfen Zählt GmbH im Jahr 2022 ein.
Quelle: MVaK

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