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Tour Elithis Danube – Wohnen im Plus-Energie-Haus

Text von Sina Hoffmann
13.03.2025
Nachhaltigkeit

Wie klimafreundliches Wohnen in Zukunft aussehen kann, zeigt der Tour Elithis Danube in Straßburg. Es ist das angeblich erste Wohngebäude der Welt, das mehr Energie erzeugt, als seine Bewohner verbrauchen. Und das zu marktüblichen Baupreisen. 

Der Gebäudesektor ist neben dem Verkehr die größte Hürde auf dem Weg zur Klimaneutralität. Nach Angaben der Europäischen Kommission sind Immobilien für mehr als ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen und für 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU verantwortlich. (Die Emissionen des Gebäudesektors für Deutschland und der weiteren Sektoren hat Te:nor im Beitrag Klimaschutz – wie gut ist Deutschland wirklich? aufgeschlüsselt.) Um die Klimaziele zu erreichen, hat die EU-Kommission 2024 die Gebäuderichtlinie (EPBD) verschärft: Zum einen soll der Gebäudebestand bis 2050 schrittweise energetisch saniert werden, zum anderen müssen Neubauten ab 2030 vollständig emissionsfrei sein. 

Eine der größten Hürden, die auf dem Weg zum Ziel zu nehmen ist, betreffen die Bau- und Sanierungskosten: 275 Milliarden Euro jährlich sind nach Berechnungen der EU-Kommission zusätzlich erforderlich, um die Klimaziele im Jahr 2030 zu erreichen. Schnell kommt da die Frage auf: Können wir uns nachhaltiges Bauen leisten? 

Nachhaltiges Wohnen für alle

Ja, können wir! Dass nachhaltiges Bauen nicht teurer sein muss, zeigt das französische Ingenieurbüro Elithis: Das Unternehmen realisierte 2018 im Straßburger Ökoviertel Danube das nach eigenen Angaben erste Plus-Energie-Wohnhaus der Welt – zu marktüblichen Baukosten von 1.456 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche. Der 17-stöckige Tour Elithis Danube verfügt über 63 Wohnungen sowie Büroflächen und eine gemeinschaftlich genutzte Dachterrasse in 50 Metern Höhe. 

Vor allem das Design des Hochhauses bringt erhebliche Einsparungen: Die aerodynamische Form verbraucht 30 Prozent weniger Baumaterial im Vergleich zur klassischen Bauweise, hochisolierende Fassaden sorgen für maximale Energieeffizienz. Auf 1.300 Quadratmetern Dach- und Fassadenfläche erzeugen Solarmodule jährlich 177.000 Kilowattstunden Strom. Was die Bewohner nicht selbst verbrauchen, wird ins Stromnetz eingespeist. Zudem will Elithis nachhaltiges Wohnen für alle bezahlbar machen: Familien, Senioren, Studierende und Alleinstehende profitieren von marktüblichen Mieten zwischen 13 Euro und 14 Euro pro Quadratmeter.

Mit einem Investitionsprogramm über zwei Milliarden Euro plant das Ingenieurbüro, 100 Plus-Energie-Gebäude in Europa zu bauen.

Die Bewohner steuern Heizung, Lüftung, Licht und Jalousien selbst über eine Software. Das integrierte Energieberatungs-Tool Alad'Hun hilft ihnen, die Energieerzeugung zu optimieren, zum Beispiel durch die flexible Ausrichtung der Solarpaneele nach dem Sonnenstand. Für sie bedeutet das nicht nur mehr Nachhaltigkeit, sondern auch Kostenvorteile: Die Energiekosten fallen im Durchschnitt um 1.400 Euro pro Jahr geringer aus. Durch den bewussten Umgang mit Energie sparen die Bewohner jedes Jahr insgesamt 250 Tonnen CO2 im Vergleich zu einem normalen Wohnhaus ein.

Aus Problemen lernen

Doch nicht immer lief alles reibungslos. Einige Jahre nach Einzug der Bewohner traten einige Fehlfunktionen an dem Vorzeigeprojekt auf. Laut verschiedenen französischen Medien berichten Bewohner zum Beispiel von kalten Heizungen im Winter oder Überschwemmungen im Bad. Auch in den Google-Bewertungen äußerten sich Mieter kritisch. Einer schreibt: „Das einzige Positive an dem Plus-Energie-Turm ist der Name. Viele Mieter sind wegen der Probleme bereits nach weniger als einem Jahr wieder ausgezogen.“

Der Grund für die überschwemmte Bäder und kalten Heizungen hat das Ingenieurbüro gefunden: Mieter und Wartungstechniker hatten das Wärmerückgewinnungssystem aus Duschwasser sowie die Filter der Heizung nicht ausreichend gereinigt. „Die Leute sind noch nicht ausreichend mit den speziellen Anforderungen von Niedrigenergiehäusern vertraut“, erklärt Thierry Bièvre, CEO von Elithis, die Anlaufschwierigkeiten. 

Inzwischen funktionieren die Abläufe nach Angaben von Elithis reibungslos, was sich auch darin zeigt, dass das Gebäude komplett vermietet ist. Aus den anfänglichen Problemen haben die Ingenieure von Elithis gelernt: „Bei unseren neuen Projekten setzen wir die Erfahrungen bereits gezielt um und verbessern die Systeme“, so Bièvre. Mit einem Investitionsprogramm über zwei Milliarden Euro plant das Ingenieurbüro, 100 Plus-Energie-Gebäude in Europa zu bauen. Zwei Häuser in Saint Etienne und Dijon sind bereits fertig, fünf weitere befinden sich im Bau.

Plus-Energie-Haus: Ein einheitlicher Standard fehlt

Doch welche Anforderungen muss ein Plus-Energie-Gebäude überhaupt erfüllen? Der Begriff ist in der EU nicht geschützt oder zertifiziert. Wie hoch der Energiebedarf eines Gebäudes ist, wird üblicherweise anhand von Energieeffizienzklassen gemessen, ähnlich wie bei Elektrogeräten. Bisher gibt es jedoch kein einheitliches System, daher sind Vergleiche zwischen einzelnen Ländern nur schwer möglich.

Nicht nur Neubauten müssen emissionsfrei werden, eine viel größere Herausforderung stellt die energetische Sanierung des Gebäudebestands dar.

In Deutschland etwa entwarf Solararchitekt Rolf Disch bereits im Jahr 1994 das erste Plus-Energie-Haus. Auch das Heliotrop in Freiburg richtet sich nach dem Stand der Sonne, um möglichst viel Energie zu gewinnen. Aus dem Experimentalbau ist eine Solarsiedlung mit 59 Häusern entstanden. Ähnliche Projekte entstanden und entstehen seither in der gesamten Republik. Die Erfahrungen hierzulande zeigen jedoch, dass die Baukosten für das höchste deutsche Effizienzniveau A+ deutlich über denen eines Standardbaus liegen. Pro Quadratmeter Wohnfläche ist mit Mehrkosten von circa 113 Euro zu rechnen, je nach Größe und Lage kann sich die Bausumme somit schnell um bis zu 100.000 Euro erhöhen. 

Wege zur Klimaneutralität

Aber nicht nur Neubauten müssen emissionsfrei werden, eine viel größere Herausforderung stellt die energetische Sanierung des Gebäudebestands dar. Während Neubauten in Deutschland zu 71 Prozent eine hohe Energieeffizienzklasse (A, A+ oder B) erreichen, sind es bei Bestandsimmobilien nur 13 Prozent, so eine Studie des Onlineportals McMakler. „Klimaeffiziente Sanierungen sind aus verschiedenen Gründen nicht immer oder manchmal nur eingeschränkt möglich“, erklärt Nicolai Domann, Referent am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Denkmalschutz, fehlende Finanzierung, Fachkräftemangel sowie komplexe Vorschriften und Förderprogramme sorgen dafür, dass die Sanierungsquote in Deutschland bei unter einem Prozent liegt. „Um die Klimaziele zu erreichen, müsste sie aber auf mehr als zwei Prozent pro Jahr steigen“, sagt Domann. 

Nur wenn es gelingt, energieeffizientes Bauen bezahlbar zu machen und den Sanierungsprozess zu beschleunigen, kann der Gebäudesektor den nötigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dazu braucht es laut BBSR neben bereits bestehenden gesetzlichen Vorschriften und Förderungen weitere politische Unterstützung, etwa durch steuerliche Anreize, mehr Planungssicherheit durch verbindliche kommunale Wärmeplanungen sowie Zuschüsse für einkommensschwache Haushalte.

84 Euro
beträgt die durchschnittliche jährliche Stromrechnung im Tour Elithis Danube.
Quelle: Eltihis

108 Prozent
des eigenen Energiebedarfs deckt der Tour Elithis Danube durch seine Solaranlage.
Quelle: Eltihis

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