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Frische Luft statt Dieselmuff

Text von Marie Welling
12.01.2024
Nachhaltigkeit

Konventionell betriebene Fährschiffe belasten Luft und Meere. Immer mehr Regionen und Reedereien setzen daher auf elektrische Antriebe. Doch das funktioniert längst nicht für jedes Schiff.

Für einen Tagesausflug mit der Familie über den Bodensee oder mit der Autofähre von Deutschland nach Dänemark: Im Jahr 2019 sind knapp 4,3 Millionen Passagiere mit einer Fähre gefahren – das sind fast so viele Menschen, wie mit einem Flugzeug geflogen sind. Die meisten Fähren laufen allerdings mit Schiffsdiesel und stoßen erhebliche Mengen an Schwefeloxiden, Stickstoffoxiden, Ruß und Feinstaub aus. Da das nicht gerade umweltfreundlich ist, steuern einige Staaten gegen und setzen auf elektrische Schiffsmotoren.

Im April 2022 gab die norwegische Schifffahrtsbehörde bekannt, dass bis 2026 alle Schiffe auf den westnorwegischen Fjorden emissionsfrei laufen sollen.

Emissionsfreie Fahrten ab 2026

Vorreiter ist Norwegen: Die Küste wird von rund 1.200 Fjorden durchzogen. Fähren gehören hier zum Alltag, wie bei uns Bus und Bahn. Unterwegs weht den Passagieren häufig frische Luft statt Dieselmuff um die Nase, denn immer mehr Reedereien setzen für ihre Schiffe auf elektrischen Antrieb. Insgesamt sind etwa 80 E-Pendlerfähren in Norwegen in Betrieb. Im April 2022 gab die norwegische Schifffahrtsbehörde zudem bekannt, dass bis 2026 alle Schiffe auf den westnorwegischen Fjorden emissionsfrei laufen sollen.

Auch im Süden des Landes, auf dem Oslo-Fjord, geht es voran: Schätzungsweise 3,8 Millionen Menschen sind hier pro Jahr mit der Fähre unterwegs. Das können sie mit gutem Gewissen tun, denn seit 2021 verkehren hier drei Fähren mit E-Antrieb. Laut Betreiber Bastø Fosen spart das bis zu sechs Millionen Liter Schiffsdiesel pro Jahr. Eine davon ist die 139 Meter lange Fähre „Bastø Electric“, die 600 Passagiere und 200 Autos transportieren kann. Sie ist die größte elektrisch betriebene Autofähre der Welt. „Wir haben lange daran gearbeitet, Lösungen für den elektrischen Betrieb unserer Fähren und der dazugehörigen Ladeinfrastruktur zu finden“, sagt Øyvind Lund, Geschäftsführer der Reederei Bastø Fosen.

Immer mehr E-Schiffe auch in Deutschland

E-Fähren sind nicht nur in Skandinavien gefragt. Das Marktforschungsinstitut Fortune Business Insights schätzt, dass sich das Marktvolumen von 3,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 auf 12,9 Milliarden US-Dollar bis 2030 vergrößern dürfte. Auch in Deutschland fahren immer mehr Fähren elektrisch. Auf der Kieler Förde sind zurzeit zwei E-Schiffe unterwegs, ein weiteres kommt bald dazu. Ausgestattet mit jeweils 20 Solarzellen auf dem Dach und zwei E-Motoren können die Schiffe 10 bis 13 Stunden lang fahren. Über Nacht werden die Batterien an den Fähranlegern Bahnhofsbrücke Kiel oder Dietrichsdorf wieder aufgeladen.

Im Süden, auf dem Bodensee, pendelt die MS Insel Mainau seit Oktober 2022 zwischen der Insel Mainau, Unteruhldingen und Meersburg. Insgesamt 3,5 Millionen Euro haben die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) in den Bau des Katamarans gesteckt. Wie in Kiel generieren auch hier Solarzellen auf dem Dach den Strom. Sie decken durchschnittlich 20 Prozent des Energiebedarfs ab. Christoph Witte, Technischer Leiter der BSB, erklärt: „Im Frühsommer 2023 hatten wir sogar Tage, an denen wir 60 Prozent selbst produziert haben.“ Der Rest kommt als grüner Strom aus der Leitung: An der Ladestation in Unteruhldingen kann die MS Insel Mainau innerhalb von fünf Stunden wieder voll aufladen.  

Wie weit ein Schiff fahren kann, wenn es voll aufgeladen ist, hängt - ähnlich wie beim Auto - vom Fahrstil ab. Fährt der Kapitän rasant, kostet das mehr Strom. Hinzu kommen Wetter- und Wellenbedingungen. Wie lang die Schiffsbatterie hält, ist aktuell noch nicht klar: Da die meisten E-Fähren recht neu sind, gibt es hierzu kaum belastbare Daten. Der Direktor des Instituts für Maritime Energiesysteme vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Sören Ehlers, schätzt, dass eine Batterie bis zu 10.000 Ladezyklen halten könnte. Tankt ein Schiff einmal täglich Strom, könnte es in der Theorie also mit einer Batterie rund 27 Jahre fahren. Das gilt allerdings nur unter Idealbedingungen. „Wir testen zurzeit, wie lange die Laufzeit der Batterien unter realen, maritimen Bedingungen aussieht“, sagt Ehlers. 

Ab 2024 sollen im Hamburger Hafen gleich drei Hybridfähren in Betrieb gehen. Die Fähren laufen sowohl mit Diesel als auch elektrisch, und können zusätzlich Brennstoffzellen integrieren.

Ökologischer Rucksack ist auch bei E-Schiffen nicht leer

Trotz geringer Luftverschmutzung sind auch E-Schiffe nicht komplett sauber. Das liegt vor allem an der Produktion der Batterien. Experten gehen davon aus, dass bei der Herstellung zwischen 40 und 100 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde Batteriekapazität entstehen. Bei einem Schiff wie der MS Wellingdorf in Kiel mit einer Speicherleistung von etwas mehr als 1.000 Kilowattstunden wären das immerhin zwischen 43 und 109 Tonnen CO2. Das entspricht in etwa 25 Flügen von Frankfurt nach Sydney. Berücksichtigt werden muss auch die Herstellung der anderen Schiffsteile. Umweltschützer kritisieren außerdem, dass das für die Akkus notwendige Lithium und Kobalt auf Kosten der Umwelt abgebaut wird und die Arbeitsbedingungen hierbei schlecht seien. Fazit: Auch E-Schiffe bringen einen Rucksack mit ökologischen Lasten mit. Trotzdem sind die Schiffe, solange sie mit Ökostrom betankt werden, im Betrieb emissionsärmer als konventionelle Dieselschiffsmotoren. Denn die stoßen im Gegensatz zu E-Schiffen umweltschädliche und mitunter sogar giftige Abgase aus.

Für Forscher Ehlers sind E-Motoren jedoch nur ein Baustein von vielen, wenn es um die Dekarbonisierung der Schifffahrt geht. „Im Vergleich zum Dieselkraftstoff ist die Speicherdichte von Batterien gering“, sagt er und erklärt: „Bei großen Schiffen und weiteren Distanzen müsste man deswegen sehr große Batterien einbauen, die das Schiff wiederum schwerer machen. Wir könnten ein Containerschiff batterieelektrisch antreiben, aber dann ist kein Platz mehr für Container, weil wir den ganzen Raum für Batterien bräuchten.“

Elektrische Antriebe seien besonders für Personen- und kleine Autofähren gut geeignet, da sie nur wenig Gewicht transportieren müssen. Doch auch wenn es um größere Fähren geht, sieht Ehlers Potenzial zur Elektrifizierung. „Ein großer Teil der Energie wird neben dem Antrieb im Sommer für die Kühlung beziehungsweise im Winter für Wärme und Heizung verwendet“, sagt Ehlers. Die Batterie könne hier als Zwischenspeicher funktionieren, um Lastspitzen – wenn der Stromverbrauch kurzfristig stark steigt – abzufangen. Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit sind also reichlich gegeben.

Deshalb verwundert es nicht, dass auch andere Städte dabei sind, die Schifffahrt mit Strom emissionsärmer zu gestalten: Ab 2024 sollen im Hamburger Hafen gleich drei Hybridfähren in Betrieb gehen. Die Fähren laufen sowohl mit Diesel als auch elektrisch, und können zusätzlich Brennstoffzellen integrieren. Im November 2023 ist außerdem die neue E-Fähre Welt ahoi! in Travemünde angekommen. Und auch in Amsterdam sind bereits vier elektrische Fähren unterwegs, die zwischen der niederländischen Hauptstadt und Zaandam auf dem Nordseekanal verkehren.

35 Prozent
der europaweiten Emissionen durch Fähren entstehen hauptsächlich in vier Ländern, darunter Deutschland.
Quelle: Siemens Energy

15.400 Fähren 
waren 2019 weltweit auf Gewässern unterwegs.
Quelle: Interferry

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