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Das zweite Leben der E-Auto-Batterien

Text von Sina Hoffmann
12.07.2024
Nachhaltigkeit

Ob als Rechenzentren-Betreiber, Katastrophenhelfer oder Rikscha-Antreiber: Gebrauchte E-Auto-Batterien können nach ihrem Leben auf der Straße noch eine Menge leisten – und sparen dabei CO2 und Rohstoffe ein. Wir stellen vielversprechende Geschäftsideen zur Zweitverwertung von E-Akkus vor.

Die Batterien elektrisch betriebener Fahrzeuge halten gerade einmal acht bis zehn Jahre. Danach nimmt ihre Leistung so stark ab, dass sie nicht mehr für den Einsatz im Auto ausreicht. Dennoch verfügen die E-Akkus über ein beachtliches Restpotenzial von etwa 70 bis 80 Prozent. Genug für ein zweites Leben, in dem sie weniger stark beansprucht werden. Recycelt werden sie in der Regel nämlich erst, wenn ihre Speicherkapazität auf unter 30 Prozent sinkt. 

Autohersteller und Start-ups tüfteln bereits an neuen Geschäftsmodellen, um die anfallenden Berge an E-Akku-Schrott zu vermeiden. Wie zum Beispiel das Aachener Start-up Voltfang, das aus gebrauchten Batterien Gewerbespeicher herstellt. Doch es gibt noch weitere vielversprechende Ideen. Hier eine Auswahl:

Idee 1: Strom speichern für die Energiewende 

Vor allem Autokonzerne stellen sich die Frage, was mit den gebrauchten Akkus aus ihren E-Fahrzeugen passieren soll. Viele von ihnen – darunter Audi und Elli, die Lade- und Energiemarke von VW – bauen Energiespeichersysteme für das öffentliche Netz und treiben so die Energiewende voran. Laut Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme werden in Deutschland 100 Gigawattstunden (GWh) Stromspeicher benötigt, um die Klimaziele zu erreichen und 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Derzeit beträgt die Stromspeicherkapazität in Deutschland aber nur zwölf GWh. Durch die Zweitverwendung der E-Batterien werden weniger neue Batterien für Stromspeicher benötigt – das spart Rohstoffe und CO₂-Emissionen.

Die gebrauchten E-Auto-Akkus werden in einer Art Container, der von innen wie ein Regal aufgebaut ist, zu leistungsstarken Großbatterien verbunden. Diese Systeme speichern überschüssige Energie aus Wind, Sonne oder Wasserkraft und speisen sie bei Bedarf ins Netz ein. Audi setzt solche Großspeicherprojekte gemeinsam mit Energieunternehmen wie EnBW und RWE um. Mit 60 Batteriesystemen aus dem Audi e-tron kann beispielsweise der Speicher auf dem Gelände des RWE-Pumpspeicherkraftwerks am Hengsteysee 4,5 Megawattstunden (MWh) Strom zwischenspeichern.

Unsere Speichersysteme wurden von Eseln in die sehr entlegenen, zerstörten Dörfer im Atlasgebirge transportiert.
Dr. Rainer Hoenig, Gründer betterpacks

Elli betreibt derzeit eine Pilotanlage zur Zweitverwendung der Batterien in Kassel-Baunatal. Im Juni kündigte das Unternehmen den Bau eines 700-MWh-Speichers in Norddeutschland an. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2025 geplant. Bisher sei der Einsatz von Second-Life-Batterien allerdings noch nicht sinnvoll und flächendeckend möglich, da der Rücklauf noch zu gering ist, heißt es bei Elli.

Idee 2: Mobile Batteriespeicher gegen Energiearmut

Auch als kleinere, tragbare Energiespeichersysteme haben gebrauchte E-Batterien großes Anwendungspotenzial. Unter anderem stellt das Berliner Start-up betteries diese kompakten Speicher her: Die betterpacks werden aus Modulen von gebrauchten Renault-E-Auto-Batterien gebaut und wiegen nur 38 Kilogramm. Aus einer einzelnen Pkw-Batterie lassen sich bis zu sechs Speicher mit 48 Volt bauen. 
Die betterpacks sind echte Multitalente und können sogar Leben retten: 80 von ihnen kamen beispielsweise nach dem schweren Erdbeben 2023 in Marokko zum Einsatz. „Unsere Speichersysteme wurden von Eseln in die sehr entlegenen, zerstörten Dörfer im Atlasgebirge transportiert“, erzählt Gründer Dr. Rainer Hoenig. Die betterpacks stellten die dezentrale Energieversorgung sicher, sodass zum Beispiel Wasser aus den eingestürzten Brunnen gepumpt werden konnte.

Da es in vielen anderen Regionen der Welt ebenfalls keine zuverlässige Energieversorgung gibt – weltweit leben 675 Millionen Menschen ohne Strom – hat das betteries-Team bereits mehr als 1.500 mobile Systeme in mehr als 20 Länder verschickt.

Idee 3: Mehr Freiheit durch E-Rikschas

Auch das deutsch-indische Start-up Nunam setzt sich für eine bessere Stromversorgung ein. Im Rahmen eines Pilotprojekts hat das Unternehmen zwei E-Rikschas, die mit Second-Life-Batterien von Audi fahren, sowie eine Solarladestation, gebaut. „Sie sind seit Anfang des Jahres in Indien im Einsatz“, erzählt Nunam-Mitgründer Prodip Chatterjee.

Die E-Rikschas werden von einer gemeinnützigen Organisation in Indien verwaltet, die sich dafür einsetzt, die Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen auf dem Land zu verbessern. Die Dorfbewohnerinnen können nun sowohl sich selbst als auch ihre selbstproduzierten Waren zum Markt transportieren. Dadurch verdienen sie Geld und führen ein selbstbestimmteres Leben. „Dass Frauen in Indien einen Führerschein haben, selbst Fahrzeuge besitzen und fahren, ist die absolute Ausnahme“, sagt Chatterjee, der das Projekt zusammen mit der Audi Umweltstiftung möglichst schnell ausbauen will.

Gut drei Prozent des weltweiten Stromverbrauchs gehen auf Rechenzentren zurück.

Idee 4: Wasserstoff-Power für Rechenzentren

Besonders in der IT-Branche ist der Energiebedarf hoch – gut drei Prozent des weltweiten Stromverbrauchs gehen auf Rechenzentren zurück. Laut einer Studie von Goldman Sachs Research könnte der Anteil bis 2030 um 160 Prozent steigen. Daher haben die japanischen Autohersteller Honda und Mitsubishi gemeinsam mit dem Chemieunternehmen Tokuyama ein neues Verfahren entwickelt: In einem Pilotprojekt, das seit März 2024 läuft, wollen sie Second-Life-Speicher in Verbindung mit Wasserstoff aus industriellem Abfall zur Stromerzeugung und -speicherung nutzen. Damit soll ein Mitsubishi-Rechenzentrum versorgt werden. Honda hat bereits Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt: 2023 hat das Unternehmen Brennstoffzellen als umweltfreundliche Stromquelle für sein Rechenzentrum in Kalifornien erfolgreich in Betrieb genommen.

Ein ähnliches Projekt plant der Energiekonzern Lumcloon Energy in Irland: Hier soll gemeinsam mit dem südkoreanischen Unternehmen SK Ecoplant Europas erstes brennstoffzellenbetriebenes Rechenzentrum entstehen. Unternehmen können so künftig ihre Betriebskosten senken und unabhängiger vom Stromnetz werden, um eine unterbrechungsfreie Stromversorgung bei Ausfällen oder Belastungsspitzen zu gewährleisten.

Vielverspechende Aussichten

Viele Ideen rund um das zweite Leben von E-Akkus stecken noch in der Testphase und erfordern daher zunächst hohe Investitionen. Zudem ist der Rücklauf gebrauchter Batterien derzeit noch gering. Klar ist aber auch, dass immer mehr E-Autos auf die Straßen kommen. Experten rechnen daher damit, dass der Markt für Second-Life-Batterien in den nächsten Jahren wächst und bis 2031 ein Volumen von mehr als 28 Milliarden US-Dollar erreichen könnte.

65 Prozent
des Stromspeicherbedarfs in Deutschland könnten durch aufbereitete E-Auto-Akkus bis 2030 gedeckt werden.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme

3,4 Millionen
gebrauchte E-Auto-Batterien sammeln sich voraussichtlich bis 2025 weltweit an. 
Quelle: Institute for Energy Research 

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