„Gendersprache nervt“
Die Deutsch-Britin Stevie Schmiedel macht sich für sexismusfreie Werbung stark. Sie wünscht sich, dass der Weltfrauentag überflüssig wäre.
Frau Schmiedel, Sie haben vor mehr als zehn Jahren Pinkstinks gegründet, eine Non-Profit-Organisation, die mit Magazinen, Kampagnen und Bildungsarbeit gegen Sexismus in der Werbung vorgeht. Was hat Sie dazu bewogen?
Ich habe damals zum Thema Gender an einer Universität geforscht und schnell gemerkt, dass sich hinsichtlich Sexismus in der Gesellschaft etwas ändern muss. Vor allem in der Werbung war das sehr deutlich, doch öffentliche Debatten darüber gab es wenige. Ich wollte gute Kampagnen entwickeln, die die Menschen mitnehmen, statt sie in elitärer Sprache zu belehren – wie das oft in der akademischen Forschung der Fall ist.
Auf welchen Erfolg der Organisation sind Sie besonders stolz?
Im Jahr 2017 hat uns das Bundesfamilienministerium gefördert, damit wir die App Werbemelder*in entwickeln konnten. Darüber kann jeder und jede sexistische Werbung melden. Das hat für viel Aufmerksamkeit und Druck in der Werbeindustrie gesorgt. Werbeagenturen haben gemerkt, dass sie etwas ändern müssen. Vor zwei Jahren haben wir gemeinsam mit den größten, deutschen Agenturen die Broschüre „Beton ohne Brüste“ rausgebracht. Darin haben wir die Kreativen der Agenturen zu einem zweistündigen Workshop eingeladen und ihnen die Aufgabe gegeben, sexistische Werbebilder umzuarbeiten, die uns zuvor über Werbemelder*innen eingeschickt wurden.
Was haben Sie sich davon versprochen?
Wir wollten Produzenten sexistischer Werbung zeigen: Es geht mit ganz wenig Aufwand so viel besser. Statt mit erhobenem Zeigefinger zu Genderthemen zu belehren, zeigten wir einfach, wie man es stattdessen machen kann. Es gibt eben nicht nur die Cancel Culture, die alles verbietet, sondern sexy Werbung ist möglich, ohne in die Sexismus-Falle zu tappen.
Pinkstinks differenziert zwischen sexistischer und stereotyper Werbung. Worin liegt der Unterschied?
Stereotyp ist es, wenn der Junge blau trägt und das Mädchen rosa. Das kennen wir, das nervt. Aber richtig sexistisch wird es, wenn sich über den Jungen lustig gemacht wird, wenn er rosa trägt. Oder es ihm sogar verboten wird: Wie bei einem rosa Überraschungsei „nur für Mädchen“. Das ist nicht nur stereotyp, sondern auch diskriminierend und damit sexistisch.
Hat sich die deutsche Werbung denn in den vergangenen zehn Jahren positiv gewandelt?
Auf jeden Fall. Wir haben vier Jahre lang den „Pinken Pudel“ verliehen, einen Preis, der Werbung auszeichnet, die mit stereotypen Geschlechterrollen bricht. Pinkstinks hat den Preis im vergangenen Jahr eingestellt – es gab in den großen Kampagnen kaum noch sexistische Werbung, insofern hätten wir fast alle Werbemacher auszeichnen können. Ich konnte es nicht fassen, als ich beim Deutschen Werbefilmpreis saß und feststellte, dass wirklich jede Werbung diskriminierungsfrei war.
Sie haben im vergangenen Jahr die Kreativleitung bei Pinkstinks niedergelegt und beraten nun Unternehmen. Welche Ziele verfolgen Sie dabei?
Viele Menschen fordern, dass die Politik etwas gegen Sexismus tun muss. Ich erwarte mir allerdings auch viel aus der Wirtschaft: Unternehmen kennen ihre Zielgruppen und wissen, mit welchen Produkten sie punkten. Hier ist also ein großer Hebel, vor allem im Marketing. Sie können eine Sprache sprechen, die alle gut finden – und trotzdem in eine positive, gleichberechtige Richtung gehen.
Apropos Sprache: Die Diskussion um gendersensible Sprache wird mitunter sehr emotional geführt. Wie stehen Sie dazu?
Sprache ist ein emotionales Thema, denn sie begleitet uns unser ganzes Leben und hat etwas mit Heimat zu tun. Doch Sprache wandelt sich, das war schon immer so. Das Problem der Genderdebatte in der Sprache ist, dass die verschiedenen Varianten für Verwirrung sorgen. Was darf ich denn jetzt sagen? Und was nicht? Gendersprache ist noch nicht ausgereift und nervt. Aber sie ist wichtig. Was wir brauchen, ist Verständnis füreinander: Für die Ängste rund um die Sprachevolution, aber auch dafür, warum eine gerechte Sprache so wichtig ist. Wenn den Menschen die Hintergründe einmal freundlich erklärt wurden, sind sie meiner Meinung nach eher bereit, Zugeständnisse zu machen und ihre alten Sprachmuster zu überdenken.
Wie holen Sie Menschen denn in dieser Diskussion ab?
Männer hole ich unter anderem damit ab, dass auch sie Diskriminierung erleben. Männer, die zum Arzt gehen, die weinen, ihre Gefühle ausdrücken, werden häufig als „keine richtigen Männer“ abgestempelt. Älteren Leuten erzähle ich zum Beispiel, dass ich in handgeschrieben Briefen noch „dass“ mit ß schreibe, weil ich mich dabei mit meiner Kindheit verbunden fühle. Damit will ich ihnen Verständnis entgegenbringen und zeigen, dass ich weiß, wie wichtig Sprachmuster sind, die immer da waren. Ich will erstmal einen gemeinsamen Nenner finden.
In Ihrem neuen Buch geht es genau um diesen Dialog zwischen Generationen. Warum ist der so wichtig?
Jeder war mal jung und hatte radikale Ansichten. Das gehört zur Jugend dazu, aber wird im Alter oft vergessen. Es ist wichtig, dass wir uns immer mal wieder an unsere Lebensphasen erinnern, uns alle aussprechen lassen und zuhören.
Rund um den Weltfrauentag haben Sie bestimmt viel zu tun auf Ihrer Mission…
Auf jeden Fall. Der Weltfrauentag wurde lange als Profit-Chance gesehen und nicht als Tag, um auf Gleichberechtigung aufmerksam zu machen. Gerade zum Weltfrauentag bekommen Frauen alles Mögliche günstiger, dabei bräuchten wir eher eine faire Aufteilung von Haushalt und Care-Arbeit. Der Weltfrauentag birgt zudem die Gefahr von Pink-Washing: Hier solidarisieren sich Unternehmen nur aus Marketinggründen mit Vielfalt.
Der Weltfrauentag hat viele Namen, unter anderem feministischer Kampftag oder Frauenkampftag. Welche Bedeutung hat dieser Tag für Sie?
Ich würde mir wünschen, dass es überhaupt keinen Weltfrauentag geben muss. Ich halte auch nichts von Kampf-Sprachbildern, denn kämpfen möchten wir mit niemandem. Für mich bedeutet der Weltfrauentag, dass sich viele Menschen einmal im Jahr sehr intensiv mit Feminismus beschäftigen: dabei sollten wir jeden Tag wirkliche Gleichberechtigung anstreben, nicht nur einmal im Jahr.
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