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Neuer Green Job: der Klimagärtner

Text von Nadja Christ
22.05.2025
Gesellschaft

Als einer der ersten in Österreich macht Julian Jöbstl eine Ausbildung zum Klimagärtner – ein Lehrberuf, den es in Deutschland nicht gibt. Im Interview erzählen er und Ausbilder Rudi Tautermann, was sich hinter dem neuen Berufsbild verbirgt.

Herr Tautermann, Sie bilden einen der ersten Klimagärtner Österreichs aus. Wie kam es dazu?

Rudi Tautermann: Im Juli 2024 hat die österreichische Bundesregierung den neuen Lehrberuf des Klimagärtners offiziell als Green Job anerkannt. Das sind Berufe, die einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Für mich war sofort klar, dass wir eine entsprechende Lehrstelle anbieten. Nachhaltigkeit ist bei uns schließlich gelebte Praxis: Gerade erst ist unser Familienbetrieb in ein Bestandsgebäude umgezogen, das wir komplett nachhaltig saniert haben, mit nachwachsenden Dämmstoffen sowie einer Versickerungsfläche für Regenwasser. 

Julian, Sie haben sich direkt beworben und die Stelle bekommen. Wieso haben Sie sich für die Ausbildung zum Klimagärtner entschieden? 

Julian Jöbstl: Mir ist es wichtig, in meinem zukünftigen Beruf etwas Sinnvolles für dem Klimaschutz zu tun. Besonders cool finde ich Dach- und Fassadenbegrünungen – da sieht man, wie viel Potenzial in bislang ungenutzten Gebäudeflächen steckt. Als ich mich näher damit beschäftigt habe, wusste ich: Die Ausbildung zum Klimagärtner ist genau das Richtige für mich. Man arbeitet mit den Händen und tut gleichzeitig etwas für die Umwelt.

Wie läuft die Ausbildung zum Klimagärtner ab? 

Jöbstl: Die Rahmenbedingungen sind dieselben wie bei der klassischen Ausbildung zum Gärtner: Die Lehrzeit beträgt drei Jahre, inklusive eines Berufsschulblocks von ungefähr zwölf Wochen pro Jahr, der immer von Januar bis März geht. Die restliche Zeit arbeite ich im Betrieb. 

Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen wieder naturbezogener leben wollen.
Rudi Tautermann

Worin unterscheidet sich die Ausbildung zum Klimagärtner von der klassischen Gärtnerlehre? 

Tautermann: Die Unterschiede machen sich vor allem in der Ausgestaltung der einzelnen Themen bemerkbar. Ein wichtiges Thema ist zum Beispiel die Dach- und Fassadenbegrünung, durch die wir die Kanalsysteme entlasten können. Bei Starkregenereignissen läuft das Wasser von den Flachdächern auf befestigte oder asphaltierte Plätze und sofort in die Kanalisation. Mithilfe der Begrünung von Flachdächern verzögern wir diesen Vorgang, weil sich erst einmal das Substrat und die Pflanzen vollsaugen. Das restliche Wasser kommt mit einer Verzögerung von im Durchschnitt einer halben Stunde in der Kanalisation an – meist hat der Starkregen zu diesem Zeitpunkt schon wieder aufgehört. So entschärfen wir viele Überschwemmungsszenarien. 

Das erscheint vor allem für Stadtentwicklung und Baubranche relevant zu sein. Kann der Klimagärtner auch Privathaushalte unterstützen?

Tautermann: Aber sicher. Ich weise meine Kunden immer gerne darauf hin, dass sie auch im kleinen Vorgarten, auf dem heimischen Balkon oder in einem einzelnen Beet Rücksicht auf zum Beispiel die Artenvielfalt nehmen können. Statt Pflanzen mit einer geschlossenen Zierblüte zu wählen, empfehle ich Pflanzen mit einer offenen Blüte, wie Lavendel oder Bienensalbei. Die können Bienen einfacher bestäuben. Zusätzlich kann jeder darauf achten, verstärkt Pflanzen zu setzen, die in Trockenphasen ohne viel Wasser zurechtkommen, damit wir diese wichtige Ressource schonen. 

Welche Pflanzen eignen sich da besonders gut?

Jöbstl: Kräuter wie Rosmarin oder Oregano vertragen viel Hitze, benötigen wenig Wasser und riechen angenehm. Wer keinen grünen Daumen hat, kann Sukkulenten anpflanzen. Das sind dickfleischige Grünpflanzen, die das Wasser sehr gut speichern und Hitze sogar sehr mögen. Sie müssen nur selten gegossen werden.


Klimagärtner – bald auch in Deutschland?

In Deutschland ist eine eigenständige Ausbildung zum Klimagärtner nicht geplant. Das österreichische Konzept umfasst Themen wie Gebäudebegrünung, Wassermanagement und klimaresistente Pflanzen – laut Zentralverband Gartenbau e. V. (ZVG) sind diese Inhalte hierzulande bereits in die herkömmliche gärtnerische Ausbildung integriert. „Unsere Gärtnerinnen und Gärtner lernen standortgerechte Pflanzenauswahl und den Umgang mit klimatischen Veränderungen von Grund auf“, erklärt Yvonne Grau vom ZVG. 

Dennoch befindet sich der Beruf des Gärtners auch in Deutschland im Umbruch: „In seiner derzeitigen Form existiert dieses Berufsbild seit 1996. Seit 2021 finden umfassende Diskussionen zum Neuordnungsverfahren statt“, sagt die Referentin für Bildung und Forschung. Ziel ist es, aktuelle Anforderungen, wie Klimaanpassung und Nachhaltigkeit, systematisch in die Ausbildung zu integrieren. Darüber hinaus entwickelte die DEULA Kirchheim/Teck mit weiteren Akteuren der Branche einen Weiterbildungslehrgang im Bereich Gebäudebegrünung, der künftig als anerkannte Fortbildung für Gärtnerinnen und Gärtner etabliert werden soll.

Aus welchen Gründen entscheiden sich Ihre Kundinnen und Kunden für Dach- oder Fassadenbegrünungen?

Tautermann: Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen wieder naturbezogener leben wollen. In unseren Beratungsgesprächen geht es schnell um ganz praktische Fragen: Wo kann ich Schatten schaffen? Was mache ich, wenn es im Sommer wochenlang zu heiß ist und die Nächte kaum Abkühlung bringen? Früher habe ich oft gehört: ‚Ein Laubbaum macht nur Dreck.‘ Wenn ich heute zum Beispiel erkläre, dass ein ausgewachsener Baum die Umgebungstemperatur im Sommer um bis zu acht Grad senken kann – allein durch Verdunstungskälte – überzeugt das viele.

Wie hoch sind die Kosten für solche Klimagärten im Vergleich zu normalen Gartenprojekten? 

Tautermann: Gut geplante Klimagärten sind meist etwa zehn Prozent teurer als herkömmliche, weil Klimagehölze aktuell nur in kleineren Mengen produziert werden. Etwas aufwendiger und damit kostenintensiver sind Fassadenbegrünungen. Dafür braucht man technische Hilfsmittel wie Draht- oder Metallkonstruktionen, an denen die Kletterpflanzen wachsen können.

Julian, was möchten Sie während Ihrer Ausbildung unbedingt einmal machen? 

Jöbstl: Wie gesagt, besonders interessieren mich Dach- und Fassadenbegrünungen. Die sehen nicht nur richtig cool aus, sondern haben auch einen echten Nutzen. Außerdem finde ich es spannend, zu sehen, wie man mit Pflanzen ganze Gebäude verändern kann.

20 - 30 Prozent
der Tier- und Pflanzenarten weltweit könnten in den nächsten Jahrzehnten durch die Auswirkungen des Klimawandels verloren gehen.
Quelle: WWF 

400 Liter 
Wasser benötigt ein Quadratmeter grüne Rasenfläche in einem Sommermonat, um nicht auszutrocknen.
Quelle: Nabu

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