Privatflüge vor dem Aus?
Kleine Flugzeuge sind um ein Vielfaches klimaschädlicher als andere Verkehrsmittel. Während Umweltorganisationen daher ein Verbot fordern, setzen Politik und Luftfahrtverbände auf nachhaltige Technologien. Te:nor fasst den aktuellen Stand der Debatte zusammen.
Privatjets bedeuten Luxus pur – schnelles Reisen, Flexibilität und Privatsphäre, statt langer Wartezeiten an der Gepäckaufgabe und wenig Beinfreiheit. Allein in Europa starteten laut einer Studie des Beratungsunternehmens CE Delft 573.000 Privatjet-Flüge im Jahr 2022. Sie verursachten 3,4 Millionen Tonnen CO2 – das entspricht den durchschnittlichen jährlichen Emissionen von insgesamt 450.000 EU-Bürgern.
Während sich nur ein Bruchteil der Gesellschaft es leisten kann, privat zu fliegen, trägt die gesamte Bevölkerung die Last der Klimafolgen. Denn im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln verursachen die kleinen Flieger massive CO2-Emissionen: zehnmal mehr als ein Linienflug und bis zu 50-mal mehr als eine Zugfahrt pro Person und Kilometer, so eine Studie der NGO Transport & Environment. Hinzu kommt ein weitaus größerer Anteil an Nicht-CO2-Effekten, die für die Bildung von Kondensstreifen und Eiswolken verantwortlich sind und sich ebenfalls klimaschädlich auswirken.
Brauchen Privatjets stärkere Regeln?
Aufgrund der unverhältnismäßig hohen Emissionen ihrer Privatflüge stehen Prominente, Unternehmer und Politiker wie Taylor Swift, Elon Musk oder Annalena Baerbock immer wieder in der Kritik. Umweltorganisationen fordern sogar ein Verbot von Privatjets und einige Länder wie Österreich, die Niederlande und Frankreich setzen sich für eine strengere Regulierung ein. Doch die EU-Kommission – deren Mitglieder selbst gerne Privatjets nutzen – setzt lieber auf Innovationen wie nachhaltige Kraftstoffe und Regulierungen für den gesamten Luftverkehr.
Nachhaltige Kraftstoffe machen laut internationalem Luftfahrtverband IATA aber bislang durchschnittlich nur 0,2 Prozent des Kraftstoffanteils aus und auch Regulierungen gibt es bisher kaum. Im Gegenteil: Der Luftverkehr genießt gegenüber anderen Verkehrsmitteln erhebliche Privilegien bei der Besteuerung und CO2-Bepreisung. „Wer mit Auto oder Bahn fährt, zahlt mit seinem Ticket Energiesteuern – Airlines nicht. Und für grenzüberschreitende Zugfahrten, zum Beispiel von Köln nach Paris, wird in Deutschland die Mehrwertsteuer fällig – für Flüge entfällt diese“, kritisiert Lena Donat, Greenpeace-Expertin für die Verkehrswende. Die EU-Kommission begründet diese Ausnahmen mit einem zu hohen Verwaltungsaufwand. Dabei könnten die EU-Staaten circa 27 Milliarden Euro mit einer Kerosinsteuer einnehmen – und das Geld in den Hochlauf nachhaltiger Kraftstoffe investieren.
Im Alleingang: Klimaschutz im Flugverkehr
Da Europa sich politisch nicht auf strengere Regeln einigt, bleibt es einzelnen Nationen überlassen, voranzugehen. Frankreich und Spanien sind die ersten Länder, die ein Zeichen für mehr Klimaschutz im Flugverkehr setzen: Sie verbieten Inlandsflüge, deren Strecke in zweieinhalb Stunden mit dem Zug zurückgelegt werden kann. Private Flüge sind von dieser Regelung allerdings ausgeschlossen.
Auch Amsterdam Schiphol, der zweitgrößte Flughafen in Europa, will klimafreundlicher werden. Privatjets sowie besonders laute Flugzeugtypen und Nachtflüge will der Betreiber bis Ende 2025 verbieten. Bereits in diesem Sommer wollte das Flughafen-Management die Kapazität für Privatjets und Passagierflüge reduzieren, da der Airport seit Jahren gegen Umweltauflagen verstößt. Die EU-Kommission lehnte dieses Vorhaben allerdings ab. Der Grund: „Flughäfen unterliegen einer Betriebspflicht, das heißt, dass sie allen Nutzern, egal ob sie in großen oder kleinen Maschinen fliegen, zur Verfügung stehen müssen. Änderungen sind nur möglich, wenn die Betriebsgenehmigung des Flughafens geändert wird“, erklärt Andreas Mundsinger, Geschäftsführer der German Business Aviation Association.
Privatflüge: „Einzelne Verbote bringen nichts“
Hinzu kommt: Abgesehen von rechtlichen Vorgaben, die ein Verbot von Privatjets an Flughäfen oder auf Kurzstrecken nur schwer ermöglichen, führt ein Alleingang kaum zu Einsparungen von Emissionen, sondern eher zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen Ländern. „Einzelne Verbote bringen nichts, der Klimawandel ist global, daher muss die Politik die richtigen Weichen stellen, indem sie einheitliche Regeln schafft, zum Beispiel beim Tanken nachhaltiger Kraftstoffe“, sagt Thomas Belitz, Experte für nachhaltigen Luftverkehr beim Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie. Ohne einheitliche Regelungen könnten Privatjets einfach auf andere Flughäfen ausweichen oder im Ausland tanken, wo Quoten für grüne Kraftstoffe nicht gelten. „Das wiederum führt zu regionalen Verschiebungen und schwächt einzelne Wirtschaftsstandorte“, ergänzt Mundsinger.
Zwei Drittel der in Deutschland gestarteten Privatjetflüge gehen laut der European Business Aviation Association (EBAA) auf Geschäftsreisen (53 Prozent) sowie ambulante und Regierungsflüge (elf Prozent) zurück. „Es gibt immer ein paar Leute, die es übertreiben und mit dem Privatjet in den Urlaub fliegen, aber den Großteil macht die Industrie aus“, so Mundsinger. Denn für die Wirtschaft haben die kleinen Flieger eine große Bedeutung: „Viele Unternehmen sind auf dezentrale Flugplätze angewiesen, die auch nicht-urbane Räume zuverlässig und schnell anbinden.“ So gibt es in Deutschland neben den 23 zentralen weitere 193 dezentrale Flughäfen. Im Vergleich zu Bahn oder Auto sparen Firmen und ihre Manager so wertvolle Zeit.
Mit viel Geld geht viel Verantwortung einher
Greenpeace-Expertin Donat sieht gerade diese Personen in der Pflicht, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen – und sich vorher zu überlegen, ob die Reise notwendig ist oder mit einem weniger klimaschädlichen Verkehrsmittel zurückgelegt werden kann. „Superreiche haben viel Macht, etwa als Vorstände oder Aufsichtsräte von großen Unternehmen, bei denen sie Prozesse, wie die Reiserichtlinien, ändern könnten.“
Eine Befragung des Öko-Instituts Berlin unter 530 deutschen Unternehmen zeigt, dass immerhin ein Viertel der Dienstreisenden dazu verpflichtet ist, den Zug statt das Flugzeug zu nehmen. Allerdings geht es den Unternehmen, die Vorgaben zur Verkehrsmittelwahl machen, vor allem um Kosteneinsparungen – nur acht Prozent der Befragten gaben Nachhaltigkeit als Ziel an.
Der lange Weg zur Klimaneutralität in der Luftfahrtindustrie
Einen Beitrag zur Senkung der Emissionen können neue Technologien leisten, wie nachhaltige Kraftstoffe, Wasserstoff- und Elektroantrieb sowie aerodynamische Designs. Aufgrund ihrer großen finanziellen Ressourcen können sich die Privatjet-Nutzer beispielsweise eine höhere Beimischung von teuren nachhaltigen Treibstoffen leisten oder schneller moderne, innovative Maschinen einsetzen als kommerzielle Fluggesellschaften.
Zum Beispiel testet der kanadische Flugzeughersteller Bombardier derzeit ein nachhaltiges Geschäftsflugzeug mit integrierten Flügeln. Das neue Design soll die Emissionen um 50 Prozent reduzieren, indem es den Luftwiderstand verringert. In Brandenburg wiederum hat die Firma Apus im September 2024 ein Wasserstoffflugzeug vorgestellt, das in den nächsten Monaten in Betrieb gehen soll. Und in Kanada fliegt ein erstes Passagierflugzeug mit elektrischem Antrieb, um entlegene Regionen in British Columbia miteinander zu verbinden.
Obwohl diese Projekte vielversprechend sind und den Fortschritt zeigen, steckt ein Großteil dieser Technologien noch in den Kinderschuhen. Der Weg zu einem vollständig klimaneutralen Luftverkehr ist also noch weit. Umso wichtiger ist es, jetzt die Weichen zu stellen – mit gezielten Investitionen, klaren Regeln und internationaler Zusammenarbeit.
94.000 Privatjets
starteten 2022 an deutschen Flughäfen – also etwa 260 Flüge täglich.
Quelle: Eurocontrol
733 Geschäftsreiseflugzeuge
sind in Deutschland registriert.
Quelle: EBAA
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