Mehr Licht für Freetown
Jeremiah Thoronka wuchs in den Slums von Freetown auf – wie die meisten Menschen in seinem Heimatland Sierra Leone ohne Strom und damit auch ohne Licht. Um die Lage in seiner Heimat zu verbessern, entwickelte er ein spezielles Gerät, das Energie im Straßenverkehr gewinnt. Die saubere, günstige und zuverlässige Methode hat Potenzial.
Das Leben in den Slums von Freetown folgt dem Lauf der Sonne: Mit der morgendlichen Dämmerung beginnt sich Leben zwischen den windschiefen Hütten zu regen. Wird es abends dunkel, kommen auch die Bewohner zur Ruhe. Kaum jemand in den Armenvierteln hat Zugang zu Strom, künstliches Licht ist Mangelware. Nach Sonnenuntergang noch Hausaufgaben erledigen oder gar spielen – für Jeremiah Thoronka war dies nicht möglich. Zusammen mit seinem Bruder und seiner Mutter wuchs er in einem dieser Slumgebiete am Rande der Hauptstadt Sierra Leones auf. Für Licht, aber auch für Wärme war seine Familie auf Holz, Holzkohle und selbst gebaute Laternen angewiesen.
Als Thoronka zehn Jahre alt war, erhielt er ein Stipendium für eine der besten Secondary Schools in der Region. Morgens fuhr er vom Osten Freetowns in den Westen, in eine etwas wohlhabendere Gegend. „Jeden Tag bewegte ich mich zwischen zwei Welten – in einer mit und in einer ohne Strom“, blickte Thoronka im Frühjahr 2022 bei einem Vortrag auf seine Jugend zurück. Er erinnert sich: „In der Schule gab es jedenfalls reichlich Strom.“
Der fehlende Zugang zu Energie ist eines der drängendsten Probleme in Afrika – einem Kontinent, der ohnehin reich an Herausforderungen ist. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass rund 600 Millionen Menschen in den Gebieten der Süd-Sahara ohne Strom auskommen müssen. Laut Sustainable Energy for All (SEforALL), einer internationalen Organisation, die regenerative Energien stärken will, ist der Nachholbedarf in Sierra Leone besonders groß: Nur 26 Prozent der Bevölkerung im westafrikanischen Staat haben Zugang zu Strom – auf dem Land sind es sogar nur fünf Prozent. „Menschen ohne eigenen Stromanschluss müssen oft kostspielige Ladedienste für ihre Telefone in Anspruch nehmen und teure Batterien für ihre Beleuchtung kaufen“, sagt Ingrid Rohrer, Energie Spezialist bei SEforALL. Sie weiß: „Auch Gesundheits- und Bildungseinrichtungen fehlt es häufig an Stromanschlüssen.“
Die Folgen für Umwelt und für Bevölkerung sind gravierend: Um an Brennholz zu kommen, das Wärme und Licht spendet, fällen die Bewohner die Bäume der umliegenden Wälder. Doch die massive Abholzung macht das Land anfällig für Überschwemmungen. Hinzu kommt: Da in vielen Haushalten mit Holz und Kohle geheizt wird, leiden besonders Kinder und Frauen unter Atemwegsproblemen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass in Sierra Leone allein im Jahr 2016 etwa 333.000 Frauen an den Folgen von Luftverschmutzungen starben, denen sie zu Hause ausgesetzt waren. Zudem verursachen offene Feuer oder billige Kerosingeneratoren nicht selten verheerende Hausbrände.
Die Not seiner Nachbarschaft, in der er aufgewachsen ist, brachte Thoronka auf die Idee, nach einer alternativen Form der Stromerzeugung zu suchen. Schon als Schüler entwickelte er ein spezielles Gerät, das Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandelt. Bei dem sogenannten piezoelektrischen Effekt werden Körper verformt und erzeugen so Strom. Thoronka platzierte hierfür Platten in die Oberflächen verkehrsreicher Straßen. Jedes Mal, wenn ein Auto darüber fuhr, veränderten der dadurch ausgeübte Druck und die Vibration die Struktur der in den Platten enthaltenen Kristalle und es entstanden elektrische Ladungen – kleine Energiemengen also, die von Elektroden geerntet wurden. „Auch Fußgänger oder andere bewegliche Objekte, die mit dem Gerät in Kontakt kommen, erzeugen über das Gerät Strom“, sagte Thoronka gegenüber dem US-amerikanischen Onlinemagazin Musings. Der Vorteil seiner Energiequelle: Sie ist sauber, zuverlässig und günstig. Anders als Windkraft- oder Solaranlagen ist das System von Wind- und Wetter unabhängig. Und da nichts verbrannt wird, setzt es auch keine Emissionen frei.
Thoronka, der heute 22 Jahre alt ist, hat für sein Engagement bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Im November 2021 erhielt er den mit 100.000 US-Dollar dotieren Preis „Chegg.org Global Student“ der renommierten Varkey Foundation – einer globalen gemeinnützigen Stiftung, die sich auf die Verbesserung der Bildungsstandards für unterprivilegierte Kinder konzentriert. Dabei setzte er sich gegen mehr als 3.500 Mitbewerber aus 94 Ländern durch. „Jeremiah zeichnete sich durch seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und den Einsatz für das Klima aus“, sagt ein Sprecher der Varkey Foundation. Beeindruckt war die Jury auch vom Start-up Optim Energy, das Thoronka im Alter von gerade einmal 17 Jahren gründete. Im Rahmen eines Pilotprojekts versorgt Optim Energie mit nur zwei piezoelektrischen Geräten 150 Haushalte mit rund 1.500 Bewohnern sowie 15 Schulen, die mehr als 9.000 Schüler besuchen, kostenlos mit Strom.
Schon allein aufgrund des steigenden Energiebedarfs in Sierra Leone liegt in der Stromerzeugung mithilfe Thoronakas Entwicklung enormes Potenzial: Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerung dort bis zum Jahr 2050 von derzeit circa 7,8 Millionen auf etwa 12,5 Millionen Menschen wachsen – und mit ihr auch der Strombedarf. Auch eine Studie der indischen Forscher Hari Anand und Binod Kumar Singh aus dem Jahr 2021 sagt der piezobasierten Energieerzeugung einen großen Boom voraus. Dies liege vor allem daran, dass sich Effizienz und Haltbarkeit der verwendeten Platten künftig schrittweise erhöhen werden.
Thoronka jedenfalls hofft, dass die Menschen in Sierra Leone die stromlose Zeit bald hinter sich lassen können. „Der Zugang zu Energie ist ein Menschenrecht“, sagte er bei der Preisverleihung des Chegg.org-Studentenpreises. Sein Argument: „Wir können in einer Gesellschaft ohne Energie nicht funktionieren.“
34 Kilowattstunden
Strom verbraucht ein Bürger von Sierra Leone pro Jahr im Durchschnitt.
Quelle: www.laenderdaten.info
6.454 Kilowattstunden
Strom verbraucht ein Deutscher pro Jahr im Durchschnitt.
Quelle: www.laenderdaten.info
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