„Leider brauchen wir die Frauenquote“
Fränzi Kühne gilt als eine der renommiertesten Digitalexpertinnen Deutschlands und engagiert sich unter anderem für Diversität und mehr Frauen in Führungspositionen. Im Interview zum Weltfrauentag erklärt sie, wie und warum Jobsharing auch in einer Führungsposition funktionieren kann und dass ihr eine Welt ohne Quotenregelung auch lieber wäre – aber einfach zu langsam.
Frau Kühne, in Ihrem Buch „Was Männer nie gefragt werden: Ich frage trotzdem mal“ drehen Sie den Spieß um und stellen Männern Fragen, die sonst nur Frauen hören. Zum Beispiel so etwas wie „Wer kümmert sich um die Kinder, wenn Sie arbeiten?“. Was fragen Sie Männer im Bewerbungsgespräch tatsächlich?
Fränzi Kühne: Ich mache keinen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau vor mir sitzt. Ich will wissen, mit was für einem Menschen ich zusammenarbeiten würde. Also erkundige ich mich nach Hobbys, nach Familie, auch nach Kindern. Aber: Diese Fragen stelle ich sowohl Männern als auch Frauen – und ich frage weder die einen noch die anderen, wie die Kinder betreut werden. Bei divers zusammengesetzten Teams kommt es sowieso nicht nur darauf an, ob die gleiche Anzahl Männer und Frauen im Team sind. Auch die soziale Herkunft oder der Bildungsweg spielen eine Rolle. Und wenn man schon ein diverses Team hat, ist der Teamfit bei Neueinstellungen oft ausschlaggebend, und da ist das Geschlecht nur ein Faktor von mehreren.
Dann kann es auch eine Herausforderung sein, für ein bestimmtes Team gezielt einen Mann zu suchen, oder?
Ja, absolut. Auch bei Edding gibt es Bereiche die von Frauen dominiert sind wie zum Beispiel Marketing und Kommunikation oder unsere Sparte im Creative Bereich. Hier versuchen wir auch offene Positionen männlich zu besetzen, um eine andere Perspektive reinzubringen.
Laut Managerinnenbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung lag der Frauenanteil in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland 2023 bei rund 18 Prozent. Was muss anders werden, damit wir künftig mehr Frauen auf der höchsten Managementebene sehen?
Wir müssen zum Beispiel die Beförderungsprozesse ändern. Führung wird noch zu oft mit Präsenz verwechselt. Die Menschen, die oft vor Ort zu sehen sind, werden befördert. Frauen arbeiten immer noch häufiger in Teilzeit als Männer, das ist also ein Nachteil für sie. Unser Verhältnis zu Teilzeitarbeit muss sich sowieso ändern. Viele aus der Gen Z wollen gar nicht mehr Vollzeit in einem einzigen Job arbeiten. Sie haben häufig mehrere Projekte, sie haben andere Interessen neben der Arbeit. Das gilt für Frauen und Männer. Aber Führungskräfte brauchen wir ja weiterhin. Wir werden uns also auch unter denen umschauen müssen, die nicht 100 Prozent arbeiten.
Ein gutes Beispiel ist Ihr aktueller Job: Sie arbeiten mit Ihrem ehemaligen Co-Gründer Boontham Temaismithi im Tandem auf der Position des Chief Digital Officers (CDO) bei Edding, also beide in Teilzeit. Verstehen Sie sich als Vorbild für andere?
Auf jeden Fall. Jobsharing ist eben absolut kein Mutti-Modell, um es zugespitzt zu formulieren. Aber weder Management- noch HR-Abteilungen haben das auf dem Schirm. Das ist schade, denn als Tandem auf einer Führungsposition haben wir viel zu bieten. Wir haben automatisch mindestens zwei Perspektiven. Unsere Entscheidungen als CDO gehen durch zwei Köpfe. Außerdem ist der CDO bei Edding das einzige Vorstandsmitglied, das problemlos gleichzeitig in zwei Meetings sein kann.
Sich einen Vorstandsposten zu teilen, klingt nach viel Koordinationsarbeit. Wie regeln Sie das?
Boontham und ich planen ungefähr zwei Monate im Voraus. Wir haben beide auch andere Projekte, deshalb teilen wir nicht nach festen Zeiten auf, sondern sehr flexibel nach Aufgaben und Verfügbarkeiten. Das kann von Woche zu Woche unterschiedlich sein. Wir notieren alles in OneNote und wechseln wochenweise, wer welche Termine besetzt oder in welche wir zusammen reingehen. Und natürlich sprechen wir täglich mehrmals miteinander – nicht nur, weil es sein muss, sondern weil es einfach sehr großen Spaß macht, mit ihm auf dieser Position zu arbeiten.
Man tritt Ihnen sicher nicht zu nahe, wenn man feststellt: Sie haben Karriere gemacht. Andere Frauen möchten vielleicht nicht die Karriereleiter hinaufsteigen, aber dennoch für die gleiche Arbeit gleiches Gehalt wie ihre männlichen Kollegen beziehen. Was raten Sie ihnen?
Das ist eine absolut berechtigte Forderung! Es gibt keinen Grund, warum Frauen weniger verdienen sollten als Männer, das gilt für jede Sprosse der Karriereleiter. Deshalb brauchen wir Gehaltstransparenz in den Unternehmen. Das ist leider oft nicht der Fall, aber unabdingbar, um etwaige Ungleichbehandlungen sichtbar zu machen. Wenn Gehälter ungleich sind, obwohl Frauen und Männer gleiche Arbeit auf gleicher Position leisten, sollten Frauen nachfragen, warum das so ist. Und wenn die Antworten darauf nicht valide sind, rate ich ihnen, zu kündigen. Ihre Arbeitskraft ist wertvoll. Sie sollten sie nicht dort verschleudern, wo sie offenbar nicht gewürdigt wird.
Ein ähnliches Streitthema wie das Gehalt ist die Quote. Manche Frauen sagen, wir brauchen die Quote nicht, sie können und wollen sich durch Leistung hocharbeiten. Wie sehen Sie das?
Zu diesen Frauen gehörte ich auch. Als ich meine eigene Firma geführt habe, dachte ich: Man kommt durch Leistung weiter, Quote ist doch Quatsch. Aber spätestens seitdem ich im Aufsichtsrat bei Freenet war, weiß ich, dass die gläserne Decke real ist. Ich habe diese Erfahrung nie selbst gemacht, aber ich habe es beobachtet und meine Meinung geändert. Leider brauchen wir die Quote, denn Druck erzeugt Bewegung. Es gibt Zahlen, die zeigen, dass wir mit der Quote noch 18 Jahre brauchen, bis wir eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen haben. 18 Jahre klingt komplett inakzeptabel – aber immer noch besser als 60 Jahre. Das wäre die Zeitspanne, die wir ohne Quote bräuchten. So lange kann niemand ernsthaft warten wollen.
Zum Abschluss noch eine Frage zum Anlass unseres Gesprächs: Welche Bedeutung hat der Weltfrauentag für Sie?
Als Berlinerin habe ich eine besondere Perspektive auf diesen Tag. Hier in Berlin ist der 8. März seit 2019 ein Feiertag. Das finde ich super. Es ist wichtig, dass wir an und mit einem solchen Tag darauf aufmerksam machen, dass Frauen in der Wirtschaft, in der Politik und in der Gesellschaft immer noch benachteiligt sind.
Zur Person:
Fränzi Kühne, geboren 1983 in Berlin, ist Mitgründerin und ehemalige Geschäftsführerin der Digitalagentur TLGG GmbH, die Kunden wie die Lufthansa, BMW und E.on berät. Kühne hat seit 2017 Erfahrungen als Aufsichtsrätin gesammelt, zunächst als jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands bei der Freenet AG, später bei der Württembergischen Versicherung AG. Aktuell bekleidet sie gemeinsam mit Boontham Themaismithi die Position des Chief Digital Officer bei Edding. Sie engagiert sich für Frauen in Führungspositionen, unter anderem als Mitglied des Stiftungsbeirats der AllBright Stiftung.
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