Die Senkrechtstarter der Luftfahrt
Für die einen sind sie Spinnerei, für die anderen der Schlüssel zu grüner Mobilität: Flugtaxis. Ob in Deutschland, China oder den USA – weltweit arbeiten Start-ups an der Zukunftstechnologie. Wer macht das Rennen? Und können Flugtaxis den Verkehr tatsächlich nachhaltiger machen?
Das Versprechen klingt visionär: Flugtaxis sollen das Fliegen alltäglich machen – und ganz nebenbei auch noch nachhaltig. Noch gelten fliegende Taxis als Zukunftstechnologie, doch schon in wenigen Jahren könnten die ersten Modelle auf ausgewählten Strecken in den Regelbetrieb gehen. Experten halten das Jahr 2025 für realistisch. Dann könnte zum Beispiel die Reise von Nürnberg nach München nicht mehr über eine verstopfte Autobahn gehen. Stattdessen blickt der Passagier aus dem elektrisch betriebenen Flugtaxi von oben auf den Stau hinab. Er könnte in einem Lilium-Jet sitzen, einem stromlinienförmigen, futuristisch anmutenden Kleinflugzeug. Dessen 36 Elektrorotoren sind in die Tragflächen integriert und können den Jet beim Start senkrecht in die Höhe heben.
Das Münchener Start-up Lilium gehört neben den Firmen Volocopter, Archer Aviation, Joby Aviation, EHang und Vertical Aerospace zu den bekanntesten der Branche. Weltweit gibt es gut hundert Flugtaxi-Projekte; viele von ihnen werden wohl keinen Erfolg haben. Auch Daniel Wiegand hat solche Prognosen schon oft gehört. Der Lilium-Mitgründer und -Geschäftsführer ist Kritik und Skepsis gewöhnt – lässt sich davon aber nicht beeindrucken. Mit drei weiteren Absolventen der Technischen Universität München gründete er im Jahr 2015 das Unternehmen mit Sitz in Weßling nahe der bayerischen Landeshauptstadt. Mittlerweile zählt es über 700 Mitarbeiter an vier Standorten weltweit. Das Team hat bereits den vierten Prototypen des Taxi-Jets entwickelt. Im Jahr 2024 soll das erste Lilium-Modell in den Testbetrieb gehen, so das ambitionierte Ziel. Der Zeitdruck ist groß, denn die Konkurrenz schläft nicht. In der Flugtaxi-Branche laufen Wettrennen um Patente, Investitionsrunden, Betriebszulassungen und Produktionsaufträge. „Schnelligkeit in der Entwicklung und der technologische Fortschritt werden am Ende darüber entscheiden, wer das Rennen macht“, zitierte die Thüringer Allgemeine den Lilium-Vorstand.
Die Wettbewerber aus Deutschland und den USA
Zu Liliums deutschen Konkurrenten gehört der baden-württembergische Flugtaxihersteller Volocopter. Schon im Jahr 2019 sorgte er mit seinem ersten Testflug für Aufsehen. Hunderte Schaulustige hatten sich in Stuttgart versammelt und legten die Köpfe beeindruckt in den Nacken, als das Flugtaxi ein paar Runden über dem Mercedes-Benz-Museum drehte – für immerhin vier Minuten. „Ich kann mir absolut vorstellen, den Volocopter zu nutzen“, sagte der baden-württembergische Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann am Rande der medienwirksamen Veranstaltung. Der Volocopter erinnert weniger an ein Flugzeug, sondern wirkt eher wie eine Mischung aus Drohne und Helikopter. Über der Kabine sind 18 Kleinrotoren kreisförmig angeordnet, das Vehikel kann damit senkrecht in die Höhe starten – wie in der Branche üblich natürlich emissionsfrei dank Elektroantrieb.
Ein weiterer Branchen-Pionier ist Joby Aviation. Die US-Amerikaner gingen bereits im Jahr 2009 an den Start und setzen auf große Rotoren an kurzen Tragflächen. Nach den Plänen von Joby-Gründer Ben Bevirt sollen hunderte seiner Flugtaxis bald auch über Berlin und andere deutschen Metropolen fliegen – genaugenommen ab dem Jahr 2024, so die Kampfansage an die deutsche Konkurrenz. Die „Taxis“ sollen nicht nur betuchte Geschäftsreisende, sondern auch Touristen und Pendler an Bord nehmen. „Für jede Fahrt, die heute länger als 30 Minuten dauert, können wir eine bessere Alternative anbieten“, sagte Bevirt dem Handelsblatt und nannte ein Beispiel: In Los Angeles brauche das Joby-Taxi vom Flughafen ins Stadtzentrum acht Minuten; ein herkömmliches Taxi sei 40 Minuten unterwegs.
Auch chinesische Unternehmen beteiligen sich am Wettrennen der Flugtaxi-Pioniere. EHang zum Beispiel beendete das Jahr 2021 mit seinem ersten autonomen Testflug auf Bali und startete mit dem Vorsatz in das neue Jahr, eine Typenzulassung für sein Flugtaxi zu erhalten – noch vor der US-amerikanischen und der europäischen Konkurrenz.
Grüne Vision oder nichts als heiße Luft?
Die Prototypen der Branchen unterscheiden sich in Design und technischen Ansätzen, setzen aber alle auf Elektro- oder Wasserstoffantrieb. An ihre Innovationen knüpfen sie das Versprechen einer grünen Mobilitätswende. Wer Elektroantrieb und Fliegerei erfolgreich zusammenbringt, hat auf den ersten Blick direkt ein Nachhaltigkeitssiegel. Denn die herkömmliche Luftfahrt verursacht hohe Emissionen und sucht nach Wegen, ihre CO2-Bilanz zu reduzieren. Doch Flugtaxis werden ein vollkommen neues Marktsegment erschaffen, nicht Mittel- und Langstrecken bedienen. Stattdessen zielen sie vor allem auf innerstädtischen und regionalen Verkehr ab und müssen sich mit Bus, Bahn und Auto messen lassen.
Auch für diese Verkehrssysteme arbeiten Unternehmen an Nachhaltigkeitskonzepten und haben zudem den Vorteil einer bestehenden Infrastruktur. Eine solche muss für Flugtaxis erst noch entstehen, ihr Aufbau wird die Umweltbilanz erst einmal verschlechtern. „Lufttaxis werden nur Erfolg haben, wenn sie in das bestehende Verkehrsnetz eingebunden sind“, sagt Federico Magno, Geschäftsführer des Bereichs Mobility bei Porsche Consulting. „Aber ihren Anteil am globalen Mobilitätsmarkt schätzen wir selbst dann auf weniger als 0,3 Prozent im Jahr 2035.“ Allein für diese mickrig anmutende Marktgröße müssten mindestens eine halbe Million Passagiere täglich mit einem Flugtaxi unterwegs sein. Dazu wären zwischen 1.000 und 2.500 Start- und Landeplätze in bis zu 60 geeigneten Städten weltweit nötig, rechnet Porsche Consulting in einer Studie vor und kommt zu einem harten Urteil: Lufttaxis werden die aktuellen und künftigen Verkehrsprobleme kaum lösen.
Auch bei den potenziellen Kunden wäre das Nachhaltigkeitsversprechen nicht das entscheidende Argument für eine Fahrt im Lufttaxi. Vielmehr interessiert sich die Mehrheit der Befragten in einer McKinsey-Studie in sechs Ländern für die neuartigen Verkehrsmittel, weil diese eine schnelle und komfortable Alternative zu den bestehenden Angeboten sein könnten. Als eine solche will sich Lilium zunächst in seiner Heimatregion etablieren. Der Albrecht-Dürer-Airport in Nürnberg plant dafür einen sogenannten Vertiport, ähnlich einem Hubschrauber Start- und Landeplatz, für den Luft-Shuttleverkehr nach München und absehbar in weitere Städte. Dem Flughafen haben zusätzlich zur Coronapandemie die gestrichenen Linienflüge nach München das Geschäft in den vergangenen Jahren ordentlich verdorben. Die Inlandsverbindung wurde aus Umweltgründen gestrichen, denn die Emissionsbelastung war für die Kurzstrecke kaum zu rechtfertigen. Mit den Flugtaxis soll nun ein Neustart gelingen – in eine grünere Zukunft.
583 Patente
Patente im Bereich Urban Air Mobility mit Wirkung in Deutschland im Jahr 2020
Quelle: Deutsches Patent- und Markenamt
2.500.000 US-Dollar
Geplante Produktionskosten für einen Lilium-Jet
Quelle: Lilium
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