Zum Seiteninhalt springen Zur Fußzeile springen

Alles wird digital. Oder doch nicht?

Text von Christoph Koch
05.11.2024
Gesellschaft

„Software is eating the world“ – Software verschlinge die Welt, so ein geflügeltes Wort der TechBranche. Alles werde nach und nach digital. Und tatsächlich sieht es überall danach aus, auch beim Thema Bezahlen. Doch ein Gegentrend lässt sich ausgerechnet bei der Fotografie erkennen.

Goodbye Bargeld

Am beliebtesten ist der Fünfziger. Rund 14,6 Milliarden 50-Euro-Scheine waren 2023 EU-weit in Umlauf, fast dreimal so viel wie vom zweitbeliebtesten, dem Zwanziger (4,9 Milliarden). Doch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bargeld insgesamt weniger gefragt ist. Zwar sprechen sich in Umfragen regelmäßig ungefähr zwei Drittel der Deutschen für das Bargeld als liebstes Zahlungsmittel aus und wollen unter keinen Umständen darauf verzichten – mal aus Angst vor Überwachung, mal, um Ausgaben besser über blicken zu können. Aber in der Realität verschwindet das Bargeld dennoch nach und nach. Wurden 2005 noch 64 Prozent aller Zahlungen im Einzelhandel in bar getätigt, waren es 2022 nur noch 38 Prozent. Die Verschiebung hin zu Kartenzahlungen ist stetig. Corona hat sie für kurze Zeit noch etwas beschleunigt.

Die Angst, das Bargeld könne komplett abgeschafft werden, schüren derzeit vor allem rechtspopulistische Stimmen. Dabei sprechen sich selbst Steuerfahnderinnen und Kriminologen nicht für eine völlige Abschaffung des Bargelds aus. Wohl aber schlagen sie Obergrenzen für Barzahlungen vor, wie sie in Italien mit 5.000 Euro bereits existiert. Auch Geschäftsbetreiber bekennen sich immer häufiger zu bargeldlosem Zahlungsverkehr: Es geht schneller, und der Schwund in den Kassen durch illoyales Personal wird weniger. Karten- und Digitalzahlungen kosten zwar Gebühren, doch Geldtransporte, Tresore, Münzrollen von der Bank und die Zeit fürs Zählen sind ebenfalls nicht gratis.

Die größte Gefahr droht dem Bargeld weniger durch eine verordnete Abschaffung „von oben“. Sondern vielmehr durch ein langsames Ausschleichen, weil es immer mehr Menschen vor und hinter den Kassen immer unattraktiver finden.

Hello Analoges Fotografieren

Lange schienen die guten alten Fotoabzüge ein offensichtliches Opfer der Digitalisierung zu sein. Zu umständlich und teuer das Einlegen und Entwickeln von Filmen, wenn man doch mit Digitalkameras und Smartphones so viel knipsen konnte, wie man wollte. Zudem lassen sich digitale Bilder bequemer bearbeiten, verschicken und in den sozialen Medien teilen.

Doch seit einigen Jahren ist ein gegenläufiger Trend zu beobachten. Natürlich werden immer noch jeden Tag Millionen von Smartphone-Fotos geschossen. Doch ausgerechnet Sofortbildkameras erleben ein kleines Comeback: Zwar ging mit Polaroid die bekannteste Firma der Sparte 2001 erstmals pleite. Doch Liebhaber handeln nicht nur die alten und wieder instand gesetzten Kameras von früher. Sie sorgen – zuerst unter dem Namen „The Impossible Project“, später unter dem wiederbelebten Markennamen Polaroid – auch dafür, dass weiterhin Kameras und Filmmaterial hergestellt werden.

Mit Fujifilm und Lomo’Instant erleben weitere Anbieter einen Aufschwung. Das lässt sich auch in Zahlen belegen: Während die Anzahl der verkauften digitalen Spiegelreflexkameras im Jahr 2023 um 28 Prozent auf 61.000 Geräte sank, wurden mit 490.000 Sofortbildkameras sechs Prozent mehr verkauft als im Vorjahr.

Und wer wedelnd zuschauen möchte, wie auf einem Sofortabzug ein Motiv erscheint, und dieses trotzdem im Netz teilen will: Für den gibt es inzwischen auch Hybridmodelle aus Digital- und Sofortbildkamera.

 

Dieser Artikel ist zuerst in Character erschienen, dem Gesellschaftsmagazin der Bethmann Bank. Weitere Informationen zur aktuelen Ausgabe finden Sie auf unserer Webseite.

Unser Nachhaltigkeitsnewsletter Be.Wirken

Ähnliche Artikel