„Ackern verändert den Konsum der Kinder“
Seit zehn Jahren zeigt der Verein Acker Kindern, woher unser Gemüse kommt, welche und wie viel Arbeit dahintersteckt. Gründer Christoph Schmitz erzählt im Interview, wie er auf die Idee kam, mit Schulklassen auf den Acker zu gehen und wie die Kinder darauf reagieren.
Christoph, was hat dich motiviert, den Verein Acker zu gründen?
Christoph Schmitz: Mir ist aufgefallen, dass vor allem Kindern zunehmend der Bezug fehlt, woher unsere Lebensmittel kommen. Wer nicht auf einem Bauernhof groß wird, muss erst einmal verstehen, dass Gemüse nicht einfach aus dem Supermarkt kommt. Früher war es normal, dass der Nachbar oder die Oma einen Gemüsegarten hatten und dort ihr eigenes Essen angebaut haben. Das passiert heutzutage immer seltener – und damit schwindet auch das Verständnis für die Herkunft unserer Lebensmittel.
Gab es für dich ein Schlüsselerlebnis?
Ich selbst bin in einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen. Bei uns kamen immer wieder Schulklassen vorbei, denen meine Mutter unseren Hof zeigte. Als 2012 meine Tochter geboren wurde, habe ich mich gefragt, wie sie als Stadtkind, im Vergleich zu mir, groß wird. So kam mir die Idee, das Konzept meiner Mutter umzudrehen: Statt Kinder auf den Hof zu bringen, bringen wir den Hof zu den Kindern – oder eben einen Acker. Dort pflanzen wir gemeinsam Gemüse an und können den Kindern den ganzen Zyklus zeigen, vom Samenkorn bis zur Ernte und der Verarbeitung.
Hinter Acker steckt aber noch mehr.
Ja, wir wollen den Kindern damit auch erklären, wie unser Wirtschaftssystem funktioniert – oder im besten Fall funktionieren sollte. Durch unsere Programme lernen die Kinder, Lebensmittel wertzuschätzen und wie wichtig es ist, regional und saisonal zu konsumieren.
Wie bringt ihr einen Acker in die Schulen?
Wichtig ist, dass die Äcker möglichst nah an der Schule liegen. Da die Kinder pro Woche nur etwa zwei Stunden ackern, sollten sie nicht immer erst eine Viertelstunde zu einem Feld laufen müssen. Die meisten Äcker pflanzen wir deshalb auf einer Wiese auf dem Schulgelände, am liebsten im Schulgarten. Zwischen 50 und 300 Quadratmetern ist jede Größe dabei. Und wenn es gar nicht anders geht, bauen wir auch auf dem Schulhof Hochbeete. Oder wir kooperieren mit Landwirten und Landwirtinnen und nutzen ein nahegelegenes Feld.
Ihr seid auch in Kindergärten unterwegs. Wie sind die Reaktionen in den jeweiligen Altersgruppen?
Besonders die Kindergartenkinder bekommen extrem große Augen und sind sehr neugierig. Sie staunen und entdecken, während sie erste Bezüge zu Lebensmitteln aufbauen und zum Beispiel verstehen, dass Kartoffeln nicht immer gelb und Karotten nicht immer orange sind. In der Schule geht es schon mehr darum, konkretes Wissen zu vermitteln, auch, weil wir uns am Lehrplan orientieren. Aber hier freuen sich die Kinder genauso, in die Natur zu gehen und selbst für ihren Acker verantwortlich zu sein.
Das spricht die Kinder doch bestimmt ganz anders an als der Unterricht im Klassenzimmer.
Auf jeden Fall. Manche Kinder haben anfangs zwar noch starke Berührungsängste, aber viele tauen von Woche zu Woche auf. Besonders eindrucksvoll ist es, wenn sich ein Kind zuerst gar nicht traut, die Hände in die Erde zu stecken, und dann auf einmal total begeistert von der Arbeit auf dem Acker ist. Manchmal blühen auch plötzlich Schülerinnen und Schüler auf, die im normalen Unterricht gar nicht mitkommen. So etwas ist selbstverständlich eine tolle Rückmeldung für uns.
Welches Erlebnis ist dir besonders im Kopf geblieben?
Ich kann mich noch genau an die ersten Gespräche mit Schulen erinnern. Vor allem daran, wie viel Kopfschütteln wir am Anfang bekommen haben. Bei einer Schule war ich bestimmt sechs Mal, bis der Schulleiter zugesagt hat – wahrscheinlich nur, damit ich endlich aufhöre, ihn zu nerven. Erst kürzlich war ich zum Jubiläum an dieser Schule: Den Acker dort gibt es nun seit zehn Jahren und der Schulleiter war total stolz, dass er mit uns einen guten Riecher hatte.
Wer finanziert eure Programme?
Der Großteil des Geldes kommt von unseren Förderpartnern, also von Unternehmen, Stiftungen, Krankenkassen oder auch öffentlichen Förderern. Sie übernehmen den größten Teil der Kosten für einen Acker. Dazu kommt ein kleiner Eigenanteil, den die Schule oder der Kindergarten bezahlt. Der ist uns wichtig, da er erstens Wertschätzung für unsere Projekte ausdrückt und uns zweitens etwas unabhängiger macht. Je nach Finanzlage der Schule staffeln wir diesen Eigenanteil. Unser Ziel ist es, nach vier Jahren die Kosten so weit gesenkt zu haben, dass die Einrichtung mit ihrem Eigenanteil den Acker weiter bepflanzen kann.
Es gibt euch mittlerweile seit zehn Jahren. Was habt ihr in dieser Zeit erreicht?
Ackern macht den Kindern nicht nur Spaß, sondern verändert auch, wie sie konsumieren und mit der Natur umgehen. Aus Befragungen der Lehrkräfte wissen wir: Fast 60 Prozent der Kinder essen mehr Gemüse als vorher und mehr als 70 Prozent schätzen Lebensmittel mehr und werfen weniger weg. Laut Befragungen früherer Teilnehmender beeinflusst Acker sogar noch den Konsum von jenen, die bereits vor zehn Jahren mit uns geackert haben. Und nicht zuletzt können die Kinder auch nach dem Verlassen der Grundschule weiterhin ihr eigenes Gemüse anbauen, da sie alles Nötige gelernt haben.
Zur Person:
Christoph Schmitz ist promovierter Agrar- und Wirtschaftswissenschaftler. Bereits während seines Studiums hat er das Sozialunternehmen DeCo! im Bereich Nachhaltige Landwirtschaft gegründet. 2014 gründete er den Verein Acker, der mittlerweile mehr als 200 Mitarbeitende zählt. Mit der Gemüse-Ackerdemie hat Schmitz das am häufigsten ausgezeichnete Bildungsprogramm Deutschlands ins Leben gerufen.
So arbeitet Acker:
Das Jahr der Gemüse-Ackerdemie beginnt im Februar. Zwei Monate lang bereiten die Acker-Mitarbeitenden Lehrkräfte auf das kommende Jahr vor und die Kinder lernen im Unterricht verschiedene Gemüsesorten kennen. Von April bis Oktober pflanzen, pflegen und ernten die Kinder ihr eigenes Gemüse. Danach, von Oktober bis Januar, geht es wieder an die Theorie: Die Klasse beschäftigt sich mit der globalen Lebensmittelindustrie, etwa mit dem Einsatz von Pestiziden, den mitunter sehr langen Transportwegen oder auch mit Themen zu Arbeitnehmendenrechten. So sollen Kinder verstehen, wie sich ihr Konsum in der Welt auswirkt. In dieser Zeit ist der Acker in der Winterpause, bis im nächsten Jahr wieder Gemüse gesät wird.
Neben Schulen haben seit 2015 auch Kindergärten und Kitas die Möglichkeit, Gemüse selbst zu pflanzen. Über die Ackercompany richtet sich Acker außerdem an Unternehmen. Daneben können auch Lehramtsstudierende in der Campus-Ackerdemie lernen, wie sie Kindern das Ackern beibringen. Bisher haben mehr als 300.000 Kinder aus Kitas, Kindergärten und Schulen auf mehr als 106.000 Quadratmetern geackert.
78 Kilogramm
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Quelle: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
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