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„Frauen spekulieren nicht, sie investieren“

Text von Maria Kessen
01.03.2022
Gesellschaft

Männliche Anleger zocken gern mit ihrem Geld, während Anlegerinnen erst nach gründlicher Risikoabwägung investieren. Was wie ein Klischee klingt, hat einen wahren Kern, meint Anne Connelly, Gründerin des Frauen-Finanzportals herMoney. Die Zurückhaltung mache Frauen zu besseren Anlegern – führe oft aber auch zu gefährlicher Passivität. Zudem wollen Frauen wissen, wo ihr Geld landet. Daher stehen nachhaltige Anlagen bei ihnen hoch im Kurs. Doch wie komplex das Thema ESG ist, sei vielen zunächst nicht bewusst.

© HerMoney.de
Foto: HerMoney.de

Frau Connelly, der 7. März markiert den Equal Pay Day – einen Tag vor dem Weltfrauentag am 8. März. Frauen verdienen nicht nur weniger Geld als Männer, sie investieren auch seltener Geld. Warum sind sie bei der Geldanlage zurückhaltender als Männer?

Historisch betrachtet wurden Frauen oft vom Geld ferngehalten und darauf gepolt, auf Nummer sicher zu gehen. Bis heute scheuen viele das Risiko einer Geldanlage. Die meisten Frauen bringen ihr Geld lieber auf die Bank oder investieren in eine Immobilie, statt sich mit den Schwankungen an den Aktienmärkten auseinanderzusetzen. Hinzu kommt: Oft unterschätzen Frauen die eigenen Fähigkeiten und wollen die Märkte erst wirklich verstehen, bevor sie investieren. Während viele Männer auch mal mit gefährlichem Halbwissen ins Risiko springen, tendieren Frauen zu Über-Information. Aber es gilt: Gar nicht zu investieren, bedeutet wegen der Inflation immer einen Wertverlust. Wer langfristig Vermögen aufbauen will, muss an den Aktienmarkt. Der jüngeren Generation von Anlegerinnen ist das zunehmend bewusst.

Macht die wohlüberlegte Risikoabwägung Frauen zu besseren Anlegern?

Durchaus. Die meisten Frauen spekulieren nicht, sie investieren. Sie betrachten Geldanlage nicht als Spiel und gehen sie nicht mit sportlichem Ehrgeiz an – anders als manche Männer. Anlegerinnen wollen einfach finanziell vorsorgen. Studien zeigen, dass sie längerfristig an ihrer Strategie festhalten und bei ihren Investitionsentscheidungen weniger wankelmütig sind als Männer. Sie bleiben auch in Abwärtsphasen auf Kurs. Das zahlt sich auf lange Sicht zumeist aus.

Frauen investieren am liebsten in nachhaltige Geldanlagen. Ist das ein Klischee?

Das ist kein Klischee, sondern eine Tatsache, die schon mehrere Studien belegt haben – wie zuletzt etwa eine Erhebung der amerikanischen Investmentbank BNY Mellon. Auch auf unserem Finanzportal herMoney stoßen Beiträge über nachhaltige Geldanlagen auf großes Interesse. Das zeigt: Viele Frauen wollen mit ihrem Investment nicht nur Geld verdienen, sondern auch etwas Positives bewegen. Unsere Leserinnen stellen kritische Fragen, wenn es um Nachhaltigkeit geht: Wie passen Nachhaltigkeit und Aktien zusammen? Wie kann ich guten Gewissens investieren? All dies versprechen sogenannte ESG-Anlagen. Das Kürzel steht für Environment, Social, Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, und umfasst Aspekte nachhaltiger Geschäftsaktivitäten von Unternehmen.  

Worauf kommt es Frauen bei ESG-Anlagen an?

Den meisten ist vor allem an dem E für Environment gelegen. Oft stellen wir fest: Bei der Auswahl eines Fonds steht das Thema Umweltschutz ganz klar im Vordergrund, während die Kriterien Soziales und Governance hintenanstehen. Meist liegt das daran, dass sich Frauen mit diesen Punkten noch nicht intensiv beschäftigt haben. Auf unseren Events erklären wir deshalb auch das S und G.

Es gibt eine ganze Reihe verschiedener ESG-Label für Finanzprodukte. Sind sie tatsächlich eine Hilfe für Einsteigerinnen?

An einem Label wie dem des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG-Label) kann man sich durchaus orientieren. Es nimmt nachhaltige Investmentfonds im deutschsprachigen Raum nach festdefinierten Standards unter die Lupe. Damit ein Fonds das Label erhält, sind etwa Investitionen in Atomkraft, Kohlebergbau und Waffen ein Tabu. Andere Label akzeptieren hingegen Investitionen in Atomkraft. Das Beispiel zeigt: Man muss erst mal verstehen, wie die unterschiedlichen ESG-Label zustande kommen und welches zu den eigenen Überzeugungen passt. Das ist eine Kunst für sich.

Zu welchen Anlageformen raten sie Einsteigerinnen?

Wer gerade erst die Börse in ihren Grundzügen verstanden hat, sollte nicht etwa mit Bitcoins starten. Ich empfehle für den Einstieg Aktienfonds und sogenannte Exchange Traded Funds (ETFs). Die sind anders als ein herkömmlicher Fonds nicht aktiv gemanagt, sondern basieren auf einem Index. Auch Profis setzen auf diese Anlageform. ETFs sind steuer- und kosteneffizient. Aber Frauen sollen ruhig auch einen kleinen Anteil ihrer Anlagesumme nutzen, um sich mit anderen Anlageformen auszuprobieren.

Also ist Learning by doing der richtige Weg an die Börse?

Nein, den Königsweg gibt es nicht. Wir raten Frauen entschieden, sich um die eigene Vorsorge zu kümmern. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich ab sofort im Alleingang um Geldanalagen kümmern müssen. Sie können sich selbst schlau machen. Je nach Vermögenssituation und Bedarf kann aber auch eine Beratung durchaus sinnvoll sein.

Um sich zu Finanzthemen schlau zu machen, finden immer mehr Frauen den Weg zu herMoney. Was erwartet sie dort?
HerMoney ist das größte unabhängige Finanz-Portal für Frauen in Deutschland. Wir bieten auch digitale Events und Webinare an. Während in der Finanzbranche bei solchen Zusammenkünften in der Regel Männer klar in der Überzahl sind, drehen wir das Verhältnis um. Bei uns haben die Frauen das Sagen.

Der Kreis der Anlegerinnen wird größer. Führt das zu einem Umdenken bei Anbietern von Finanzprodukten und Dienstleistungen?

Das wünsche ich mir und in der Tat hat sich einiges bewegt. Aus gutem Grund: Wenn Unternehmen Frauen als Investorinnen gewinnen, eröffnet sich ihnen ein weitgehend unerschlossener Markt. Und wir sind keine Nische, sondern die Hälfte die Bevölkerung. Damit haben wir wirtschaftliche Macht.

Heißt das, es kommen nun rosafarbene Geldanlagen auf den Markt?

Wir brauchen keine spezifischen Frauenprodukte – das wäre kompletter Blödsinn. Es braucht eine gezielte Ansprache von Frauen als relevante Zielgruppe. Junge Unternehmen, zum Beispiel einige Fintechs, bilden die Lebenswirklichkeit von Frauen und Familien bereits stärker ab als viele etablierte Anbieter. Insbesondere Versicherungsunternehmen sind oft noch altmodisch unterwegs. Wer Berater beschäftigt, die Frauen als potenzielle Kundinnen ignorieren, wird nicht erst in Zukunft Probleme bekommen. Er hat sie schon jetzt.

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